Weinregionen der Schweiz
Graubünden – ein kleines Burgund
Text: Eva Zwahlen
Die Bündner Weine sind die unangefochtenen Stars im Deutschschweizer Weinbau. Trotz seiner geringen Rebfläche hat es Graubünden geschafft, sich weit über seine Grenzen hinaus einen Namen zu machen: als die kleine Region der grossen Pinots.
Mit 420,7 Hektar Rebfläche – ohne die 30 Hektar im italienischsprachigen Misox mitzuzählen – liegt Graubünden hinter Zürich und Schaffhausen nur an dritter Stelle der Deutschschweizer Weinkantone, vom Renommee her allerdings überflügelt es alle und steht unangefochten an der Spitze. Wer einen Deutschschweizer Pinot Noir von echter Klasse sucht, wird hier mit Sicherheit fündig. Auch wettermässig haben die Bündner die Nase vorn: Ihre Region ist die wärmste der deutschsprachigen Schweiz, nicht zuletzt dank freundlicher Unterstützung durch den «Traubenkocher» Föhn.
Seit gut einem Jahr ist Georg Fromm Präsident von Graubünden Wein. Er, der einst in Neuseeland Pinots produzierte, die weltweit für Furore sorgten, und heute wieder ausschliesslich sein Gut in Malans bewirtschaftet, nach biodynamischen Grundsätzen übrigens, will mit seiner Erfahrung und seiner ausgleichenden Art seinem Heimatkanton «etwas zurückgeben, ich habe ja auch oft profitiert vom Verband».
Die grosse Stärke Graubündens ist der Blauburgunder alias Pinot Noir. Und das wird er trotz Kirschessigfliege bleiben, ist Fromm überzeugt. Ob der Pinot vom «guten Herzog» Henri II. Duc de Rohan höchstpersönlich ins Bündnerland eingeführt wurde, wie es die Legende will, oder ob Schweizer Söldner die Burgunderrebe aus dem Dreissigjährigen Krieg mitbrachten, sei dahingestellt. Auf alle Fälle breitete sich die Burgundersorte ab 1630 schnell im Bündner Rheintal aus und übernahm das Zepter.
Seit 1970, als erst zwei, drei Prozent mit weissen Varietäten bestockt waren, hat sich der Anteil der weissen Sorten fulminant entwickelt, auf mittlerweile 22 Prozent. «Die Parallelsorte zum Blauburgunder ist der Chardonnay, daneben sind auch Pinot Gris, Pinot Blanc und Sauvignon Blanc von Bedeutung. Und natürlich der Riesling-Silvaner!» Lachend erinnert sich Georg Fromm an seine Ausbildungszeit: «Ohne zwei, drei Kilo Zucker ging damals gar nichts… Heute wird der Riesling-Silvaner ganz anders vinifiziert, mit viel weniger Alkohol und ohne biologischen Säureabbau.» Und mauserte sich so zum spannenden Wein, der viele Liebhaber findet. Eine Bündner Besonderheit ist der uralte weisse Completer, der heute nur noch auf wenigen Hektar gepflegt wird, aber ausgesprochen interessante Tropfen hervorbringt.
«Daneben hat es Platz für Nischenweine», findet Georg Fromm, auch wenn er einräumt, dass die riesige Sortenvielfalt, die in Graubünden wie in der ganzen Deutschschweiz grassiert, für die Konsumenten verwirrend sei – insgesamt werden in Graubünden über 40 Sorten angebaut. «Viele Selbstkelterer lieben es halt, ihren Spieltrieb auszuleben, das hat ja auch seine Berechtigung.»
Für den Export sei die Weinregion sowieso viel zu klein. «Der Export ist interessant fürs Renommee», weiss Georg Fromm, dessen Pinots man in homöopathischen Mengen auch in Grossbritannien, Dänemark, Deutschland, Dubai und Hongkong findet. «Aber mengenmässig können wir nicht konkurrieren. Da muss man die Relationen sehen: Das neuseeländische Weingut Dog Point beispielsweise bewirtschaftet alleine rund 300 Hektar Reben, wir Bündner bringen es grade mal auf 420.» Die Bündner Winzer hätten das Glück, ihre hochklassigen Weine, die sich auf international hohem Niveau bewegten, in bekannten Tourismusorten wie St. Moritz und Co. einer in- und ausländischen Kundschaft anbieten zu können, das sei sehr spannend. «Und ökologisch deutlich sinnvoller als der Export ins Ausland!»
3 Fragen an…
Welches sind die Stärken des Weinkantons Graubünden?
Der Weinkanton Graubünden gilt schon seit einer ganzen Weile als das Burgund der Schweiz. Mittlerweile werden wir gar kopiert. Unsere Kompetenz in Sachen Blauburgunder ist unbestritten hoch. Und es gibt nicht nur ein, zwei Spitzenwinzer, sondern etwa 20 unterschiedliche Betriebe, die auf höchstem Niveau Pinot Noir produzieren. Es herrscht ein gesunder Wettbewerb unter den rund 70 Selbstkelterern. Die Weissweine sind ebenfalls im Aufschwung, allerdings sind die Mengen klein und die Nachfrage folglich gross.
Und die Schwächen?
Na ja, es gibt hin und wieder Winzer, denen es ein bisschen an Offenheit mangelt. Und an der Grosszügigkeit, anderen gute Resultate zu gönnen. Oder an der Fähigkeit, bei Erfolgen auf dem Boden zu bleiben. Aber bei den Jungen ist das glücklicherweise anders. Dafür sorgen wir.
Welches sind die wichtigsten Projekte des Branchenverbands?
Neben dem erfolgreich umgesetzten Projekt des Alten Torkels in Jenins, einem richtigen Besuchermagneten, heisst unser wichtigstes Projekt Biovision 2020. Wir wollen die Monokultur Rebberg bewusster pflegen, nicht aus propagandistischen Gründen, sondern weil wir an eine ökologische Entwicklung glauben. Unsere Vision: Bis 2020 sollen 60 Prozent der Bündner Rebfläche biologisch oder biodynamisch bewirtschaftet werden. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, aber nicht völlig unrealistisch. Wenn das Klima mitmacht, haben wir in der Bündner Herrschaft ausgesprochen gute Bedingungen für die Umstellung. Gerade Junge, die im Ausland studiert und Praktika absolviert haben, sind sehr offen für den biologischen Ansatz. Der Plantahof, Fachstelle Weinbau, sowie das FIBL übernehmen Information, Beratung und Ausbildung.