Buch Stein und Wein
Wallis:
Petite Arvine liebt Gneis
Das Weinbaudorf Fully im unteren Wallis ist bekannt für seine charakterstarken Petite-Arvine-Weine. Diese werden vom Gneisboden geprägt, der in Fully besonders markant hervortritt.
Von welcher besonderen geologischen Charakteristik profitieren die Petite-Arvine-Crus in Fully?
Thomas Mumenthaler: Fully ist ein ausgeprägt kristallines Gebiet. Hier dominiert der Gneis, der besonders den Petite-Arvine-Gewächsen ihren besonderen Charakter verleiht.
Wie ist dieser besondere Boden entstanden?
Der Grundsockel aus Gneis ist sehr alt, er entstand vor schätzungsweise 500 Millionen Jahren. In den Nachbardörfern, etwa in Saillon, hat sich während der später stattgefundenen Alpenfaltung eine Schicht aus Kalk und Schiefer über den Gneis geschoben, und noch später haben die Moränen des Rhône-Gletschers das Gestein weiter durchmischt. In Fully aber ist der ursprüngliche Gneis dominant.
«Während die Petite-Arvine-Weine von Fully besonders Harmonisch und temperamentvoll wirken, ergibt die gleiche Sorte im benachbarten Saillon, wo Kalk und Schiefer dominieren, wesentlich weichere, voluminösere und rundere Weine.»
In welcher Weise prägt dieser Gneis-Boden nun den Petite Arvine in Fully?
Verkostungen zeigen, dass die Petite-Arvine-Weine von Fully besonders filigran, harmonisch und temperamentvoll, ja in positiver Weise gar nervös wirken, während die gleiche Sorte etwa in Saillon, wo Kalk und Schiefer dominieren, in der Tendenz weichere, voluminösere und rundere Weine hervorbringt.
Zeigt sich diese besondere Gneis-Charakteristik ausschliesslich beim Petite Arvine?
Es ist in der Tat interessant, dass bestimmte Rebsorten die geologischen Eigenheiten eines Gebietes besser zum Ausdruck bringen als andere. Neben der Petite Arvine kann in Fully aber beispielsweise auch der Gamay seine individuellen Qualitäten optimal ausspielen. Die Gamay-Weine aus Fully sind in der Regel besonders aromatisch und auf eine geradezu knackige Weise erfrischend. Schon in Saillon zeigt der Gamay ein anderes Profil, die dort gewachsenen Weine wirken wesentlich fülliger und runder.
Zurück zur Petite Arvine in Fully. Erkennen Sie die besonders klare Gneis-Stilistik bei allen Spielarten der Sorte, von trocken bis edelsüss?
Zwar sorgt Fully heute besonders mit seinen edelsüssen Beeren- und Trockenbeerenauslesen aus Petite Arvine international für Furore, aber nach meiner Meinung treten die Charakteristiken des Bodens bei zunehmenden Restzuckergehalt in den Hintergrund. Besonders klar zeigt sich die Gneis-Charakteristik bei den knochentrockenen Lagen-Gewächsen aus der Petite Arvine, wie sie beispielsweise Marie-Thérèse Chappaz, Benoît Dorsaz oder Claudine und Yvon Roduit vom Cave Rodeline in die Flaschen bringen.