VINUM-Profipanel | «Grüner Veltliner» – 5 Jahre oder älter
Grüner wirds nicht
Text: Harald Scholl, Fotos: Stefan Seelig
Was dem Schweizer der Chasselas, dem Deutschen der Riesling, ist dem Österreicher sein Grüner Veltliner. Leitrebsorte wird das gerne genannt. Die Frage ist, wie gut solche nationalen Identitätsrebsorten reifen können. Für den Grünen Veltliner lässt sich sagen: hervorragend!
Wenn man zu den grossen Rebsorten auf der Welt gehören will, muss man neben vielen anderen Eigenschaften auf jeden Fall eines mitbringen: Reifepotenzial. Ohne die Möglichkeit der jahrzehntelangen Reife und der damit verbundenen Entwicklung komplexer Geschmacks- und Aromakomponenten hätten weder Pinot Noir, Cabernet Sauvignon, Chardonnay noch Riesling jenen Stellenwert in der Weinwelt, den sie aktuell haben.
Im Gegensatz zu den Genannten hat Grüner Veltliner eine Besonderheit. Er ist im Prinzip nur in einem Land von ausserordentlicher Qualität und in Menge zu erzeugen. Auch deshalb gilt er als autochthone Rebsorte Österreichs. In grösseren Anpflanzungen kommt er nur dort vor, und selbst in der Donaurepublik sind gerade einmal rund 14 500 Hektar mit dieser Rebsorte bestockt. Weltweit sind es nach aktuellen Schätzungen etwa 19 000 Hektar. Und ähnlich wie beim Riesling in Deutschland oder Chasselas in der Schweiz ist der Export der Rebsorte nur von begrenztem Erfolg gekrönt. Im Gegensatz zu Pinot, Cabernet und Chardonnay, die nahezu überall auf der Welt ausgezeichnete Weine erbringen, braucht der Grüne Veltliner seine rot-weiss-rote Heimat, um glänzen zu können. Und ähnlich eigenwillig ist auch die Herkunft der Rebsorte. Obwohl der Name es suggeriert, gehört der Grüne Veltliner nämlich nicht zur Veltliner-Familie wie der Rote Veltliner, der Frührote Veltliner, der Zierfandler oder auch der Rotgipfler. «Der Grüne» ist die natürliche Kreuzung aus Traminer und St. Georgen, wie die Wissenschaftler der Weinbauschule in Klosterneuburg nachweisen konnten. Damit war auch die Vermutung, dass der Name ein Hinweis auf die Herkunft aus dem Valtellina sei, eindeutig widerlegt. In seinem Heimatland ist Grüner Veltliner heute die mit grossem Abstand wichtigste weisse Sorte, vom leichten und frischen bis hin zum grossen Wein von internationalem Format kann er nahezu alle trockenen Weintypen hervorbringen. Lediglich süsse und edelsüsse Tropfen sind nicht seine Stärke. Die Erfolgsgeschichte der Rebsorte begann Mitte der 50-Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die Veltliner-Weinberge in Österreich von der damals üblichen Stockkultur auf die sogenannte Lenz-Moser-Hocherziehung umgestellt wurden. Bessere Durchlüftung der Rebzeilen, weniger Fäuleanfälligkeit, leichtere Bearbeitung der Rebzeilen sorgten für einen Qualitätsschub.
Rot-weiss-rote Identität
Die Frage, ob auch Grüner Veltliner in die Reihe der grossen Rebsorten der Welt gehört, dürfte im Prinzip beantwortet sein, positiv beantwortet. Denn immer wieder haben Weine dieser Rebsorte gezeigt, wozu sie fähig sind, welch enormes Potenzial in ihnen steckt. Doch kann es sicher nicht schaden, immer wieder mal nachzuprobieren, ob Grüner Veltliner immer noch dieses Versprechen einhält und wie sich der Wein mit der Zeit in der Flasche entwickelt hat.
Vor allem der Blick über die klassischen Weine aus der Wachau hinaus – deren Qualitäten im Alter hinlänglich bekannt sind – verspricht interessante Erkenntnis. Ganz gleich ob im Weinviertel, im Kremstal oder auch im Burgenland: Verbesserte Anbautechniken und das sich verändernde Klima sorgen dafür, dass auch dort ausgezeichnete und international kompetitive Weine entstehen. Gerade das Weinviertel hat in den letzten Jahren einen qualitativen und hinsichtlich seiner Wahrnehmung grossen Sprung nach vorn getan. Lange Jahre vor allem als gut zu erreichender Lieferant einfacher Zechweine für die Hauptstadt Wien angesehen, hat eine Vielzahl vor allem jüngerer Winzer gezeigt, was für ein Potenzial in den steinigen, teilweise kargen und kühlen Böden der Region schlummert, wenn der Grüne Veltliner darauf wächst. Das wurde, so viel sei vorab verraten, auch in unserem Profipanel überaus deutlich.
Für dieses ungewöhnliche VINUM-Profipanel wurden nur wenige Vorgaben gemacht. Es musste Grüner Veltliner sein, mindestens fünf Jahre alt, wenn möglich aus allen österreichischen Anbaugebieten, auch vermeintliche Exoten wie das Burgenland konnten Weine anstellen. Die Qualitätsstufe spielte dabei keine Rolle, es waren sowohl einfache Weine gefragt wie auch Reserve oder Smaragde.
Das lag sicher auch an der Verfügbarkeit, denn gereifte Weine sind nicht leicht erhältlich. Leider. Viele Winzer halten, wenn überhaupt, nur noch kleine Mengen ihrer Weine zurück, der Handel wird auch immer vorsichtiger in dieser Hinsicht. Stichwort Kapitalbindung, nicht verkaufte Weine interessieren das Finanzamt, die mögliche Preissteigerung durch die Lagerung ist dem Kunden nur schwer zu vermitteln. Deshalb lautet die eindeutige Empfehlung an den vorausschauenden Weinfreund: Legen Sie sich von jedem Jahrgang auch ein paar Grüne Veltliner in den privaten Keller. Die Rebsorte ist es wert!
Grüner Veltliner mag es eher kühl
Grüner Veltliner ist eine natürliche Kreuzung aus Traminer und einer nahezu unbekannten Rebsorte namens Sankt Georgen. Er hat eine mittellange Reifeperiode, die Vollreife erreicht er im Normalfall aber so spät, dass er für kühlere Standorte bisher nicht infrage kommt. Erfolgreiche Anpflanzungen in der Pfalz zeigen aber, dass er auch nördlich der Alpen gut zurechtkommt, angesichts des Klimawandels könnte es hier sogar interessant sein, die Entwicklung zu beobachten. Grundsätzlich bevorzugt Grüner Veltliner warme Klimazonen und bringt die besten Ergebnisse – auch mit guten Erträgen auf kargen Urgesteins- oder auch lösshaltigen Böden.
Um echte Spitzenweine erzeugen zu können, muss der Ertrag gewissenhaft kontrolliert werden, denn Grüner Veltliner ist wuchsfreudig und kann bei entsprechender Menge schnell banal werden. Leider ist er auch anfällig für Echten wie für Falschen Mehltau und braucht deshalb viel Aufmerksamkeit im Weinberg. Das Reifepotenzial der besten Weine ist legendär, auch Weine mit 30 oder mehr Jahren Kellerreife können noch grosses Vergnügen bereiten. Eine gewisse «burgundische» Art ist der österreichischen Leitrebsorte dann nicht abzusprechen.
Die Jury
Von links nach rechts
Harald Scholl stellv. Chefredakteur VINUM Deutschland, Verkostungsleiter
Sein Favorit: Grüner Veltliner Steinberg 2002 vom Weinberghof Fritsch
Leo Quarda Weinjournalist (Wien)
Sein Favorit: Grüner Veltliner Smaragd 2007 vom Weingut Polz
Gerhard Strasser GF wineBANK Wien (Wien)
Sein Favorit: Grüner Veltliner Sandgrube 13 Edition Chremisa 2009 der Winzergenossenschaft Winzer Krems
Michael James Weinhandlung Vineo (Wien)
Sein Favorit: Grüner Veltliner Reserve Neue Zeit N° 1 2012 vom Weingut Seher
Gerhard Illek GF Sophienwald Gläser
Sein Favorit: Grüner Veltliner Gigama Grande Reserve 2013 vom Weingut Leth
Karina Horvath ÖWM
Ihr Favorit: Grüner Veltliner Weinzierlberg 2006 vom Weingut Stadt Krems
DI Konrad Hackl GF Weinbauverband Niederösterreich (Krems)
Sein Favorit: Grüner Veltliner DAC Reserve Optimas 2011 vom Weingut Edlinger
Ing. Reinhard Zöchmann Biowinzer & Vizepräsident NÖ Weinbauverband (Krems)
Sein Favorit: Grüner Veltliner Spitzer Axpoint Smaragd 2001 vom Weingut Franz Hirtzberger
«Man sieht deutlich an dieser Verkostung, dass man belohnt wird als Weinfreund, wenn man sich beim Grünen Veltliner etwas Zeit lässt. Das kann einfach ganz grosses Kino sein, wenn man ihm Zeit gibt. Und was den Weinfreund besonders interessieren sollte: Das ist auch noch zu wirklich genussfreundlichen Preisen möglich.»
Michael James Weinhändler
«Diese Verkostung hat wieder einmal die enorme Vielschichtigkeit des Grünen Veltliner gezeigt. Nicht nur, dass sich für jedes Geschmacksprofil ein passender Wein finden liess, sondern vor allem dass viele der gereiften Weine einfach wunderbar als Speisebegleiter einsetzbar sind, hat mich besonders gefreut.»
Karina Horvath ÖWM
«Grüner Veltliner ist eine schwer unterschätzte Sorte. Diese extrem facettenreiche, komplexe Eleganz bringen nur wenige andere Trauben ins Glas. Das Tasting hat einmal mehr bewiesen, dass Grüner Veltliner internationales Format hat. Deshalb sollte man sich immer ein paar Flaschen beiseitelegen genau für so einen Anlass.»
Konrad Hackl GF Weinbauverband Niederösterreich
«Interessant zu erleben war es, wie sich Grüner Veltliner mit der Reife zu einem teils sehr charmanten Tropfen entwickeln und zu einem anspruchsvollen Begleiter unterschiedlichster Küchenkreationen werden kann. Definitiv ein Wein, den die gehobene Gastronomie und die Sommeliers stärker auf dem Zettel haben sollten.»
Leo Quarda Weinjournalist
«Zu einem wirklich grossen Wein gehört auch immer das Reifepotenzial, nur Weine, die über 15, 20 oder auch 30 Jahre reifen und geschmacklich zulegen, sind wirklich gross. Diese Verkostung hat ganz klar gezeigt, dass Grüner Veltliner das kann. Er gehört sicher zu den besten und vielseitigsten Rebsorten weltweit.»
Reinhard Zöchmann Winzer