Vitis vinifera ist ein Opfer der Globalisierung

Interview mit Prof. Dr. Ulrich Fischer

Text: Andrea Heinzinger / Fotos: AD LUMINA Ralf Ziegler, Julius-Kühn-Institut (JKI) / M. Grünwald J, Deutsches Weininstitut (DWI)

Warum ist die europäische Rebe so empfindlich?

Im Grunde ist die Rebe ein Opfer der Globalisierung. Denn mit Reblaus, Peronospora und Oidium wurden in einem ersten Zug der Globalisierung Erreger aus Amerika eingeschleppt. So wurden unsere Reben mit Krankheiten konfrontiert, die vor 1850 in Europa nicht existierten und gegen die sie keine Überlebensstrategien entwickeln konnten.

Dennoch beträgt der Anteil von Piwi-Sorten in Deutschland weniger als drei Prozent.

Zum einen haben selbstvermarktende Winzer Bedenken, die noch unbekannten Sorten anzubauen, und zum anderen gab es für Fassweinproduzenten, die ja gerade im Rheinland, in der Pfalz und auch in Rheinhessen nicht unwichtig sind, bislang keinen echten Absatzmarkt.

Wie kriegt man die Sache dennoch in Schwung?

Um die Winzer zu ermutigen, haben wir im DLR eine Art Produktentwicklung gemacht. Aus sieben, acht Piwi-Sorten entwickelten wir über drei Jahrgänge hinweg exempla–rische Weine und optimierten das Ganze allmählich zusammen mit den Winzern.

Ist Nachhaltigkeit kein geeigneter Aufhänger?

Heute schon, aber früher sprach man lieber nicht über Piwis, denn wenn wir sagen, dass die nur zweimal gespritzt werden müssen, sagen wir indirekt, dass die anderen Rebsorten viel mehr gespritzt werden müssen – und das stellt den grössten Teil des Angebotes unter ein schlechtes Licht.

Welches Potenzial haben Piwis hierzulande?

Ich sehe die Chance, dass 30 Prozent der deutschen Rebflächen mit Piwis bepflanzt werden, allerdings kommen wir im Moment mit dem Pflanzgut nicht hinterher. Dass die Stilistik mit «normalen» Weinen mithalten kann, können wir sauber belegen. Und der oft angesprochene Punkt, dass irgendwann die Resistenzen brechen, ist so auch nicht richtig. Das ist nicht in der Pflanze angelegt, sondern die Erreger entwickeln Strategien, um die Resisten-zen zu brechen. Je mehr Piwis mit mehr Resistenzen es gibt, desto weniger Chancen hat der Erreger, und das ist auch der Grund, warum wir immer wieder sagen, dass auch Piwis mindestens zweimal gespritzt werden müssen.

Stichwort VITIFIT. Welche Rolle spielen die Piwis in diesem Projekt?

Im katastrophalen Jahrgang 2016 regnete es im Juni so viel, dass selbst Pflanzenschutz nicht mehr möglich war. Gerade Ökobetriebe wurden extrem geschädigt. In der Folge entstand das Projekt VITIFIT. Neben der Beantwortung der Fragen, wie wir die Effizienz der Kupferspritzung ge-gen Peronospora verbessern können und inwieweit mit Piwis der Gesamtkupfer-aufwand zurückgefahren werden kann, arbeiten wir hier daran, Piwis auch in der Stilistik besser zu machen, eröffnen aber auch Vermarktungsformen.

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