Adria
Blau, weiss, rot
Text: Thomas Vaterlaus, Christian Eder
Jeden Sommer wird die Adriaküste für uns Mitteleuropäer zum Gelobten Land. Was erst wenige wissen: Hinter den weiten Stränden und lauschigen Buchten ist an vielen Orten ein eigentliches Weinwunder im Gange. VINUM präsentiert die schönsten Plätze für Weinliebhaber an der italienischen und der kroatischen Küste des Mare Adriaticum.
Das Hafenstädtchen Skradin sorgte schon in den 60er Jahren für Aufsehen. Im gebirgigen Hinterland mit seinen spektakulären Wasserfällen schickte der gute alte Winnetou mit seiner Silberbüchse filmkameragerecht ein paar Bösewichte in die ewigen Jagdgründe.Heute tuckern Megajachten aus aller Weltvon der Adriaküste die zehn Kilomete rauf dem Krka-Fluss nach Skradin hinauf. Selbst Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Familie ankern regelmässig vor der kleinen Marina. Die Promis kommen nicht nur wegen der schönen Landschaft. Denn keine fünf Kilometer vom Hafen entfernt befindet sich eines der spektakulärsten Boutique-Kulinarik-Weingüter weltweit. Unscheinbare Mauern verbergen, was die Familie Bibich hier zelebriert.
Alen Bibich bringt Top-Crus wie den Bas de Bas in die Flasche, eine rote Cuvée aus Syrah, Merlot und der lokalen Sorte Plavina, mit reifer Frucht und saftiger Säure. Seine Frau, die aus Slowenien stammende Vesna Bibich, kocht dazu einen Risotto, bei dem allein schon die komplexe Zubereitung der Brühe aus Rind und Huhn mindestens zwölf Stunden dauert. Verfeinert wird dieser Skardin-Risotto übrigens mit purem Gold. Auch in Tüchern geräucherte Joghurts oder raffiniert gefüllte Rote Bete gehören zum Repertoire der Ausnahmeköchin, die regionale Tradition und urbanes Küchen-Hightech kombiniert, als sei’s die normalste Sache der Welt. Es gibt hier nur ein einziges, jeweils acht- bis zehngängiges Menü mit Weinbegleitung für 250 Euro. 200 Tagelang, von April bis Oktober, hat das «Bibich Winery»-Restaurant mit seinen 25 Plätzen geöffnet. Doch einfach hinfahren geht nicht, denn das Lokal ist meist schon zu Beginn der Saison bis in den Herbst ausgebucht.
350 Kilometer weiter nördlich, an der istrischen Adriaküste zwischen den Bilderbuch-Hafenstädtchen Pula und Rovinj, findet der Reisende ein ähnliches Weinkellerei-Hotel-Gesamtkunstwerk. Die Familie Meneghetti zog 1853 von Italien nach Istrien. Sie stellt seither landwirtschaftliche Produkte her und gehört heute zu den führenden Weinbauernfamilien. Sie hat ein klassisches istrisches Landhaus, nur einen Kilometer vom Meer entfernt inmitten von Reben, Olivenbäumen und Zypressen gelegen, in ein luxuriöses «Relais & Châteaux»-Hotel umgebaut. Das Restaurant pflegt eine raffiniert verfeinerte istrische Küche, die zu einem grossen Teil mit Produkten aus eigenem Anbau arbeitet. Wer leben will wie Gott in Istrien, muss die Villa Meneghetti besuchen! Trotz solcher Hotspots hat es sich in der internationalen Weinszene noch kaum herumgesprochen, dass es an der kroatischen Adria gleich mehrere Kellereien mit Restaurants und Hotels gibt, die es mit den besten Adressen im Napa Valley oder in der Toskana aufnehmen können.
Nur wenige wissen vom Weinwunder
Und auch vom qualitativen Weinwunder, das hier in den letzten fünf Jahren stattgefunden hat, wissen nur einige wenige. Mit ein Grund: Die kroatische Adria ist ein höchst komplexes Gebilde. Die zerklüftete Küste mit ihren unzähligen Buchten zieht sich über 1770 Kilometer hin. Zählt man die 1185 Inseln dazu, ergibt sich gar eine Küstenlänge von über 6000 Kilometern.
Die Palette der Weine ist entsprechend umfangreich. Wer elegant-eigenständige Weine mit präsenter Säure sucht, wird vor allem in Istrien fündig. Sowohl auf weissem Kalkmergeluntergrund als auch auf rot schimmernden «Terra rossa»-Lehmböden angebaut, zeigt vor allem die weisse Sorte Malvazija ihre Klasse. Sie bringt einerseits jugendlich-geradlinige Basisweine hervor, andererseits auch den traditionell auf der Maische vinifizierten und in oxidativer Manier im grossen Holzfass ausgereiften Malvazija Antica. Diese Neuinterpretation eines klassischen istrischen Naturweins hat in den letzten Jahren die international aufkeimende «Orange Wine»-Bewegung massgeblich beeinflusst.
Die besten Gewächse dieser Stilistik keltern die Gebrüder Benvenuti im kleinen Weiler Kaldir mit ihrem Malvazija Annodomini sowie Mladen Rožanić in Nova Vas mit seinem Malvazija Antica. Beide Weingüter bringen auch einen vorzüglichen roten Teran in die Flaschen. Der Teran war bis vor wenigen Jahren ein sperriger, rustikaler Bauernwein mit einer hohen Säure. Dank sorgfältigem An- und Ausbau zeigen die Teran-Topselektionen der beiden Weingüter heute aber ähnlich viel Schmelz und Finesse wie ein hochkarätiger Pinot Noir.
Die Plavac-Mali-Kontroverse
Im südlichen Teil der kroatischen Adria beginnt das Hoheitsgebiet des Plavac Mali, der wegen seiner Verwandtschaft mit dem Primitivo/Zinfandel internationale Bekanntheit erlangt hat. In Kroatien selber geniessen vor allem die spektakulärsteil zum Meer abfallenden Lagen Postup und Dingač auf der Halbinsel Pelješac einen legendären Ruf. Allerdings sind diese schwer zugänglichen Rebberge, zu denen auch die Lagen bei Sveta Nedjelja auf der Insel Hvar gehören, nur in mühevoller Handarbeit zu bewirtschaften. Auch das Ernten der Trauben im reifen Zustand ist schwierig. Bei Verkostungen zeigt sich deshalb nicht selten, dass diese vermeintlichen Grands Crus extrem alkoholstarke Weine mit bis zu 16 Volumenprozent Alkohol hervorbringen, bei denen das schwierige Zusammenspiel von Extraktsüse und hartem Gerbstoff die Harmonie beeinträchtigt.
Dass es auch anders geht, beweisen neue Prestige-Kellereien wie Korta Katarina und Saint Hills (beide auf Pelješac) oder Jako Vino auf der Insel Brač. Dank einem verbesserten Erntemanagement und einer angepassten Vinifikation entstehen hier Plavac-Mali-Weine, denen es trotz Fülle nicht an Frische und Balance fehlt. Auch Neuanpflanzungen an der Küste wie in der Region von Komarna zeigen erfreuliche Resultate. Es braucht nur eine Spur weniger Alkohol, einen etwas tieferen pH-Wert und eine leicht höhere Säure, um den Sumoringer Plavac Mali zum Tanzen zu bringen.
Wer im mittleren und südlichen Dalmatien aber nach einem wirklich trinkigen Wein sucht, wird am ehesten im Hinterland des idyllischen Hafenstädtchens Šibenik fündig. In einer überaus kargen, karstigen Steinlandschaft wird hier die alteingesessene Sorte Babić angebaut. Leo Gracin, hauptberuflich Professor an der Fakultät für Biotechnologie an der Universität von Zagreb, versteht es wie kein Zweiter, die Qualitäten dieser Sorte in die Flasche zu bringen. Sein Gracin Babić zeigt Aromen von reifen Beeren, Zwetschgen und Gewürz. Vor allem aber ist es ein wohlschmeckender Wein mit viel Charme und Schmelz sowie einer saftigen Säure. Und das alles bei nicht mehr als 13 Volumenprozent Alkohol.
Während am nördlichen Küstenabschnitt in Istrien der Malvazija so viel Klasse zeigt wie kaum anderswo in der Welt, bringen im südlichen Dalmatien alteingesessene Sorten wie Grk oder Pošip erstaunlich frische und vielschichtige Weissweine hervor. Beide Sorten wachsen auf der kleinen Insel Korčula, wo sich einer faktisch auf wackligen Beinen stehenden Legende zufolge das Geburtshaus des Händlers und Entdeckers Marco Polo befinden soll. Die pittoreske Altstadt des gleichnamigen Inselhauptortes, der im Winter fast ausgestorben wirkt, wird im Sommer zum touristischen Rummelplatz. Es wäre für die Winzer wohl ein Leichtes, mit anspruchslosen Touristenweinen ihr Geld zu verdienen. Doch das Gegenteil ist der Fall, die Zahl der ambitionierten Produzenten hat sich kontinuierlich vergrössert. Im Dörfchen Lumbarda, wo 20 Winzer lediglich 20 000 Flaschen der stets schnell ausverkauften Rarität Grk produzieren, sieht man von den Rebgärten aus auf die gegenüberliegende Halbinsel Pelješac mit den beiden spektakulären Steillagen Postup und Dingač. In Sichtweite entstehen hier also zwei Weintypen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Dort die schweren roten Plavac-Mali-Dickschiffe mit ihren 16 Volumenprozent, hier filigrane Weissweine mit Rasse und Klasse.
Es sind vor allem die miteinander befreundeten Winzer Bra nimir Cebalo und Frano Milina Bire, die aus der Grk-Traube mit viel Feingefühl elegante weisse Crus herauskitzeln. Die Familie Bire betreibt zudem einen klassischen Hof mit einem urgemütlichen Restaurant, wo zum eigenen Wein auch eigenes Brot, eigene Wurst, Paté, Käse und Olivenöl serviert werden. Im Innern der Insel, im Haupttal zwischen den Winzerdörfern Blata und Smokvica, gibt es gleich noch ein zweites Weissweinwunder zu entdecken. Aus der Sorte Pošip entstehen hier verblüffend vielschichtige Weine. Mit ihrer reifen Mineralik, oft ergänzt mit einer Spur von Kräutern, Rauch und Jod, erinnern sie von der Aromatik manchmal an die weissen Crus aus Châteauneufdu-Pape, zeigen aber dann im Gaumen oft überraschend viel Frische und Biss. Kein Wunder, dass sich der Pošip zu einer regionalen Modesorte entwickelt hat.
Pošip und Austern
Auch im südlichsten Zipfel der kroatischen Adria gibt es einige Plätze, die einen Besuch unbedingt lohnen. Die Familie von Zlatan Plenkovic keltert in Sveta Nedjelja an der steilen Südküste der Insel Hvar konzentrierte Plavac-Mali-Crus, wobei der Topwein des Hauses, der Grand Cru, gekeltert von über 30-jährigen Reben, trotz hoher Konzentration auch erstaunlich viel Schmelz und Frische zeigt. Die Kellerei der Familie Plenkovic ist alles andere als ein Jetset-Tempel für Jacht-Touristen, sondern ein nüchterner Zweckbau.
Unten am Meer hat die Familie aber einen kleinen Hafen für ihre Fischerboote und auch ein Restaurant gebaut. In der gemütlichen Hafenkneipe treffen sich abends Einheimische und Touristen, und an einem Freitagabend kann es schon mal spät werden. Zu den definitiv schönsten Orten in Süddalmatien gehört die Bucht von Mali Ston auf der Halbinsel Pelješac. Wer hier auf der Terrasse des Hotels «Ostrea» sitzt, vor sich einen Teller mit ultrafrischen Austern aus der Bucht, auf die man gerade hinausschaut, während gleichzeitig im Glas goldgelb ein voll ausgereifter Pošip funkelt, mit Aromen von Salz, Feuerstein, Jod und frischen Kräutern, der ist ein glücklicher Mensch.
Fünf Top-Crus von der kroatischen Adria
Roxanich Fine Wine, Nova Vas (Istrien) Malvazija Antica 2009
17.5 Punkte | 2015 bis 2022
Mit über 80 Tagen Hautkontakt und dreijährigem Ausbau im Holzfass entsteht ein hochkomplexer Wein. Aromen von frischen Kräutern, Mandeln, Orangenzesten und Butterscotch. Im Gaumen extrem geradlinig, klar und frisch. Kann sich tagelang in der angebrochenen Flasche entwickeln.
Benvenuti Vina, Motovun (Istrien) Teran 2011
17 Punkte | 2015 bis 2020
Die Benvenuti-Brüder verleihen diesem Teran so viel Schmelz und Schliff , dass ihn Pinot-Anhänger lieben. Trotzdem ist der Charakter der Sorte, die prägnante Säure, noch erkennbar. Aromen von Waldbeeren, Rauch, Pfeffer und Lakritze. Im Gaumen kernig, mit viel Struktur und Finesse.
Suha Punta, Primošten (Šibenik) Gracin Babić 2010
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Die Stöcke der autochthonen Sorte Babić wachsen über dem Meer in winzigen, von Steinen umrandeten Erdquadraten. Ein Wunder, dass in diesem Extrem schmackhafte Weine reifen. Aromen von reifen Beeren, Zwetschgen und Pfeffer. Im Gaumen ausgewogen, saftig und überaus trinkig.
Jako Vino, Bol (Brač) Stina Plavac Mali Majstor 2011
17 Punkte | 2015 bis 2019
Als Hommage an die weissen Steine (Stina) der Insel Brač trägt dieser Wein ein schneeweisses Etikett mit weisser Prägeschrift. Die Selektion aus besten Lagen betört in der Nase mit roten Beeren, Veilchen, Unterholz und dezent balsamischen Noten. Im Gaumen dicht gewoben, kernig und frisch.
Luca Krajančić, Čara (Korčula) Pošip Intrada 2012
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Aus den dreieinhalb Hektar Reben, die Luca Krajančić bewirtschaftet, bringt er drei Pošip-Selektionen in die Flasche. Sein Pošip Intrada wird nach rund sechsstündiger Maischenstandzeit kühl vergoren. So entsteht ein ausgesprochen floral, elegant und geradlinig wirkender Wein mit mineralischem Charakter und grosser Frische.