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Profis verkosteten: Frauenweine vs. Männerweine
Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Hans-Peter Siffert
Die Wein-Genusswelt ist voll von Vorurteilen. Lieben Frauen tatsächlich elegant feminine Weine, Männer dagegen kräftig maskuline Gewächse? Und haben Weinfachleute mehr Verständnis für eigenständige kantige Weine als Konsumenten? VINUM liess 20 Weine von vier verschiedenen Jurys verkosten und bewerten. Das Ergebnis macht klar: Das Geschlecht hat bedeutend weniger Einfluss auf die Weinwahl als gemeinhin angenommen. Was die Beurteilung hingegen entscheidend prägt, ist der berufliche Status. Fachleute bevorzugen ganz andere Weine als Konsumenten. Am augenfälligsten zeigt sich diese Diskrepanz am Beispiel Amarone!
Verkostet wurden 20 Weine, die stilistisch viel von dem abdecken, was heute im Markt angeboten wird. Das Spektrum reichte vom knackigen weissen Burgunder aus Puligny-Montrachet bis zum fülligen Gewürztraminer aus Südtirol. Und vom frischen Beaujolais aus Fleury bis zum verschwenderischen Amarone. Verkostet wurden diese Weine von vier Gruppen, nämlich von weiblichen und männlichen Fachleuten, sowie von weiblichen und männlichen Konsumenten. Dass jede dieser vier Gruppen einen anderen Wein zum Lieblingswein kürte, überrascht nicht, verblüffend sind jedoch die teilweise diametral entgegengesetzten Bewertungen zwischen den einzelnen Gruppen. Auf den folgenden Seiten sehen Sie detailliert, wie die verschiedenen Weine von den vier verschiedenen Verkostungs-Panels bewertet worden sind. Folgende Erkenntnisse lassen sich aus den Resultaten ableiten:
Der Wert von Noten
Die unterschiedlichen Geschmacksvorlieben von Fachleuten und Konsumenten relativieren den Wert von Benotungen. Fazit: Weinbewertungen sind zwar sinnvoll, um handwerklich ungenügende Weine von guten Weinen zu unterscheiden. Wird ein Wein ab 15 von 20 Punkten als grundsätzlich gut beurteilt, ist die Verkostungsnotiz jedoch aussagekräftiger. Sie zeigt besser als die Note, ob ein Wein den individuellen Erwartungen entspricht.
Frauen mögen Power
Die zwei mächtigsten Rotweine des Panels, der Napa Valley Cabernet von Orin Swift und der Amarone Classico Riserva von Buglioni, wurden überraschenderweise von der Jury «Konsumenten Frauen» am höchsten bewertet. Auch aromaintensive Weissweine (Sauvignon Blanc aus Neuseeland und Gewürztraminer aus Südtirol) erhielten von der gleichen Jury jeweils Höchstnoten. Fazit: Nicht die Männer, sondern die Frauen tendieren zu Weinen mit viel Aroma und Power!
Déformation professionelle
Leichtweine und Naturweine seien im Trend, heisst es in der Presse. Doch der an sich gelungene Beaujolais Fleurie La Madone von Georges Blanc und der hoch gepriesene Malvazjia Antica von Roxanich (Kroatien) landeten bei den Konsumentenjurys Frauen und Männer jeweils auf den letzten Plätzen. Die Fachjurys Frauen und Männer zeigten zwar mehr Verständnis, doch auch hier kamen die Weine nicht über Platzierungen im Mittelfeld hinaus. Fazit: Der Boom der Leicht- und Naturweine findet auf dem Papier und nicht im Gaumen statt.
Mehrheitsfähige Weine
Die Weine, die von allen vier Jurys gut bewertet worden sind, vereinen präsente, aber nicht überbordende Primärfrucht mit geschliffener Fülle im Gaumen. Paradebeispiele waren der 2011er Château L’Inclassable aus dem Médoc, ein fülliger, aber doch erkennbarer Bordeaux, und der 2015er Riesling Erste Lage Deidesheimer Paradiesgarten aus dem Hause von Winning mit viel Primärfrucht und typischer Riesling-Finesse.
Polarisierung
Im direkten Vergleich von stilistisch sehr unterschiedlichen Weinen, vom leichten Beaujolais bis zum üppigen Amarone, bleiben zurückhaltende Weine gerne auf der Strecke, sowohl bei Konsumenten als auch bei Fachleuten. Opfer dieses Phänomens waren in diesem Panel etwa der Dézaley von Blaise Duboux, der Grüne Veltliner von Fred Loimer oder der Crozes-Hermitage von Yann Chave.
Hyde & de Villaine, Napa, USA
Chardonnay Hyde Vineyard 2012
Exotische Früchte, Litschi, Agrumen. Wirkt üppig, aber doch elegant. Anflug von Bittermandeln.
2017 bis 2030 | 61 Franken
Palliser Estate, Martinborough, Neuseeland
Sauvignon Blanc 2015
Intensiv, mit Stachelbeeren, Litschi, Rosenblättern. Auch im
Gaumen sehr aromatisch.
2017 bis 2019 | 22.30 Franken
Baron Andreas Widmann, Kurtatsch, Italien
Gewürztraminer 2014
Aprikosen, Rosenblüten, Ingwer. Voll, aber mit viel Schmelz. Bittermandeln im Abgang.
2017 bis 2020 | 27.50 Franken
Weingut Roxanich, Nova Vas, Kroatien
Malvazija Antica 2009
Orangenschalen, Kernobst, Melasse. Geradlinig und kernig. Komplexer Naturwein.
2017 bis 2028 | 32 Franken
Georges Blanc, Vonnas, Frankreich
Beaujolais Fleurie
La Madone 2014
Veilchen, Waldbeeren und Pfeffer. Viel jugendliche Frische, beschwingt, leicht und frisch.
2017 bis 2020 |22 Franken
Domaine Blaise Duboux, Epesses, Schweiz
Dézaley Haut de Pierre Vieilles Vignes 2014
Blüten, mineralische Noten. Etwas Kohlensäure. Süsslicher Touch,
aber elegant. Lang.
2017 bis 2030 | ca. 28 Franken
Domaine Guilleraut-Fargette, Crézancy-en-Sancerre, Frankreich
Sancerre Facétie 2013
Floral, Anflug von Gras, dezente Stachelbeeren. Geradlinig, knackig, klar.
2017 bis 2019 | 31 Franken
Von Winning, Deidesheim, Deutschland
Riesling Deidesheimer Paradiesgarten Erste Lage 2015
Wiesenkräuter, Mineralik, Agrumen. Viel Rasse und Klasse im Gaumen. Frische Säure.
2017 bis 2025 | 24 Franken
Weingut Loimer, Langenlois, Österreich
Grüner Veltliner Langenlois Spiegel 1 2014
Kernobst, Honig, Kräuterwürze, reintönig und vielschichtig. Lang. Bittermandeln im Abgang.
2017 bis 2025 | 42 Franken
Domaine François Carillon, Puligny-Montrachet, Frankreich
Puligny-Montrachet AOC 2014
Mineralik pur, dazu Kräuter und Blüten. Edle Würze. Komplex, geradlinig, saftig.
2017 bis 2026 | 55 Franken
Domaine Bouchard, Père et Fils, Beaune, Frankreich
Beaune du Château, Premier Cru 2012
Typisch Burgund! Kirschen, Kräuter und Unterholz. Fest gebaut, kernig und saftig.
2017 bis 2022 | 29.95 Franken
Domaine Yann Chave, Mercurol, Frankreich
Crozes-Hermitage, Le Rouvre 2015
Temperamentvoll jugendliche Beerenfrucht, kräftig, kernig, geradlinig, saftige Säure.
2017 bis 2022 | 29 Franken
Felton Road Wines, Bannockburn, Neuseeland
Pinot Noir, Bannockburn 2015
Kirschen, Himbeeren, Pflaumen. Im Gaumen weich und füllig, getragen von einer saftigen Säure.
2017 bis 2022 | 50 Franken
R. López de Heredia Viña Tondonia, Haro, Spanien
Viña Tondonia, Tinto Rioja Reserva 2004
Sauerkirsche, Dörrpflaume, balsamische Noten. Komplex, kernig, frisch. Viel Finesse.
2017 bis 2025 | 35 Franken
Azienda Ciabot Berton, La Morra, Italien
Barolo 2012
Leder, Lorbeer, kräuterwürzige Noten. Präsentes Tannin und eine saftige Säure.
2017 bis 2022 | 37.50 Franken
Château L’Inclassable, Prignac en Médoc, Frankreich
L’Inclassable Cru, Bourgeois Médoc 2011
Dunkle Beeren, erdige, würzig-rauchige Noten. Komplex, voll, elegant.
2017 bis 2025. | 47 Franken
Schild Estate, Lyndoch, Australien
Moorooroo Shiraz, Barossa 2012
Konfitürige Cassisfrucht, präsente Würze. Mächtig, kraftvoll und langanhaltend.
2017 bis 2025 | 80 Franken
Celler Mas Doix, Poboleda, Spanien
Salanques Priorat 2012
Reife Waldbeeren, Zwetschgen, Lakritze und Mokka, mächtig und langanhaltend.
2017 bis 2022 | 48.50 Franken
Orin Swift Cellars, St. Helena, USA
Cabernet Sauvignon Palermo Napa 2014
Likörig konzentriert, Brombeeren, Rosinen, Pfeffer. Im Gaumen mächtig, süsslicher Extrakt.
2017 bis 2025 |58 Franken
Buglioni, S. Pietro in Cariano, Italien
Amarone Classico Riserva Il Lussuriosa 2011
Brombeeren, Lakritze, Teer. Süsser Extrakt. Präsentes Tannin, kraftvoll, aber mit Frische.
2017 bis 2026 | 42.50 Franken