Zwei grandiose Jahre in Folge

Text: Harald Scholl / Fotos: z.V.g.

Das kommt bei der alljährlichen VDP.Vorpremiere nicht jedes Jahr vor. Zwei Jahrgänge nacheinander, die sowohl Winzer wie auch internationale Weinkritiker zufrieden stellten. Trotz zunehmender Wetterkapriolen, trotz allgemein schwieriger Marktsituation und trotz immer unverständlicherer Regularien haben die deutschen Winzer 2022 und 2023 aussergewöhnliche Weine in die Flaschen gebracht. Zumindest gilt das für die Spitze des deutschen Weinbaus, die im Verband Deutscher Prädikatsweingüter organisiert ist und die neuen Weine Ende August in Wiesbaden vorstellte. Die VDP.Vorpremiere war ein Fest für jeden Freund deutscher Weine und einmal mehr der Gradmesser dafür, wie es um den Wein hierzulande bestellt ist.

Die besten Jahre kommen noch

Steffen Christmann

Der studierte Jurist Steffen Christmann ist seit 2007 Präsident des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter. In seine Amtszeit fallen wesentliche Entwicklungen im Verband wie die Klassifizierung der Weine nach der Herkunft (VDP-Pyramide) oder die gemeinsame Präsentation aller Grossen Gewächse der Mitgliedsbetriebe am letzten Augustwochenende in Wiesbaden. Christmann betreibt mit seiner Tochter Sophie das gleichnamige Familienweingut in siebter Generation.

Der Präsident hat das erste Wort: «Die Stimmung war schon im Vorfeld der VDP.Vorpremiere tatsächlich sehr gut. Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas zeigen können, was den Weinjournalisten und Händlern wirklich Freude bereitet», fasste Steffen Christmann die Erwartungshaltung vor der alljährlichen VDP.Vorpremiere in Wiesbaden zusammen. Und er täuschte sich nicht, das Echo auf die vornehmlich gezeigten Jahrgänge 2023 bei den Weissweinen und 2022 bei den Rotweinen fiel mehrheitlich positiv aus. Und das, obwohl das Verkostungsprozedere der mehr als 480 gezeigten Weine ungewohnt und durchaus fordernd für viele Verkoster war. Die bunte Mischung aus Jahrgängen – die Spanne reichte von 2018 bis 2023 – macht eine klare Aussage über Jahrgänge nicht gerade einfach. Immer mehr Betriebe gehen dazu über, ihre Weine erst dann zu zeigen, wenn das Trinkfenster aus ihrer Sicht beginnt. Eine mutige, weil wirtschaftlich nicht immer ganz einfache Entscheidung. Denn jede Flasche im Keller des Winzers ist eine nicht verkaufte, die mehrjährige Lagerung muss sich der Winzer leisten können. Die Kosten für die Lagerung lassen sich nur sehr bedingt an den Endkunden weiterreichen. Trotzdem ist diese Entwicklung bei allen Gegenargumenten letztlich goldrichtig, denn sehr viele Weine – gerade auch Rieslinge – profitieren deutlich von der späteren Veröffentlichung.

Alles auf Rot

Der Blick auf die Rotweine lohnte sich ganz besonders bei der diesjährigen Vorpremiere. Der Jahrgang 2022 hat laut Christmann «…herausragende Spätburgunder gebracht, ein regelrechter Schub in Sachen Qualität und Verständnis für den Ausbau von Spätburgunder ist durch die VDP-Winzerschaft gegangen». Diesem Urteil schlossen sich fast alle Verkoster vor Ort an. Die Frage, ob eine solche Menge an hochklassigen und zum Teil auch hochpreisigen Weinen auf den Märkten im In- und Ausland denn überhaupt zu verkaufen sei, beantwortet der VDP-Präsident mit einem Lächeln. «Die Marktsituation ist kein Problem. Die Bresche im internationalen Fine-Wine-Segment, die Burgund geschlagen hat, aus der Kombination von geringer Menge und hohem Preis, wird zunehmend auch von deutschen Winzern besetzt. Vor allem die Preise in Burgund haben ein Niveau erreicht, bei dem viele echte Weintrinker ausgestiegen sind und nurmehr Weinsammler oder Spekulanten noch mitgehen.» Und auf der Suche nach bezahlbaren Alternativen rückt deutscher Spätburgunder immer stärker in den Blickpunkt gerade der internationalen Weintrinker. Vor allem das Wetter, das jenem des Burgund in den 1990er Jahren entspricht, und das über die vergangen Jahre gewonnene Know-how versetzen die deutschen Winzer in die Lage, wirklich grosse Pinot Noir zu machen. Bei diesen Qualitäten ist es kein Wunder, dass man sich um den Absatz keine echten Sorgen machen muss. Christmann: «Eine Übersättigung des Marktes ist noch nicht zu spüren, im Moment wird alles regelrecht aufgesaugt.» Obwohl mit dem Jahrgang 2023 beim Riesling ein klassisches Jahr gelungen ist, das über unglaubliche Balance verfügt und weder die betonte säurefrische Art des 2021 noch die opulent warme Art des Jahrgangs 2018 hat, scheint die Situation etwas komplizierter. Es beginnt beim Volumen, das in die Märkte gegeben wird und das um ein Vielfaches grösser ist als etwa beim Spätburgunder. Vor zwei, drei Jahren gab es tatsächlich eine kleine Plateauphase in den Absätzen, die Steigerungen gingen zurück, weniger die Absätze. Noch einmal Steffen Christmann: «Ein Rückgang ist nicht festzustellen, das Wachstum hat sich nur etwas abgeflacht. Vor allem die Märkte in Asien zeigen sich erst jetzt wirklich bereit für grosse deutsche Rieslinge, das musste dort erst gelernt werden. Und da sind sehr wohl noch Wachstumschancen gegeben.» Er ist mit seiner Prognose für die künftige Marktentwicklung relativ optimistisch. Manchmal muss man eben einen Gang zurückschalten, um besser voranzukommen.

«Silvaner ist für mich immer der Einstieg ins Geschehen bei der Vorpremiere, und der Silvaner hat geliefert. Frucht, Würze, Frische, Trinkfreude – es war alles dabei. Oft sogar in Personalunion.»

Christoph Raffelt Weinautor, Hamburg

«Die 2022er zeigen zwar die klimatischen Herausforderungen für den Riesling, sind aber schon erstaunlich zugänglich. Meine Favoriten in diesem Jahr kommen von der Nahe und aus der Pfalz.»

Bonnie Reinwald Sommelière, Kopenhagen

«2023 präsentiert sich relativ zugänglich mit guter Harmonie und klarer Fruchtaromatik, auch die Säurespannung passt. Kniffliges Jahr gut gemeistert – viel Trinkvergnügen mit überschaubarer Spitze.»

Peter Schleimer Chefredakteur Vinaria, Österreich

«Spannend zu sehen, dass sich Chardonnay im Grossen-Gewächs-Bereich als immer reduzierter, konzentrierter in der Säure und entwickelter in der Eleganz zeigt!»

Florian Richter Sommelier Kronenschlösschen, Eltville

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