Money makes the Wine Go Round

Weingüter als Investment?

Text: Ralf Kaiser

  • Foto: Schlossgut Liebieg GmbH/Volker Schrank
  • Gut Hermannsberg, Foto: SIXDESIGNS

Investoren aus China und Hongkong haben in den letzten zehn Jahren rund 180 der insgesamt etwa 6000 Weingüter in Bordeaux gekauft, meist Betriebe der zweiten und dritten Reihe. Auch Versicherungen und andere Grossunternehmen entdecken Weingüter in diversen europäischen Regionen als Investment. Bei deutschen Weingütern sind Investitionen aus dem Ausland oder von institutionellen Anlegern bisher noch selten. Wir haben nach den Ursachen gesucht und dabei einige spannende Projekte von Seiteneinsteigern gefunden, wie hier rechts im Bild Andreas Kreuter, der mit dem renommierten Moselwinzer Bernhard Kirsten und seiner Frau Inge von Geldern das Schlossgut Liebieg gegründet hat und gerade viel Geld in den Umbau des Schlosses, den neuen Keller sowie Spitzenlagen von Trittenheim bis Winningen investiert.

Was macht man, wenn man als Industrieunternehmen eine Kalkgrube mitsamt den benachbarten Weinbergen gekauft hat, aber schon nach wenigen Jahren keinen Kalk mehr benötigt? Man fängt an, die Weinberge zu bewirtschaften und gründet ein Weingut. Damit war die Gutehoffnungshütte kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Deutschlands erster Seiteneinsteiger als Weingutsinvestor. Der Erlös aus dem Verkauf der Kalkgrube wurde später in Spitzenlagen am Roten Hang investiert und aus dem Niersteiner Weingut Gutehoffnungshütte wurde in den 1980ern das bekannte Weingut St. Antony, bis heute eine Erfolgsgeschichte.

In mehreren anderen traditionellen Weinbaunationen investieren diverse grosse Unternehmen aus anderen Branchen gezielt in Weingüter, zum Beispiel der Versicherungskonzern AXA in Frankreich mit inzwischen acht Weingütern in Bordeaux, Burgund, Portugal und Kalifornien, die italienische Waffenschmiede Beretta mit fünf Weingütern mit besten Adressen zwischen Barolo und Chianti Classico sowie die spanische Brennerei Diego Zamora, die ihre Gewinne aus dem sehr erfolgreichen Geschäft mit dem Likör 43 seit langem in den Erwerb von Weingütern in diversen spanischen Weinregionen investiert.

Der einzige Investor, der in Deutschland mit Bassermann-Jordan, Reichsrat von Buhl und Von Winning gleich mehrere renommierte Weingüter aufgekauft und mit hohem finanziellen Einsatz wieder wettbewerbsfähig gemacht hat, war der Pfälzer Unternehmer Achim Niederberger, der leider zu früh verstorben ist, um die Früchte seiner Investitionen noch zu erleben.

Investoren aus Japan

Das erste bedeutende Investment aus dem Ausland in ein deutsches Weingut war 1988 der Einstieg der japanischen Getränkekonzerns Suntory im Rheingauer Spitzenbetrieb Robert Weil. An der Zusammenarbeit hat sich bis heute fast nichts geändert, durch Suntory wurden enorme Investitionen in einen der modernsten Keller Deutschlands samt einer spektakulären Vinothek auf dem Dach möglich und wann immer man Wilhelm Weil auf den Investor anspricht, vermittelt er einen äusserst zufriedenen Eindruck. Ein Jahr nach Suntorys Einstieg bei Robert Weil pachtete mit Toyohiro Tokuoka ein anderer japanischer Unternehmer das Weingut Reichsrat von Buhl, bis er es 2013 abgeben musste, weil der Betrieb noch während der laufenden Pachtzeit an Achim Niederberger verkauft wurde. Herr Tokuoka und seine Tochter übernahmen dann gleich in der unmittelbaren Deidesheimer Nachbarschaft Keller und Marke des kurz zuvor stillgelegten Weinguts Josef Biffar. Anders als bei Suntory geht es Tokuoka bei seinen Investitionen in der Pfalz nicht um langfristige Wertsteigerungen des Unternehmens und Dividenden, sondern in erster Linie um günstigere Einkaufspreise der Weine für seine Supermärkte und Weinläden in Japan.

Natascha Popp von den Weinräten, einer auf Weingutsverkäufe spezialisierten Agentur, weiss schon von einigen Anfragen von grossen Investoren aus dem Ausland pro Jahr zu berichten, die sichere Geldanlagen suchen und an Deutschland denken, weil es ein sicheres Land ist. Meist ebbt das Interesse aber schnell ab, wenn sich die Interessenten genauer über den deutschen Markt informieren. Während man in Bordeaux mit Subskription und nur wenigen grossen Händlern arbeiten kann, herrscht bei uns eine sehr kleinteilige Handelsstruktur mit einigen Prozent Privatkunden, vielen kleinen Händlern, die jeweils oft nur in wenigen Städten oder Regionen tätig sind, Gastronomie, etwas Grosshandel und mit einem kleinen Anteil an Exportmärkten. Viele Baustellen, die alle betreut werden müssen.

Namen strategisch wählen

Daneben sind die Namen der Betriebe meist die der Inhaberfamilien und die Weingüter oft sehr auf die Person des Winzers zugeschnitten. Wenn der bisherige Eigentümer raus ist, fehlt das Aushängeschild und die Marke droht enorm an Wert zu verlieren. Ein Grund, weshalb einige der erfolgreichsten Neu-Winzer der letzten Jahre darauf verzichtet haben, ihren eigenen Namen aufs Etikett zu bringen. Familie Heimes hat bei der Übernahme des ehemaligen Weinguts Dr. Siemens an der Saar den Namen Weingut Würtzberg (nach ihrem wichtigsten Weinberg) gewählt, Familie Reidel hat 2010 aus der ehemaligen Gutsverwaltung Niederhausen- Schloßböckelheim das Gut Hermannsberg gemacht, schliesslich steht der Hermannsberg direkt vor der Tür des traumhaft schönen Anwesens und den früheren Namen konnte eh niemand aussprechen. Der Hamburger Unternehmer und Weinsammler Günter Schulz nennt sein Rheingauer Burgunder- Projekt Chat Sauvage. Auch Roman Niewodniczanski hat vom eigenen Namen abgesehen und mit van Volxem den vorletzten Namen seines Wiltinger Weinguts reaktiviert, den es schon gut 200 Jahre hatte, bevor es kurz Jordan & Jordan hiess. Van Volxem geht zurück auf den Trierer Bierbrauer Gustav van Volxem, dem das ehemalige Klosterweingut Ende des 18. Jahrhunderts gehörte und mit dessen Beruf sich der Kreis zu Niewodniczanskis Familie schliesst.

Auch für das derzeit spannendste neue Projekt an der Mosel, Schlossgut Liebieg in Kobern- Gondorf, hat Investor Andreas Kreuter weder seinen Namen noch den seiner seit Jahrzehnten etablierten Geschäftspartner vom ehemaligen Weingut Kirsten übernommen, sondern das neu erworbene Schloss soll nach seiner Renovierung als Weingut und Hotel im Mittelpunkt stehen. Derzeit steht medial eher eine römische Badeanlage im Mittelpunkt, die bei den Bauarbeiten freigelegt wurde, das Projekt aber nicht gefährden wird.

Internationales Prestige fehlt

Wenn es um die ganz grossen Summen geht, die für Grand-Cru-Weinberge im Burgund (bis zu zehn Millionen Euro pro Hektar) oder berühmte Weingüter im Bordeaux manchmal gezahlt werden, gibt es in Deutschland nichts Vergleichbares. Die Weinbergpreise beginnen bei einem Euro pro Quadratmeter für Steillagen in wenig bekannten Gemeinden, liegen bei besseren und begehrteren Weingärten meist zwischen 10 und 40 Euro und können bei absoluten Spitzenlagen mittlerweile auch schon mal über 50 Euro hinausgehen (was auch schon eine halbe Million pro Hektar bedeutet). Für eine Parzelle im Bernkasteler Doctor, deren Pacht alle neun Jahre per Auktion ermittelt wird, fallen derzeit 7,75 Euro Pacht pro Quadratmeter und Jahr an. Verkauft werden solche Flächen fast nie. Genau wie die Weine der wenigen deutschen Weingüter mit weltweiter Bekanntheit. Eingestiegen ist die Oetker-Gruppe bei Schloss Johannisberg vor fast 50 Jahren zwar nicht, weil sie ins Weingeschäft investieren wollte, aber da ihre Marke Fürst von Metternich damals schon seit Jahrzehnten Grundweine von Schloss Johannisberg enthielt, wollte man die Geschäftsbeziehung langfristig sichern. Heute ist Oetker Alleineigentümer, die Verbindung zwischen Schloss und Sektmarke ist durch einige neue Cuvées so eng wie lange nicht und ein Verkauf gilt als undenkbar.

Wein hat in Deutschland zu wenig Prestige, man verdient damit hier kein Geld. Im Vergleich zu Frankreich fehlt es einfach auch an Wertschätzung der Bevölkerung für das Thema, meint Dirk Würtz, der beim Weingut St. Antony und bei Tocos für Detlev Meyer, Deutschlands grössten Investor im Weinhandel, arbeitet.

Weingüter von Investoren ausserhalb der Weinbranche, die von Anfang an und an jeder Stellschraube konsequent auf wirtschaftlichen Erfolg ausgelegt sind, sind selten in Deutschland. Van Volxem zeigt allerdings, dass es funktionieren kann. Mithilfe eines begnadeten Kellermeisters ist der Betrieb in den letzten Jahren qualitativ an die nationale Spitze vorgedrungen, was von der Fachpresse bestätigt wird und trotz steigender Preise für konstante Nachfrage sorgt. Gleichzeitig ist der Prozentsatz der mit Maschinen erreichbaren Weinbergsflächen regelmässig erhöht worden, was weniger Arbeitsstunden und niedrigere Kosten bedeutet.

Zumindest einige Neuwinzer hatten zu Beginn einen anderen Antrieb. Zum Beispiel den Betrieb weiterführen, der schon seit Generationen der Familie gehört, wenn auch zuletzt eher entfernteren Verwandten wie bei von Othegraven oder Karthäuserhof. Oder die Inhaber von Immich Batterieberg, die beim Moselurlaub eigentlich nur auf der Suche nach einem kleinen Weinberg waren, um daraus zusammen mit einem lokalen Winzer wenige hundert Flaschen jährlich für Eigenbedarf und regelmässige Firmengeschenke zu erzeugen, und per Zufall im Hotel vom zum Verkauf stehenden Weingut erfahren und kurz darauf Weingutsbesitzer sind. Oder der Schweizer Käseproduzent Urban Kaufmann, der genug vom Käse hat und sich mit Akribie daran macht, selbst einmal so grosse Spätburgunder zu erzeugen, wie die Weine, die ihn seit Langem so begeistert haben. Niemand will langfristig ein Zuschussgeschäft betreiben, aber bei nicht wenigen ist zu spüren, dass sie damit kein echtes Problem hätten, wenn am Ende des Jahres eine schwarze Null steht. Wenn sich dann doch Gelegenheiten für ein besseres Geschäft auftun, nutzt man sie natürlich trotzdem, wie Hans Maret, der lange vor allem seine lokale Verbundenheit als Antrieb für sein Engagement im Weingut Reverchon nannte, dann aber nach Weinbergen mit höherem Potenzial und besseren Vertriebswegen Ausschau hielt und nun durch eine Kooperation mit Michael Willkomm vom Weingut Peter Mertens gleich beides auf einmal gefunden hat.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren