Europas Beste 2016

Gipfeltreffen in Palma

Text: Joël Gernet, Fotos: Christian Wyrwa/Hapag Lloyd Cruises

Beim Gourmetfestival Europas Beste versammelten sich Anfang Oktober 2016 rund 30 Akteure, darunter Sterneköche, Spitzenwinzer und Feinkostspezialisten, auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa in Palma de Mallorca. Vier von ihnen haben wir den Puls gefühlt.

«Der Fisch kommt frisch aus dem Hafen»

Thorsten Gillert, Küchenchef MS Europa

Wie ist es für Sie als «Hausherr», das Schiff mit so vielen Köchen zu teilen?

Es ist eine grosse Ehre, dass so viele beschäftigte Spitzenköche den Weg nach Mallorca auf sich nehmen. Sie produzieren an Bord 400 Essen pro Abend – wesentlich mehr als im eigenen Lokal.

Was ist die Herausforderung als Koch auf einem Schiff ?

Die unglaubliche Bandbreite, die wir abdecken. Für einige ist ein Roastbeef mit Bratkartoffeln und Remouladensauce das Grösste, andere erwarten Sterneniveau. Zudem können wir uns nicht wiederholen. Wir kochen jeden Tag etwas Neues. Dabei lasse ich mich auch von der Schiffsroute inspirieren. Gemüse, Obst und Fisch gibt’s wenn immer möglich frisch aus der Hafenregion. Die Grundversorgung kommt aus Hamburg.

Was servierten Sie beim diesjährigen Gourmet-Treffen den Gästen?

Hamburger Rauchfleisch mit Karden, Artischocken, Pfifferlingen und einer Gänseleber-Crumble. Ich möchte etwas präsentieren, das wir nur hier machen können. Das Rauchfleisch wird aus Ochsenbrust hergestellt. Dafür haben wir Wagyū-Rind in der Lake gepökelt. Diese Lake ist ein Nebenprodukt der Trinkwasserproduktion an Bord. Sie bleibt als gesättigte Salzlösung übrig. Ich habe das Gefühl, dass sie immer etwas anders schmeckt – je nachdem, ob wir auf dem Atlantik oder auf dem Mittelmeer sind. Wir haben die Ochsenbrust also gepökelt, geräuchert, gekocht, glasiert und im Sous-Vide-Verfahren zu Ende gegart. Dazu Baby-Artischocken und die Karden, ein seltenes Distelgemüse, das ich unterbringen wollte, weil wir zuletzt viel in Italien unterwegs waren.

Haben Sie unter den Gerichten dieses Jahr einen Trend ausmachen können?

Es gab nicht mehr so viele vegetarische Gerichte. Ich sehe einen Trend zu Speisen, die in kleinen Schalen präsentiert werden. Sachen, die mit Fond und viel Sauce funktionieren. Auch die Tendenz zu total zusammengebauten Gerichten mit vielen Komponenten, aber ohne wirklichen – ich sag das mal so – «Geschmacks-Punch» ebbt langsam ab.

Haben Sie schon einmal eine Speise dank einer Wein-Mariage von einer neuen Seite kennengelernt?

Ja! Ich habe einmal ein Gericht mit ausgeprägter Bitternote gekocht, mit geschmortem Radicchio und Chicorée. Dazu hat mein Sommelier einen Wein mit unglaublicher Mineralität empfohlen. Ich dachte, das haut nicht hin, weil eine kräftige Mineralik ebenfalls herb wirken kann. Aber der Wein machte alles rund und stimmig. Die Bitternote hat einen ganz anderen Charakter erhalten.

«Wir wollen etwas in Bewegung setzen»

Nenad Mlinarevic, Restaurant Focus, Park Hotel Vitznau, Schweiz

Was servieren Sie den Gästen an Bord?

Geschmorte Entenschenkel, dazu in weissem Essig eingelegten Rettich und eine Art Miso-Hollandaise-Sauce. Darüber eine knusprige Schicht aus Buchweizen, Röstzwiebeln, Dinkel und Sonnenblumenkernen. Unser Ziel war ein einfaches Löffelgericht, das sich gut transportieren lässt und dessen Geschmack erhalten bleibt. Wir haben alles fertig vorbereitet mitgenommen. Auch, weil wir ausschliesslich Schweizer Produkte verwenden. Gewisse Gäste kamen bis zu vier Mal an unserem Stand vor bei – das ist doch ein gutes Zeichen.

Ist die Arbeit von Köchen und Winzern vergleichbar?

Auf jeden Fall. Da gibt es sicher Gemeinsamkeiten in Sachen Handwerk und Geduld, aber auch bezüglich Balance und Timing. Wann muss was gemacht werden? Da gibt es schon Parallelen.

Warum wurden Sie Koch?

Das war Zufall. Eigentlich wollte ich eine kaufmännische Ausbildung machen. Doch mein Vater kannte den Küchenchef im Restaurant «Dolder Waldhaus» in Zürich. Nach einer Probewoche wusste ich, dass ich Koch werden will. Essen war schon immer wichtig zu Hause, es wurde stets frisch gekocht. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich Koch werde.

Gibt es eine Lieblingszutat, auf die Sie immer wieder zurückgreifen?

Säure ist ein grosses Thema, sei es als Essig oder in Form von Zitrusfrüchten. Sie ist wichtig für die Balance. Wenn ich eine Sauce mit etwas Zitrone oder Verjus koche, macht diese feine Restsäure das Gericht in meinen Augen noch besser.

Sind Sie stolz darauf, Vorreiter einer Küche zu sein, die konsequent auf regionale Produkte setzt?

Vor zehn Jahren habe ich auch bei Köchen gearbeitet, die einen eigenen Gemüse-
und Kräutergarten hinter dem Haus hatten. Damals redete man einfach nicht darüber – man machte es einfach. Heute betont man, dass der Fisch gleich im See um die Ecke geangelt wurde und dass das Gemüse vom lokalen Bauern stammt. Dieser Stolz wiederum hilft den Produzenten und motiviert sie. Als Vorreiter sehe ich mich nicht unbedingt – aber vielleicht haben wir schon einen kleinen Hype ausgelöst. Es war nie das Ziel, etwas zu machen, um der Erste und Einzige zu sein. Wir wollen ja etwas in Bewegung setzen. Und wenn ich von Produzenten höre, wie sie von anderen Köchen angegangen werden, freut mich das. Und die Leute machen mit. Wieso Sachen aus dem Ausland bestellen, wenn man vor der eigenen Haustüre so viele gute Produkte findet?

«Es gibt kräftige, ausgereifte Weine»

Herta Stiegelmar, Weingut Juris, Gols, Burgenland, Österreich

Viele Köche lassen sich vom Wein inspirieren. Geht es auch umgekehrt?

Diesen Weg kann man auch gehen, nur ist das etwas schwieriger. Als Winzer hat man nur einmal pro Jahr Gelegenheit, Wein zu machen – geleitet von Traubensorte, Terroir und Jahrgang. In der Küche ist man flexibler. Deshalb gibt meistens das Essen den Wein vor. Aber zum Glück haben wir dazu ein breites Weinsortiment von leichten Weissweinen bis zu roten Speisebegleitern aus St. Laurent oder Pinot Noir, unserer Hauptsorte. Georg Stiegelmar war in den 80er Jahren ein Rotweinpionier im Burgenland. Er hat bewiesen, dass man auch in Österreich tollen Pinot Noir keltern kann.

Welches Essen sehen Sie besonders gerne zu Ihren Weinen kombiniert?

Wir sind im Burgenland mit viel Sonne gesegnet und haben viel frisches eigenes Gemüse. Deshalb gibt es für mich nichts Besseres, als an einem warmen Sommertag einen frischen Salat zuzubereiten, dazu kurz angeröstetes Gemüse – schon hat man ein wunderbar leichtes Sommergericht. Im Glas einen duftigen Wein wie unseren Sauvignon Blanc. Was gibt’s Schöneres? Durch den verstärkten Rotweinausbau ist auch die Wildzeit im Herbst mit den Gämsen und Enten herrlich – dazu entkorke ich gerne einen Pinot Noir oder einen St. Laurent.

Sind Köche und Winzer miteinander vergleichbar in Sachen Handwerk?

Auf alle Fälle! Beides ist ein Handwerk, das man von Grund auf beherrschen muss. Ein Koch braucht ein Fundament, um aus den Zutaten etwas Schönes zu machen. Ähnlich ist es im Weinbau: Wenn du aus Zufall etwas machst, kann zwar Schönes entstehen, aber man kann es nicht steuern. Das Spezielle im Weinbau ist, dass man, anders als ein Koch, mit der Natur arbeiten muss. Und dass jedes Rebjahr andere Herausforderungen mit sich bringt. Das macht unsere Arbeit so spannend. Einen guten Wein in einem schwierigen Jahr zu keltern, ist eine grosse Herausforderung – dann zeigt sich das wahre Können eines Winzers.

Wie wird der Juris-Jahrgang 2016?

Bis im Juli wussten wir noch nicht, wie der Herbst und die Ernte ausfallen werden und ob die Trauben ausreifen. Wir hatten im Frühling leider viel Spätfrost im Burgenland. Also kam es auch darauf an, wie die Nachblüte und der Nachwuchs sich entwickeln konnten. Das war zunächst schwierig zu beurteilen. Aber es hat sich gezeigt, dass die Rebe eine starke Pflanze ist, die auch mit solchen Wetterbedingungen umgehen kann. Dank dem schönen Herbst haben sich die Trauben wunderbar entwickeln können. Wir werden sehr kräftige, ausgereifte Weine erhalten – wenn auch etwas weniger als sonst. Aber wir haben das Beste aus dem Jahr gemacht.

«Ich hätte mich im Keller verkrochen»

Markus Schneider, Weingut Markus Schneider, Ellerstadt, Pfalz, Deutschland

Einen Winzer während der Ernte auf Mallorca anzutreffen ist nicht selbstverständlich…

Stimmt, deshalb wird das auch nur ein ganz kurzer Trip. Wir haben gestern Nacht noch bis zwei Uhr im Keller gearbeitet. Und morgen geht es bereits um fünf Uhr in der Früh auf die Heimreise, so dass ich um halb elf Uhr wieder im Weinberg stehe. Eigentlich lasse ich mich während der Ernte nicht auf solche Aktionen ein – aber wir arbeiten schon lange gut mit Hapag Lloyd Cruises zusammen, und solche Anlässe sind ja auch schön. Ich geniesse jedenfalls jede Minute an Bord.

Wie verlief die Ernte bisher?

Ohne das wunderbare Wetter im August, wäre ich heute nicht hier in Palma. Ich hätte  mich in einen dunklen Keller verkrochen und würde weinen. Aber so wie es jetzt Anfang Oktober aussieht, erhalten wir wahrscheinlich einen hervorragenden
Jahrgang.

Haben Sie eine Lieblings-Mariage zu einem Ihrer Weine?

Unsere Rotweine passen super zu Fleisch – so auch zu allen Stücken, die Wolfgang Otto vom Spezialitätenversand Otto Gourmet hier auf dem Schiff auf den Teller bringt. Der Blaufränkisch passt besser zu kurzgebratenen, feineren Gerichten, der Tohowabohu – eine Assemblage aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc – kommt gut mit konzentrierteren, vielleicht sogar geschmorten Sachen zurecht.

Lässt sich die Arbeit eines Winzers mit der eines Spitzenkochs vergleichen?

Diesen Vergleich mache ich jeden Tag. Zum Beispiel, wenn ich Gästen unsere Arbeit näherbringen will. Diese Analogie kann gut nachvollzogen werden, weil sich die Leute besser in die Arbeit eines Kochs hineindenken können als in die eines Winzers.

Werden Sie als Winzer auch durch die Arbeit von Köchen inspiriert?

Inspiration gibt es hier an Deck etwa bis elf Uhr nachts – danach wird es langsam zu spät, und die Gespräche drehen sich um Fussball und andere Dinge (lacht). Es gibt also einen Austausch. Ich kenne nahezu alle Köche hier.

Wie würden Sie den Weinjahrgang 2016 bis jetzt charakterisieren?

Katastrophaler Frühsommer, nahe am Weltuntergang. Dann hat sich die Situation um 180 Grad gedreht: Die Sonne hat viel für uns getan, und wir hatten unglaublich warme Böden. Es war zur richtigen Zeit trocken. Wir haben unglaublich viel Aroma in den Trauben. Da soll mir mal einer erklären, wo das herkommt. Die aktuelle Kombination haben wir seit Jahrzenten nicht mehr gehabt – einen so nassen Juni und dann einen so schönen und langen Sommer.

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