Deutscher Rotweinpreis 2017
Der Club der roten Winzer
Text: Rudolf Knoll, Fotos: Jana Kay
1840 Weine durften wir beim Deutschen Rotweinpreis 2017 bewerten – ein Rekord! Weine, die ganz vorn dabei waren, wurden viermal verkostet. Erst nach diesem Härtetest hiess es: Bühne frei für die Besten.
Traditionelles Treffen der Sieger, diesmal im für seine beachtliche Weinauswahl und die feine Regionalküche bekannten «Ratskeller» in Heilbronn. Axel Neiss aus dem pfälzischen Kindenheim erinnert sich in der Zehnerrunde gern an 1996, als er beim 10. Deutschen Rotweinpreis für einen zweiten Rang bei Neuzüchtungen auf der Bühne stand: «Das hat mich motiviert und mir als 24-jährigem Burschen viel Schubkraft gegeben.» 21 Jahre später war er gleich zweimal bei VINUM-Wettbewerben an vorderster Front zu finden, zunächst beim Riesling Champion und jetzt im 30. Jahr des Deutschen Rotweinpreises. Neiss setzte sich mit anderen arrivierten Erzeugern in einem Rekordjahr ins Rampenlicht. Nach 1750 Anstellungen beim Riesling wurde beim Rotweinpreis mit 1840 Weinen die bisherige Bestmarke aus 2005 mit 1600 Weinen förmlich pulverisiert.
Begonnen hatte alles 1987, als deutscher Rotwein bedeutungslos war und nur einen Flächenanteil von knapp 15 Prozent vorweisen konnte (heute sind es rund 20 Prozent mehr). Zwar hielten damals die ersten Barriques Einzug in einige Keller, aber nicht sonderlich viele Erzeuger strengten sich an, überdurchschnittliche Weine zu machen. Genau betrachtet war ein Dornfelder von einem unbekannten, heute nicht mehr existenten Weingut aus Rheinhessen der Knackpunkt. Bei einer zufälligen Verkostung gefiel der Wein und verleitete zur Vermutung: Wenn schon ein Nobody so etwas zustande bringt, dann könnte eine Suche via Wettbewerb weitere spannende Gewächse zu Tage fördern. So war es denn auch. Rund 350 Weine wurden seinerzeit aufgeboten. Damals posierten Repräsentanten folgender Betriebe für das Sieger-Foto: Knipser aus Laumersheim, Bezirkskellerei Markgräflerland aus Efringen-Kirchen, Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg, Weingärtnergenossenschaft Dürrenzimmern-Stockheim, Köster-Wolf aus Albig und Huppert aus Gundenheim.
Von den Juroren der ersten Stunde ist mit Ausnahme des VINUM-Redakteurs keiner mehr in Amt und Würden. Aber es gibt doch einige Profis, die schon etliche Jahre in den Finalrunden (stets Blindverkostungen) ihre Bewertungen abgeben. Zu den dienstältesten Verkostern gehören die Weinhändlerin Gisela Pöhler, der Gastronom Gunter Schmidt und Betriebsleiter Dr. Rowald Hepp (Schloss Vollrads). Auch schon lange in den Dienst der guten Sache stellen sich Prof. Dr. Monika Christmann, Simone Göttfried, Christine Schloter, Ute Bader, Cormac Clancy, Wolfgang Behrens und Edmund Diesler.
Sie alle haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass es deutscher Rotwein heute sogar mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen kann. Die Kompetenz der Jury sorgte sicherlich auch für einen Vertrauensvorschuss bei vielen Produzenten. Ein Grossteil der deutschen Elite wirft seinen Hut in den Ring, nimmt es in Kauf, dass die Konkurrenz immer stärker und zahlreicher wird und dass so manche Anstellung bereits in der ersten Runde scheitert. In diesem Jahr kamen nach einer «gnadenlosen» Aussortierung in der Vorrunde nur 26 Prozent der Weine ins Finale.
Unter denen, die bei der Siegerehrung am 4. November in Fellbach auf das Treppchen springen dürfen und schon am Nachmittag bei der öffentlichen Präsentation ihre Kollektionen vorstellen, sind wieder bekannte Namen, aber ebenso Erzeuger, die (noch) nicht zur Prominenz gehören. Die Pfälzer schnitten besonders gut ab, ebenso wieder einmal die Württemberger, bei denen auch drei Genossenschaften die Muskeln spielen liessen, ebenso wie Baden und Rheinhessen. Für die Ahr und die Nahe reichte es immerhin für einen Podiumsplatz.
Entdeckung des Jahres
Katja Rettig, Rheinhessen – Pinot Noir
Wenig bekannt, aber hochtalentiert und mit mehreren Weinen im Sortiment, das waren die Kriterien für unsere Bestimmung «Newcomer des Jahres beim Rotweinpreis». Es traf eine junge Winzerin aus Westhofen, die ihr Glück «im verrückten, verhagelten Herbst 2017» kaum fassen konnte. Unser Partner Vinexus wird Katja Rettig in Fellbach einen Sonderpreis überreichen. Die 32-jährige Weinbautechnikerin, die unter anderem bei Bürklin-Wolf ausgebildet wurde, übernahm im Juli 2017 den Zwölf-Hektar-Betrieb von Vater Klaus und Mutter Jutta. Beim Rotweinpreis trumpfte sie besonders mit einem Pinot Noir aus dem Jahrgang 2015 auf, der es ins Stechen der Besten schaffte. Dazu bot sie noch eine kraftvolle Cuvée auf. Wir wissen, dass Katja weitere Trümpfe im Keller hat...
Weingut Rettig, Westhofen (Rheinhessen), www.weingut-rettig.de
Spätburgunder
Matthias Gaul, Pfalz – Pinot Noir
«Ich habe mich mit meinem Kollegen Uli Metzger abgestimmt, dass wir abwechselnd einen ersten Platz belegen», lachte Matthias Gaul, der vor zwei Jahren ebenfalls mit Spätburgunder siegte. Der 50-Jährige beschreibt die Lage des durch ihn und Metzger bekannt gewordenen Asselheim im Pfälzer Norden mit Namen: «Zwischen Knipser in Laumersheim und Keller in Flörsheim-Dalsheim.» 1995 übernahm er nach dem Studium in Geisenheim den elterlichen Betrieb, krempelte ihn radikal um, reduzierte die Erträge deutlich und hat inzwischen ein beachtliches Niveau erreicht. Neugier bezeichnet er als Triebfeder, Perfektionismus wird angestrebt. Zielsetzung ist es, brillante, stilistisch klare Weine zu erzeugen. Mal sehen, ob er 2018 das Feld freiwillig für Metzger räumt?
Weingut Matthias Gaul, Grünstadt-Asselheim, www.gaul-weine.de
Cuvée
Mario Zelt, Pfalz – «Trilogie»
«Ich war schon von der Qualität des Weines überzeugt. Aber an den Sieg habe ich nicht geglaubt», meinte Mario Zelt. Seine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot belehrte ihn eines Besseren. Mehrfach hatte der Laumersheimer in den letzten Jahren aufgezeigt, dass er mit seinem 15-Hektar-Betrieb gut unterwegs ist (unter anderem dritter Platz bei Spätburgunder im Vorjahr). Als der 40-Jährige als Jungwinzer einstieg, musste er erst mal den einstigen Gemischtbetrieb vor allem bei den Rebsorten neu orientieren. Dabei halfen Erfahrungen aus seiner Lehrzeit (bei Rebholz), seinem Studium in Geisenheim und Praktika in Frankreich, Österreich und Südafrika. Selektive Handlese und Investitionen in Traubenverarbeitung und Kellertechnik brachten weitere Fortschritte.
Weingut Zelt, Laumersheim (Pfalz), www.weingutzelt.de
Lemberger
Thomas Seeger, Baden – Blaufränkisch
In einigen Disziplinen hat der Abonnent auf Podiumsplätze, der Leimener Thomas Seeger, schon abgesahnt, mehrfach mit Spätburgunder und zuletzt 2016 mit einer Cuvée. Aber der Sieg mit Lemberger, der bei ihm Blaufränkisch heisst, entlockte ihm ein langes Triumph-Lachen. Denn ein Badener die Nase vor dem roten Aushängeschild der Württemberger hat, ist die Freude besonders gross. Der zweite Rang bei Spätburgunder war dann noch das Sahnehäubchen. Eigentlich wollte Thomas Seeger (Jahrgang 1959) Medizin studieren. Sein Lehrer in der Abiturklasse verpasste ihm einen etwas unzureichenden Notenschnitt, der Thomas dazu verknurrte, doch in das Weingut des Vaters einzusteigen. Hier erzeugt er seit rund 25 Jahren von zehn Hektar eindrucksvolle Weine (auch bei Weiss übrigens).
Weingut Seeger, Leimen (Baden), www.seegerweingut.de
Deutsche Klassiker
Axel Neiss, Pfalz – Frühburgunder
«Was, wieder ich?» Axel Neiss konnte es kaum glauben, dass er nach seinem exzellenten Abschneiden beim Riesling Champion (zweiter Platz Gesamtwertung, zweiter Platz trocken) erneut einen Anruf von VINUM bekam. Weil er ein gutes Gedächtnis hat, wusste er noch genau, wem der Erfolg mit Frühburgunder letztlich zu verdanken ist. 1996, als er mit einem Dornfelder einen zweiten Platz belegte, ver- kostete er einen Frühburgunder-Siegerwein von Ahr- Pionier Werner Näkel. «Ich war so beeindruckt von der Qualität, dass ich Reben bestellte und einen Weinberg pflanzte. Jetzt der Sieg beim Rotweinpreis, tolle Geschichte.» Im Pflanzjahr 1997 übernahm Neiss auch den Betrieb mit damals zwölf Hektar. Heute sind es 34 Hektar – und das einstmals unbekannte Kindenheim ist ein renommierter Weinort.
Weingut Neiss, Kindenheim (Pfalz), www.weingut-neiss.de
Internationale Klassiker
Fritz Wassmer, Baden – Merlot
Der schon zum «Roten Riesen» gekürte Fritz Wassmer (Jahrgang 1953) ist Stammgast bei den VINUM-Siegerehrungen. Seine Winzerkarriere startete der vielseitige Meister der Landwirtschaft (ausserdem noch Anbau von Spargel und Erdbeeren, Verkauf von Weihnachtsbäumen) Mitte der neunziger Jahre mit dem Kauf von Rebfläche im Breisgau. In Chile, Australien und Oregon holte er sich Anregungen. Was richtige Traubenqualität ist, lernte er als Lesehelfer bei Romanée-Conti! Das erstklassige Material war auch Basis für den Siegerwein. «Merlot machen wir nur in den allerbesten Jahren, sonst wandert der Wein in die Cuvée Felix.» Einen wichtigen Anteil am Erfolg hat ein baldiges Familienmitglied. Kellermeister Armin Ritter, 35, wird bald Wassmer-Tochter Lisa heiraten.
Weingut Fritz Wassmer, Bad Krozingen-Schlatt (Baden), www.weingutfritzwassmer.de
Unterschätzte Sorten
Michael Acker und Familie Bremer, Pfalz – Portugieser
«Meine Damen sind völlig aus dem Häuschen», schmunzelte Michael Acker, Betriebsleiter im erst 2014 gegründeten Weingut Bremer in Zellertal. Die Damen, das sind die Schwestern Leah, Rebecca und Anna, deren in der Baubranche erfolgreiche Eltern Cornelia Bremer und Klaus Friebel Ende 2013 ein notleidendes Gut eigentlich als Altersruhesitz kauften, aber dann doch in die Bausubstanz investierten und ein Idyll schufen. Und sie holten sich den erfahrenen Önologie-Profi Acker, 62, der schnell das Potenzial von Lagen wie Schwarzer Herrgott erkannte. Zunächst nutzte er es für Riesling und wurde damit vor einigen Wochen «Newcomer des Jahres» beim Riesling Champion. Dass es mit einem Portugieser zum nächsten Erfolg reichte, bestätigt Acker, dass er auf 17 Hektar alles richtig gemacht hat.
Weingut Bremer, Zellertal (Pfalz), www.weingutbremer.de
Neuzüchtungen
Familie Ellwanger, Württemberg – Zweigelt
Felix Ellwanger musste eine Weile überlegen. «Ich glaube, neunmal waren wir bisher auf dem Siegertreppchen, mit Lemberger, letztes Jahr mit unserer Top-Cuvée Nikodemus, ansonsten mit Zweigelt.» Die Ergebnisse sind für die Ellwangers das Resultat von viel Teamwork. Vater Jürgen Ellwanger (Jahrgang 1941), der schon in den 70er Jahren Akzente setzte und vor einigen Jahren zum «Roten Riesen» gekürt wurde, ist den Söhnen Felix (steht an der Verkaufsfront) und Jörg (verantwortlich im Keller) nach wie vor ein Ratgeber. Er war es auch, der die früher nicht zugelassene Kreuzung Zweigelt (Blaufränkisch x St. Laurent) im Privat-Pkw aus Österreich einschmuggelte und damit die Saat für Seriensiege legte. Aber auch sonst wachsen auf 26 Hektar erstklassige Weine.
Weingut Jürgen Ellwanger, Winterbach (Württemberg), www.weingut-ellwanger.de
Neuzüchtungen
Christian Escher, Württemberg – Zweigelt
«Das ist der Hammer, ein Traum wurde wahr», strahlte Christian Escher, obwohl er sich den ersten Platz bei den Neuzüchtungen mit dem Haus Jürgen Ellwanger teilen musste. Aber sich mit seinem Zweigelt «Goldreserve» auf Augenhöhe mit einem renommierten Betrieb zu befinden, war dem 27-jährigen «Vollblutwengerter» (so die eigene Berufsbezeichnung) viel Wert. Die Grundlage wurde durch eine erstklassige Ausbildung (Aldinger in Fellbach, Staatsweingut Weinsberg) sowie Praktika bei Hofstätter (Südtirol) und Onderkloof (Südafrika) gelegt. Seine Weinberge mit ihren 13,5 Hektar (60 Prozent Rot) verteilen sich auf fast das gesamte Remstal. Sie werden umweltschonend bewirtschaftet. Ein ausgeprägter Sortencharakter und Finesse werden bei allen Weinen angestrebt.
Weingut Escher, Schwaikheim (Württemberg), www.wein-escher.de
Edelsüss
Konrad Schlör, Baden – Spätburgunder Beerenauslese
«Ich bin vor Freude im Dreieck gesprungen», erzählte Konrad Schlör von den Minuten nach der Siegermeldung von VINUM. Der Erfolg war eine Wiederholung des Triumphs von 2014. Auch damals lag eine Spätburgunder Beerenauslese vorne. Mit Spätburgunder, Schwarzriesling und sogar dem Müller-Thurgau machte der Beinahe-Franke aus dem nördlichsten Teil Badens ebenfalls schon mehrfach bundesweit auf sich auf- merksam. Mit seinen sechs Hektar gehört er zu den Mini-Betrieben im VDP, in Sachen Qualität ist er indes vorn dabei. Mit penibler Arbeit im Weinberg und zurückhaltender Akribie im Keller schöpft der jugendlich anmutende 58-Jährige schon seit 33 Jahren das Potenzial der Spitzenlage First (Fyerst für das Grosse Gewächs) optimal aus.
Weingut Schlör, Wertheim-Reicholzheim, www.weingut-schloer.de
Profis unter sich
Einige hundert Jahre Berufserfahrung waren bei der Finalverkostung in der Jury vereint. Kurzfristig absagen musste Prof. Dr. Monika Christmann aus Geisenheim, die Präsidentin des Welt-Önologenverbandes. Sie berief als Stellvertreter einen ihrer Doktoranden aus Rumänien.
Ute Bader, Önologin und Weinberaterin, Karlsruhe
Simone Göttfried, Gastronomin, Linz, Österreich
Stefanie König, Weineinkäuferin Vinexus, Butzbach
Gisela Pöhler, Weinberatung, Neunburg vorm Wald
Christine Schloter, Weinberatung und Weinhandel, Leipzig
Valentin Brodbecker, Weingutsvermittler, Mainz
Cormac Clancy, Mehrfacher Deutscher Meister im Weindegustieren, Frankfurt
Victor Cotea, Doktorand Hochschule Geisenheim
Edmund Diesler, Präsident des Deutschen Önologenverbandes, Bingen
Christian Engel, Kellermeister, Kiedrich
Mathias Ganswohl, Geschäftsführer VDP Rheingau, Kiedrich
Wolfgang Heess, Ehemaliger Präsident des Deutschen Önologenverbandes, Sprendlingen
Carsten Henn, Redaktionsleitung VINUM Deutschland
Günter Martin, Weinhändler, Meersburg
Steffen Röll, Önologe und Betriebsleiter, Baden-Baden
Ralph Ropohl, Önologe und Weinhändler, Freiburg im Breisgau
Gunter Schmidt, Gastronom und Weinberater, Speyer
Probenleitung: Rudolf Knoll, Redaktionsleitung VINUM Deutschland
Unser Dank für eine grossartige Unterstützung geht nach Sprendlingen zur Erzeugergemeinschaft Winzersekt (Organisation der Vorrunde) sowie nach Geisenheim, wo ein Team der Fachhochschule unter der Leitung von Ruth Lehnart die Weine für die Finalrunde vorsortierte und den Service souverän meisterte.