Jean-Denis Perrochet, La Maison Carrée

Ein Mann, ein Dorf und seine Weine

Text: Thomas Vaterlaus

Er ist der Inbegriff des geerdeten Winzers. Alle Weine von Jean-Denis Perrochet die gleiche Handschrift. Wir erkennen geradlinige Individualität und naturbelassene Ehrlichkeit. Diese burgundische Dimension seiner Crus basiert auf kalkhaltigen Terroirs und biodynamischer Bewirtschaftung.

Es gibt viele gute Gründe, um kontrolliert biologische Weine zu produzieren. Für die einen stehen gesundheitliche Aspekte, sowohl für den Menschen als auch für die Natur, im Vordergrund. Andere sehen im Biowein ein interessantes Marktsegment, das in der Schweiz noch immer nur eine Nische ist. Und dann gibt es noch jene, die besonders im biodynamischen Anbau nach der Philosophie des Anthroposophen Rudolf Steiner (1861–1925) die beste Methode sehen, um Terroir-Weine anzubauen.

Also Weine mit einem Höchstmass an individuellem Ausdruck, geprägt von dem Ort, an dem sie gewachsen sind. Gesunde, vitale Reben sollen dabei nicht nur gehaltvolle Trauben produzieren, sondern das intakte Ökosystem Rebberg garantiert, dass mit der Ernte auch jene rebbergseigenen Hefen mit in den Keller kommen, die eine natürliche Transformation von Trauben zu Wein garantieren. Die prestigeträchtigsten Domänen im Burgund arbeiten aus diesem Grund nach dieser Methode, und eben auch Jean-Denis Perrochet von La Maison Carrée in Auvernier, dem bis heute wohl einzige Schweizer Spitzenweingut mit Pinot Noir als Leitsorte. Wer ausserhalb der Touristensaison abends durch das beschauliche Auvernier mit seinen behäbigen, bernisch-frankophil anmutenden Bürgerh.usern spaziert, tritt in eine Ruhe ein, die einzig vom Plätschern des Dorfbrunnens und vom Läuten der Kirchenglocke unterbrochen wird. Und das Gefühl, dass die Zeit hier vielleicht vor ein paar Jahrhunderten stehengeblieben ist, verstärkt sich beim Besuch von La Maison Carrée.

Alt ist oft besser als neu

Die Domäne gleicht einem verschachtelten Labyrinth, das sich über drei Liegenschaften im Zentrum des Dorfes erstreckt. Mit jedem Schritt entfernt man sich hier vom dahinrasenden Zeitgeist der Aussenwelt – eine überraschend wohltuende Erfahrung. Wer dann die alten Fässer und die zwei betagten Vertikalpressen aus Holz sieht, mag einen Moment lang glauben, in einem Museum gelandet zu sein. Doch spätestens beim zweiten Blick wird klar, dass dieses Equipment bestens in Schuss ist, weil immer noch täglich damit gearbeitet wird. Trotzdem ist Jean-Denis Perrochet kein Nostalgiker. Er hat nur einfach erkannt, dass die Weinwirtschaft in den letzten hundert Jahren zwar vieles erfunden hat, um rationeller und oberflächlich gesehen optimierter zu arbeiten, aber letztlich wenig dazu beigetragen hat, um die Weinqualität zu steigern. Die alten Vertikalpressen können heute noch sanfter pressen als jeder pneumatische Hightech-Vollautomat. Und die alten Eichenfässer sind für den Ausbau von auf Kalkböden gereiften Pinot-Noir-Weinen viel besser geeignet als Stahltanks, auch wenn diese einfacher zu reinigen sind. Wenn aber etwas wirklich Sinn macht, ist Perrochet durchaus bereit, sein Konzept zu modifizieren. So durchlaufen auch seine Pinots heute eine mehrtägige kalte Maischenstandzeit, bevor sie, teilweise mit den Rappen, vergoren werden.

«Die Weissweine waren von guter Qualität und Frische, auch wenn erstaunlich viele etwas Restzucker hatten. Bei den Rotweinen sah ich die Qualität als etwas tiefer an. Insgesamt bin ich beeindruckt von der Qualität und der Vielseitigkeit der Schweizer Bioweine. Ich werde mit Freude beobachten, was diese Produzenten künftig keltern.»
Kat Morse Gründerin von wiine.me

Schon 1827 kaufte die Familie Perrochet die Domäne. Der heutige Patron Jean-Denis repräsentiert die sechste Generation, die Wein produziert. Dass die Uhren hier anders ticken, zeigt sich auch darin, dass sein Vater ihm die Domäne formal erst 2008 übergab, als er schon auf die 50 zusteuerte.

Jean-Denis Perrochet arbeitete während seiner Lehre auch in der Deutschschweiz, wo er seine Frau Christine kennenlernte, die Tochter des Zürcher Winzers Waldemar Zahner. Prägend für seine Weinbauphilosophie war sein Önologiestudium in Dijon. Mit ihrer fast schon kristallin-feingliedrigen Finesse und ihrer beschwingt-saftigen Säure erinnern denn auch die Crus von La Maison Carrée in fast schon frappanter Weise an die grossen Klassiker im Burgund.

Viel Kalk = viel Eleganz

Für die Finesse verantwortlich sind aber wohl hauptsächlich die speziellen Bodenverhältnisse in den Toplagen der Domäne. So stammt die Pinot-Noir- Selektion Le Lerin aus der gleichnamigen Parzelle, wo 60-jährige Stöcke in einem fast puren weissen Kalkfels mit einer minimalen, allenfalls 30 Zentimeter dicken Erdauflage wurzeln. Der Pinot Noir Hauterive reift dagegen auf einem eher gelblich schimmernden, poröseren Kalkfelsen. Wie im Burgund verfügt fast die ganze, rund zehn Hektar umfassende Rebfläche der Familie Perrochet über einen hohen Anteil von Kalk. Folgerichtig werden fast ausschliesslich Burgundersorten kultiviert. Die einzige wichtige Ausnahme ist der Chasselas, doch auch dieser erinnert mit seiner geradlinigfrischen Art weniger an die milden Gewächse aus dem Waadtland als an einen kernigen Aligot. de Bourgogne.

Die Weine von La Maison Carrée haben glühende Anhänger, aber auch Gegner. Kalt lassen sie niemanden. Manche bezeichnen die Weine als rustikal. Die Verteidiger der Perrochet-Gewächse entgegnen dann jeweils, dass wir in der heutigen Epoche der im Keller auf Frucht getrimmten Mainstream-Weine mehr solche rustikalen Gewächse mit Ecken und Kanten brauchen. Wer sich intensiv mit diesen Crus aus Neuchâtel befasst, kommt zum Schluss, dass rustikal nicht der treffende Ausdruck ist, richtiger wäre: temperamentvoll, lebendig, vibrierend und belebend.

Biorotwein

1.Platz

Turmgut Erlenbach, Meilen

Zürichsee AOC Merlot-Cabernet 2014

17.3 Punkte | 2016 bis 2022

Zum ersten Mal triumphiert in der Kategorie Rotwein nicht ein Pinot Noir. Hinter dem Merlot-Cabernet verbirgt sich eine Cuvée aus den Piwi-Sorten Cabernet Jura und Cabertin sowie Merlotin. Der Siegerwein von Barbara und Markus Weber und ihrem Team gedeiht in Steillagen am rechten Zürichseeufer – da erscheint der Begriff Goldküste plötzlich in neuem Licht. Oder soll man jetzt Côte-d'Or sagen? Fast so geschichtsträchtig wie die Burgunder Goldhänge sind die Rebberge in Erlenbach, auf denen seit über tausend Jahren Wein wächst. Gekeltert wird in Meilen. Im Fall des Merlot-Cabernet reift der Wein während zwölf Monaten in Barriques. Daraus resultiert ein saftig-fruchtiger Wein mit viel Opulenz und Würze. Von Brombeere über Kirsche und Lakritz bis zu Pfeffer, Kaffee, Zimt und Tabak wird das volle Programm geboten. Dahinter blumige und herbale Nuancen. Im Gaumen schön strukturiert mit viel Trinkfluss und griffigem Gerbstoff. Komplex, ausbalanciert und tiefgründig.

Preis: ca. 25 Franken | www.turmgut.ch

 

2. Platz

Harry Zech Weinbau, Schaanwald, Vaduz AOC

Le Rendez-vous 2014

17.3 Punkte | 2016 bis 2023

Das Rendez-vous mit dem Liechtensteiner Winzer Harry Zech, ausgebildet in Wädenswil, ist kein Versehen – wo sonst sollte der Bio-Suisse-Betrieb seine Weine ins Rennen schicken? Zum Glück haben wir diesen Grenzgänger zugelassen: Die Cuvée aus Gamaret, Merlot und Cabernet Sauvignon besticht mit Dichte, Tiefgang und Temperament. Die Frucht ist reif und dunkel, daneben viel Würze, strammes Tannin, eine fordernde Säure, mit ätherischen Noten im Abgang.

Preis: ca. 24 Franken | www.hz-weinbau.li

 

3. Platz

Clavadetscher, Malans, Graubünden AOC Pinot Noir

Scadena Barrique 2013

17.1 Punkte | 2016 bis 2022

Mit dem Küng Pinot Noir Barrique 2011 stand die Familie Clavadetscher bei der Premiere des Schweizer Bioweinpreises vor zwei Jahren ganz oben. Auch dieses Mal belegt das Weingut aus der Bündner Herrschaft einen Podestplatz. Der Scadena Barrique verfügt über eine zarte Frucht, dunkelbeerige Aromen, feines Holz und eine schöne Sättigung. ätherisch mit Anklängen von Wiesenkräutern, Marzipan und Nuancen von Lakritz und Gewürznelke. Ausgewogen, kräftig und mit sehr schöner Tanninstruktur.

Preis: ca. 25 Franken | www.malanser.ch

Bioweisswein

1. Platz

Domaine La Capitaine, Begnins, La Côte AOC

Johanniter Grand Cru 2014

16.8 Punkte | 2016 bis 2018

Mit diesem Johanniter ist dem Waadtländer Winzer Reynald Parmelin ein so beeindruckender wie facettenreicher Cru gelungen. Intensiv in Farbe und Bouquet mit exotischen und floralen, aber auch würzigen Aromen. Hier treffen gelbes Steinobst, Ananas und Mango auf Litschi, Rhabarber und Grapefruit. Vollmundig und stoffig und dennoch mit vibrierender Säure, aromatischem Tiefgang und langem Nachhall. Gekeltert aus einer pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtung – 1968 in Freiburg im Breisgau gekreuzt von Johannes Zimmermann –, merkt man Parmelins Johanniter an, dass die Piwi-Sorte Riesling und Pinot Gris im Stammbaum stehen hat. Auch Chasselas ist beteiligt. Kein Wunder, gedeiht die Traube am Genfersee so gut. Auf der inzwischen elf Hektar grossen Domaine La Capitaine, gelegen auf halbem Weg zwischen Lausanne und Genf, wird seit 1994 biologischer Rebbau betrieben – damit war sie das erste Bioweingut im Kanton Waadt. Und nun ist die Domaine der erste Bioweinpreis-Gewinner vom Genfersee.

Preis: ca. 23.50 Franken | www.lacapitaine.ch

 

«Die Qualität der eingereichten Bioweine war ausserordentlich gut. Die meisten Weissweine offenbarten sehr viel Frische und eine schöne Klarheit. Auch die roten Crus hatten ein sehr tolles Niveau, wobei mir die fruchtigeren Exemplare besser gefallen haben als die strukturierten. Es waren einige Bijoux darunter.»
Gilles Besse Präsident Swiss Wine Promotion

 

2. Platz

Weingut Sitenrain, Meggen, Luzern AOC Solaris

Barrique 2014

16.7 Punkte | 2016 bis 2020

Auch der zweite Platz bei den Weissweinen gehört einer Piwi-Sorte. Er ist sozusagen der grosse Bruder des letztjährigen Gewinners – dem Solaris 2014 des Bioweinguts Sitenrain aus Meggen. Diesmal hat die holzgereifte Spätlese die Jury begeistert. Entsprechend würzig präsentiert sich der Solaris mit Anklängen von Waldhonig und Butter, gereiftem Steinobst und Zitrusaromen sowie Nuancen von Wiesenkräutern und weissen Blüten. Eine saftige Säure sorgt für Balance und Frische.

Preis: ca. 35 Franken | www.sitenrain.ch

 

3. Platz

Mythopia, Arbaz, Valais AOC

Finito 2013

16.6 Punkte | 2016 bis 2020

Der Slogan der Domaine de Mythopia bei Arbaz passt perfekt zum Bild, das dieser Johannisberg bei der Verkostung abgab: .Weine rein aus Trauben und dem Summen wilder Bienen und genügend Wahnsinn, alles etwas anders zu machen… Der maischevergorene, kupferfarbene Naturwein ist ein Querschläger im positiven Sinn. Nussig oxidativ mit Aromen von Orangen- und Apfelschale, kandierten Früchten und Tee und einem salzig-mineralischen Finish. Spannend und strukturiert.

Preis: ca. 32 Franken | www.mythopia.ch

Der Wettbewerb

Zum dritten Schweizer Bioweinpreis wurden 139 Weine von 45 Winzern eingereicht. Die 73 Weiss- und 66 Rotweine wurden in einem zweistufigen Auswahlsystem blind verkostet und bewertet. Nach der Benotung auf der VINUM-Redaktion wurden die 15 besten Gewächse jeder Kategorie Ende Mai an der Finalverkostung in Caduff ’s Wineloft. In Zürich von Grund auf neu bewertet. Neu wurden die Sieger nicht von einem 50-köpfigen Leserpanel erkoren, sondern von einer Fachjury. Dieses Profipanel bestand aus Weinexperten der Deutsch- und Westschweiz sowie aus Roland Lenz, dem Schweizer Biowinzer 2015, der selber keine Weine eingereicht hatte. Neben den besten Rot- und Weissweinen wurde der Schweizer Biowinzer des Jahres gekürt – jener Winzer, der mit seinem bestklassierten Weisswein und seinem bestklassierten Rotwein im Final die höchste Durchschnittsnote erhielt. Die Preise wurden im Rahmen einer öffentlichen Siegerverkostung verliehen. Der Wettbewerb wird von VINUM unter dem Patronat von Bio Suisse durchgeführt. Ähnlich wie der FC Vaduz in der Schweizer Super League hat 2016 auch beim Schweizer Bioweinpreis ein Liechtensteiner Vertreter mitgemischt: Die Weine von Harry Zech sind mit der Knospe von Bio Suisse zertifiziert, da es im Fürstentum keine eigenen Biolabels oder Biowein-Wettbewerbe gibt. Seine Cuvée Le Rendez-Vous landete in der Kategorie Rotwein auf dem zweiten Platz.

Die Jury

Thomas Vaterlaus, Chefredaktor VINUM, Zürich | Favorit: Weingut Sitenrain, Solaris Barrique 2014, Meggen LU | Lidwina Weh, Sommelire, Wohlen | Favorit: Javet & Javet, Sans Titre Gamaret & Merlot 2013, Lugnorre FR | Joël Gernet, Redaktor VINUM, Zürich | Favorit: La Maison Carrée, Pinot Noir Le Lerin 2013, Auvernier NE | Roland Lenz, Biowinzer des Jahres 2015., Uesslingen TG | Favorit: Turmgut Erlenbach, Merlot-Cabernet 2014, Meilen ZH | Sigi Hiss, Weinjournalist, Einsiedeln Favorit: Bosshart + Grimm, Pinot Barrique 2014, Berschis SG Beat Caduff, Gastgeber „Caduff ’s Wineloft“ | Favorit: Harry Zech Weinbau, Le Rendez-vous 2014, Schaanwald FL | Ursula Geiger, Redaktorin VINUM, Zürich | Favorit: Anne Müller Le Vin, Pinot Noir de Plaisir 2014, Yvorne VD | Ivan Barbic, MW Weinhändler und Consultant, Zürich Favorit: Clavadetscher, Pinot Noir Scadena Barrique 2013, Malans GR | Gilles Besse, Präsident Swiss Wine Promotion, Codirektor Cave Jean Ren. Germanier | Favorit: Domaine de la Deviniére, Le Devin 2013, Satigny GE | Kat Morse, Gründerin des Wein-Start-ups wiine.me Favorit: Mythopia, Finito 2013, Arbaz VS Hans Babits Acad.mie du Vin, Zürich | Favorit: Domaine de Beudon, Petite Arvine 2014, Fully VS | Paul Liversedge, MW Weinhändler, Zürich | Favorit: Weinbau zur Krone, Weissburgunder 2014, Malans GR | Samuel Panchard, Önologe, Sierre Favorit: Weingut Sitenrain, Solaris Barrique 2014, Meggen LU

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