Baskenland

Euphorie in Irouléguy

Text: Alexandre Truffer

In der französischen Provinz Basse-Navarre (Nieder-Navarra) an der Grenze zu Spanien erlebt ein kleines Anbaugebiet einen stetigen Aufschwung: Im Zentrum steht die Appellation Irouléguy (baskisch für «drei Grate»), eine geschützte Ursprungsbezeichnung, bei der Regionalität mit Optimismus einhergeht. 

Die kleine mittelalterliche Stadt Saint-Jean-Pied-de-Port am Ufer der Nive, die in den nahegelegenen Pyrenäen entspringt, ist eine wichtige Station auf dem Jakobsweg. Der Ort lockt mit wunderschöner Architektur, in der fast unwirklich anmutenden grünen Landschaft liegen verstreut kleine weisse Häuschen mit altem Fachwerk. Weinterrassen schmiegen  sich zwischen die Wiesen im Tal und die Wälder in mittlerer Höhenlage. Bald entdeckt man Schafe, die – wenn sie von der Bergweide herunterkommen – in den Weinbergen weitergrasen dürfen. Quasi als «Rasenmäher» halten sie in diesem Talkessel mit nahezu 2000 Millimetern Regen pro Jahr den Graswuchs kurz. Üppige Vegetation, ausladende Terrassen, wollige Landschaftspfleger und malerische Häuser sind die charakteristischen Merkmale dieser noch wenig bekannten Terrassenweinberge.

In Irouléguy werden seit 45 Jahren AOC-Weine erzeugt, und doch ist dieses französische Anbaugebiet kaum bekannt. Aber es gibt Anlass zu Optimismus. Hier haben die Winzer weder überschüssigen Wein zu verkaufen noch Grund zur Klage. Im Gespräch mit den Weinbauern erfahren wir, dass alle Restaurants der Gegend Irouléguy-Weine auf ihrer Karte führen und die unzähligen Pilger aus aller Welt weit mehr Wein trinken, als die 240 Hektar der Appellation überhaupt hergeben. Auch der Export läuft dank der zahlreichen, in aller Welt verstreut lebenden Basken hervorragend, und selbst die in der Region neuen weissen Rebsorten finden beeindruckend grossen Anklang. Einziger Wermutstropfen: Es gestaltet sich schwierig, die Anbaufläche zu vergrössern. Das Gebiet der geschützten Ursprungsbezeichnung, die für 15 Gemeinden gilt, erstreckt sich über immerhin 1325 Hektar, sodass die aktuelle Anbaufläche theoretisch verfünffacht werden könnte. Da dieses Gelände jedoch für die Schafzucht und zur Erzeugung der hochwertigen Käsesorte Ossau-Iraty verwendet wird, kommt die Vergrösserung des Anbaugebiets nur in kleinen Schritten voran.

Eine aufstrebende Genossenschaft

Die Genossenschaftskellerei Cave d’Irouléguy in Saint-Etienne de Baigorry bildet das Herzstück der Appellation. «1952 war die Rebfläche auf 70 Hektar geschrumpft, und die Weine fanden kaum Käufer. Damals gründeten acht Pioniere die Genossenschaftskellerei und mussten dabei gegen starken Gegenwind ankämpfen, denn der Trend ging dahin, die Reben zu roden und den Weinbau aufzugeben», erklärt Pierre Laxague, der Präsident der Genossenschaft, die heute 42 Winzer zählt. «Zu den Triebkräften dieser Neugeburt gehörte Alexandre Bergouignan. Er sagte eines Tages: «Wir müssen 100 Hektar Reben pflanzen!» Fünf Jahre später standen genügend Mittel zur Verfügung, die Projekte waren angelaufen, und an den Rebstöcken sprossen bereits die ersten Blätter.

Um die Viehzucht nicht zu behindern, wurde ein Teil der neuen Parzellen auf Terrassen angelegt. «Wir reisten in die Schweiz, hauptsächlich ins Wallis, und ins Aveyron, um uns über bereits vorhandene Lösungen zu informieren.» Auf den sehr breiten Terrassen in Iroulégy werden Tannat und Cabernet (überwiegend Cabernet Franc) gepflanzt. «In den ersten Dekreten zur Ursprungsbezeichnung wurden nur die Rotweine zugelassen», stellt der Co-Präsident des Verbandes der Irouléguy-Weine, Olivier Martin, klar. «Alle Rotweine der Appellation müssen Assemblagen sein. Damals ergab der Tannat ziemlich harte Weine, die mit Cabernet verfeinert werden sollten. Dank moderner Weinbereitungstechniken stellt sich die Lage heute ganz anders dar. Man könnte sich durchaus vorstellen, einen Wein aus 99 Prozent Tannat und 1 Prozent Cabernet oder umgekehrt zu bereiten. In einigen Appellationen ist man schon auf dem bestem Wege dorthin.» 

Aufstieg der weissen Rebsorten

Olivier Martin weist darauf hin, dass es sich bei den in den 1980er Jahren eingeführten weissen Rebsorten Petit Manseng, Gros Manseng sowie Petit Courbu um dieselben handelt wie in den benachbarten Appellationen Jurançon und Pacherenc du Vic Bilh. «Wir könnten auch die Rebsorte Gros Courbu verwenden, doch bisher hat sie noch niemand gepflanzt. Es gibt allerdings einen grossen Unterschied zu den beiden Nachbarn: Bei uns sind die Weissweine trocken und nicht süss.» Auf die Frage, wie diese Neuheit ankommt, antwortet der Winzer mit einem Lachen: «Die Nachfrage ist – bescheiden ausgedrückt – stark. Sie schiesst geradezu in die Höhe! Bisweilen ist das sogar etwas kompliziert, denn manche Kunden mögen es nicht so gerne, wenn man ihnen Grenzen setzt. Die Anbaufläche für Weissweine wird grösser, doch wir müssen aufpassen, dass sie die Rosé- und Rotweine nicht verdrängen. Denn diese Gastronomieweine bieten ebenfalls ein sehr gutes Niveau.» Aus den 140 Hektar der Genossenschaft gehen elf Weine hervor: fünf Rotweine, drei Weissweine und drei Roséweine. Als neue Leiterin der Kellerei fällt Nadine Gaztambide die Aufgabe zu, dieses Wachstum zu managen. «Christophe Larrouquis, der seit 15 Jahren als Önologe für uns arbeitet, hob das Niveau der Genossenschaft an. 2000 wurde in neue Kelleranlagen investiert. Wir befinden uns derzeit mitten im Umbau. Der Lagerkeller wird vollkommen renoviert, um immer noch bessere Qualität zu erzielen.» Fast zwei Drittel aller Irouléguy-Flaschenweine stammen übrigens aus der Genossenschaft. Damit ist sie ein bedeutender Wirtschaftsmotor der Appellation. Die grösste Herausforderung, der sich die drei Kollegen stellen müssen, ist wohl die neue Generation, die laut Nadine Gaztambide, «sowohl im Weinbau sehr gut ausgebildet ist als auch oft hervorragende önologische Kenntnisse besitzt. Deshalb müssen Arbeitsumfeld und Einkommen stimmen, um sie an die Genossenschaft zu binden.»

Die Winzer von Irouléguy

 

Die 240 Hektar Weinberge, aus denen der Irouléguy-Wein stammt, sind auf 15 Gemeinden der Provinz Basse-Navarre verteilt. Für unsere Reportage besuchten wir acht der insgesamt elf selbstständigen Erzeuger der Appellation.

Jaxu Domaine Bordatto

Wie seine Frau stammt auch Bixintxo Aphaule aus der Region, doch nicht aus einer Landwirtsfamilie. «Ich studierte Weinbau und Önologie in Bordeaux und arbeitete in verschiedenen Regionen. Doch irgendwann war der Ruf der Heimat einfach zu stark. Meine Frau und ich wollten nach Irouléguy zurückkehren und ein kleines Anwesen gründen, auf dem noch der Mensch im Vordergrund steht.» 2001 liessen sich die beiden in Jaxu nieder, um dort hochwertigen Cidre herzustellen. «Wir folgen einem einfachen Leitbild: Wir bewirtschaften unsere Obstgärten wie Weingärten im Einklang mit Boden und Klima und mit Fokus auf alte Sorten.» Seine Apfelweine, ob trocken, süss oder als Schaumwein, sind Feinschmeckern in Frankreich und mittlerweile auch im Ausland ein Begriff. Daneben stellt Bixintxo auch zwei sehr originelle Cuvées aus alten Tannat-Reben her, die er dazugepachtet hat.
www.domainebordatto.com 

Saint-Etienne-de-Baigorri Domaine Etxegaraya

«Mein Mann und ich übernahmen den Betrieb 1994 und begannen, Wein zu erzeugen. 2006 starb mein Mann, und seit drei Jahren arbeitet meine Tochter Carolina mit mir zusammen. Obwohl zu dem Gut 7,5 Hektar gehören, bewirtschaften wir die vier Hektar rund um das Haus», erklärt Marianne Hillau. Die drei Rotweine und der Rosé werden im eigenen Gutsladen an Pilger und Touristen verkauft, denn Weintourismus wird auf der Domaine Etxegaraya grossgeschrieben. Marianne Hillau ist auch Mitglied der baskischen Gourmetstrasse und vermarktet einen grossen Teil ihrer Weine im Direktverkauf. Weinhändlern und Restaurants zieht sie die Teilnahme an den Weinaktionen zweier örtlicher Supermärkte (Leclerc und Carrefour) vor. Eine weitere Besonderheit von Etxegaraya sind die 100 Jahre alten wurzelechten Tannat-Reben. «Ich weiss nicht, warum diese Stöcke nicht von der Reblaus befallen wurden. Jedenfalls sind es sehr resistente Reben, die keinerlei Alterserscheinungen aufweisen. Sie erkranken nicht an Esca und tragen stets gleichmässige Mengen. Ihre Beeren sind runder und geschmacksintensiver.»
www.domaine-etxegaraya.com 

Irouléguy Domaine Arretxea

Michel und Thérèse Riouspeyrous bewirtschaften ihr 8,5 Hektar grosses Weingut seit einem Vierteljahrhundert biodynamisch. Nach der Übernahme des Familienbetriebs im Jahr 1989 machten sie daraus ein Weingut. «Wir entschieden uns für den Weinbau, weil wir uns nicht von den Märkten, Kursen und Zwischenhändlern abhängig machen wollten», erklärt Michel. «Wir sind Autodidakten. Ich verfügte zwar über landwirtschaftliche Grundkenntnisse, aber nicht spezifisch im Weinbau. Ich erarbeitete mir mein Wissen im Austausch mit anderen und passte es dann an die besonderen Bedingungen der Region an.» Ihre Weine – ein Rosé, zwei Rotweine und vier Weissweine – sind unseres Wissens die einzigen Irouléguy-Weine, die in der Schweiz zu finden sind, genauer gesagt in der Cantina del Mulino in Freiburg. Unser Favorit ist die sehr mineralische Cuvée Pantxuri, eine Assemblage der Rebsorten Gros und Petit Manseng, die auf vulkangesteinähnlichen Ophit-Böden heranwachsen.
www.domaine-arretxea.ardoneo.com 

Ispoure Domaine Bordaxuria

Die sieben Hektar von Domaine Bordaxuria in 100 bis 340 Metern Höhe werden von Brice und Elorri Reca bewirtschaftet. Elorri arbeitet mit ihren beiden Schwestern zusammen: «Meine Eltern waren Viehzüchter und legten in den 1980er Jahren acht Hektar Terrassen an. Wir waren alle drei an dem Betrieb interessiert, wollten aber Fertigerzeugnisse herstellen und ohne Zwischenhändler vermarkten. Eine meiner Schwestern spezialisierte sich auf Käseherstellung und die andere verkaufte Fleisch. 2012 übernahmen wir die Weinberge, verkauften das Lesegut 2013 an die Genossenschaft, bauten 2014 eine Kellerei und vermarkteten im Jahr darauf bereits unseren eigenen Wein.» Brice und Elorri erzeugen drei Weine (einen Rotwein, einen Weisswein und einen Rosé) und beteiligen sich an einer Erhaltungszucht für alte Reben der Sorten Tannat, Cabernet Franc und Petit Manseng, mit denen sie ihren Rebsortenbestand diversifizieren möchten.
www.domaine-bordaxuria-larraldea.com 

Irouléguy Domaine Illaria

«In Irouléguy wachsen unsere Reben auf Kalkstein. Diese geologische Besonderheit begünstigt ein mediterranes Mikroklima, das sich von der präalpinen Witterung der übrigen Region unterscheidet», erklärt Peio Espil. «Die Böden von der Domaine Illaria werden nicht bearbeitet. Wir folgen den Prinzipien des japanischen Agronomen Masanobu Fukuoka und lassen der Natur freie Hand. Natürlich hatte ich anfangs Zweifel an dieser relativ unbekannten Methode, die so gar nicht in unsere Zeit passt und allem zuwiderläuft, was in den Landwirtschaftsschulen unterrichtet und in der Region praktiziert wird. Man musste schon fest daran glauben, und das tat ich. Bald konnte ich an meinen Rebstöcken auch die ersten Ergebnisse beobachten.» Der mittlerweile anerkannte Autodidakt verbringt ebenso viel Zeit beim Spazierengehen wie zum Arbeiten in seinen Weinbergen. So entdeckte er heute vergessene, von Pflanzen überwucherte Steinmauern, die von noch unbekannten Facetten der Geschichte des Weingebiets Irouléguy zeugen. Das zehn Hektar grosse Weingut bringt vier Weine mit Bio-Siegel hervor, die selbst nach Asien und Amerika exportiert werden.
www.domaine-illaria.fr 

Saint-Jean-Pied-de-Port Domaine Brana

«1986 pflanzten wir drei Hektar Cabernet Franc; 1987 weitere 14 Hektar und allen Kritikern zum Trotz auch die ersten weissen Rebsorten», erklärt Jean Brana in seinem Kellergebäude ganz im Stil der Region Navarra und mit Blick über die steil abfallenden Weinberge. «Die Winzer waren dagegen und das Institut für Ursprungsbezeichnungen auch. Doch in Irouléguy wurde früher bereits Weisswein erzeugt. Mein eigener Vater, der Weinhändler war, kaufte das letzte Fass Irouléguy-Weisswein. Danach gab es dann 40 Jahre lang keinen mehr.» Der Winzer, der übrigens auch für die Weine des Weinguts Herri Mina im Besitz von Jean-Claude Berrouet, dem ehemaligen Önologen von Château Pétrus, verantwortlich zeichnet, erzeugt die ganz aussergewöhnliche Assemblage Bizi Berri (baskisch für «neues Leben») aus Cabernet Franc und zwei fast ausgestorbenen autochthonen Rebsorten der Pyrenäen: Arrouya und Erremaxaoua. Neben den sieben Gutsweinen sollte man unbedingt auch die von Meisterhand gebrannten und mehrfach ausgezeichneten Schnäpse kosten (Williams, Pflaume, Himbeere und Trester), die wir Jeans Schwester Martine verdanken.

www.brana.fr 

Saint-Etienne-de-Baigorri Domaine Gutizia

Cécile Sabah stammt aus Biarritz und studierte in Bordeaux Önologie. Sébastien Clauzel kommt aus dem Rhônetal. Kennen lernten die beiden sich in Die und kehrten nach ein paar «Wanderjahren» schliesslich wieder ins Baskenland zurück. «Wir hatten damals keine genauen Pläne. Ich arbeitete auf der Domaine Etxegaraya und da bot man mir 2011 vier Hektar zur Pacht an», erklärt Sébastien. «Dieses Angebot motivierte uns dazu, unsere eigenen Weine zu erzeugen, und wir haben vor, uns zusammenzutun», führt Cécile weiter aus. «Wir hatten nur rote Rebsorten: Tannat, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon zu gleichen Teilen. Letztes Jahr pflanzten wir auf eineinhalb Hektar noch rote und weisse Reben.» Derzeit bieten die beiden einen Rosé und zwei Rotweine an, der eine hauptsächlich aus Cabernet Franc und der Dotorea mit dominantem Tannat-Anteil, «eine fäulnisresistente Traubensorte, die sich gut verarbeiten lässt und bei der Weinbereitung eine sanfte Hand erfordert».
www.gutizia.fr 

Lasse Battit Ybargarai

Als bisher Letzter siedelte sich Battit Ybargarai in Irouléguy an. Er beschloss im Alter von zwölf Jahren Winzer zu werden. «Ich studierte in Bordeaux und kam dann zurück, um zunächst bei Michel und Thérèse Riouspeyrous zu arbeiten und mich später selbstständig zu machen. Beim Tod meines Onkels war das hier noch eine Schafzucht. Ich pflanzte 13 000 Meter Reben, 10 000 Weinstöcke pro Hektar, die meine wirtschaftliche Existenz sichern dürften.» Nachdem er sieben Jahre lang gleichzeitig Schafzucht und Weinbau betrieben hatte, beschloss der junge Winzer, sich ausschliesslich seiner Leidenschaft zu widmen. Dabei setzte er ganz auf weisse Rebsorten, «aus persönlicher Vorliebe, mit Rücksicht auf die besonderen Umweltbedingungen hier im Gebirge und aus wirtschaftlichen Gründen». Bei seinem ersten Jahrgang hatte Battit Ybargarai Pech, denn seine Weinberge wurden arg vom Hagel heimgesucht. «Dank der dichten Bepflanzung brachte ich dennoch 35 Hektoliter ein, womit ich mich über das Jahr retten konnte», vertraut uns der Winzer an, dem daran liegt, seine Weine «zu einem erschwinglichen Preis anzubieten, um auch die heimische Kundschaft zu überzeugen. Ich möchte, dass diesen Wein nicht nur Kunden, sondern auch meine Freunde und Nachbarn trinken.»

Baskenland ist auch Schlemmerland

 

Aus der Region Basse-Navarre stammen nebst den Weinen noch zwei weitere Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung: der Ossau-Iraty-Käse und das Kintoa-Schwein. Die Vielzahl zertifizierter Produkte zeugt von einer dynamischen Landwirtschaft.

Das bekannteste landwirtschaftliche Erzeugnis aus dem Baskenland, Piment d’Espelette (Ezpeletako biperra auf Baskisch), wird in der Gegend um Irouléguy nicht hergestellt. Sein Ursprungsgebiet ist die benachbarte Provinz Labourd. Die im 16. Jahrhundert aus Südamerika eingeführte Chilisorte erhielt 2000 die kontrollierte Ursprungsbezeichnung AOC, wodurch die Erzeugung innerhalb von zehn Jahren verdoppelt werden konnte: 2014 bewirtschafteten 160 Erzeuger 183 Hektar. Die lange landwirtschaftliche Tradition der Region Basse-Navarre spiegelt sich in zwei anderen geschützten Ursprungsbezeichnungen wider.

Ossau-Iraty
Seit Jahrtausenden weiden im Baskenland und im benachbarten Béarn Schafherden. Früher trieben die Hirten ihre Herden im Sommer auf die saftigen Bergweiden und vor Winteranbruch wieder hinunter ins Tal. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Schafsmilch hauptsächlich zu Roquefort-Käse verarbeitet. Aufgrund der ab 1970 nachlassenden Nachfrage beschlossen die Schafzüchter, wieder Bauernkäse herzustellen und selbst zu vermarkten. 1980 wurden ihre Bemühungen mit der kontrollierten Ursprungsbezeichnung AOC Ossau-Iraty belohnt. Der Ossau-Iraty ist ein reiner Schafskäse aus roher oder pasteurisierter Vollmilch, dessen Farbe von orange-gelb bis hin zu grau reicht. Zylindrisch geformt reift er in zwei bis drei Kilo schweren Laiben mindestens 80 Tage oder wird in grossen vier bis fünf Kilo schweren Laiben mindestens drei Monate lang gehegt und gepflegt. 2013 wurden 3500 Tonnen erzeugt, ein Zehntel davon aus Rohmilch.

Kintoa-Schwein
Das Pie Noir du Pays Basque bzw. Euskal Xerria gehört zu den sechs einheimischen Schweinerassen Frankreichs. Dieses kleine, dunkelhäutige Schwein wird im Aldudes-Tal, auch Kintoa oder Pays Quint genannt, seit dem zwölf Jahrhundert gezüchtet. Dieser Name stammt von dem «Recht auf den fünften Teil» («Droit de Quint»), einer Abgabe, welche die Herrscher über Navarra von allen Untertanen einforderten, die ihr Vieh im Sommer zum Weiden in die königlichen Wälder führten. Doch Ende des 17. Jahrhunderts läutete Colbert mit Prämien für Wollerzeuger das Ende der traditionellen Nutztierhaltung ein. Nach und nach wurde das heimische baskische Schwein durch viel leistungsfähigere hellhäutige englische Rassen ersetzt, bis es 1981 schliesslich sogar vom Aussterben bedroht war. Daraufhin beschlossen zehn Erzeuger, die Zucht wieder aufzunehmen. Inzwischen zählt man 80 Züchter, die an den waldigen Hängen der Pyrenäen insgesamt etwa 3000 Tiere halten. Die geschützte Ursprungsbezeichnung, die 2016 offiziell zuerkannt wurde, beruht auf strengen Vorgaben, wie etwa Freilandhaltung und eine mindestens 16-monatige Trocknung. So erhält man ein hochwertiges Erzeugnis, das sich gut vermarkten lässt.

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