The future starts here
Jungwinzertalente aus Deutschland
Text: Rudolf Knoll und Carsten Henn, Fotos: Jana Kay
Es tut sich etwas in Weindeutschland, junge Winzertalente strecken ihre Flügel aus, rekultivieren lange brach liegende Weinberge, krempeln Fassweinbetriebe zu Flaschenproduzenten um oder bringen vergessene Bouquetrebsorten wieder nach vorn. Wir stellen 25 Güter vor, die das Potenzial haben, zu festen Grössen zu werden – selbst wenn ihre Rebfläche ganz klein ist.
Rock ’n’ Roll
Christian Bernhardt
Viele Winzer geben ihren Weinen musikalisch inspirierte Namen, aber wohl keiner so konsequent wie Christian Bernhardt (Jahrgang 1988): «Here Comes The Sun», «A Kind Of Magic» oder «Good Vibrations». Auch für die und mit der Kölner Band «Fortuna Ehrenfeld» werden Weine erzeugt. Der Musikliebhaber Christian Bernhardt denkt darüber nach, sein Weingut als Veranstaltungsort zu etablieren. Aber auch ausser Haus will er mit Wein und Musik reüssieren. Spezialität des pfälzischen 8,5-Hektar-Weingutes sind Rotweine, vor allem aus Bordeaux-Rebsorten. In der jetzigen Form gibt es den Betrieb erst seit 2017, vorher war er ein landwirtschaftlicher Mischbetrieb (Obst, Acker, Schweine). Wichtigste Rebsorte ist der Merlot mit 18 Prozent, Vorbild ist Christoph Hammel, ein «modern arbeitender und denkender Winzer und Unternehmer».
Tipp: Rotwein-Cuvée «Nothing Else Matters» 2016
Weingut Bernhardt 67158 Ellerstadt, Pfalz www.weingut-bernhardt.de
Ritterschlag
Fabian und Stefanie Lassak
Wenn Albrecht Schwegler, Top-Erzeuger in Württemberg und bekannt für seinen roten Granat, ein junges Winzerpaar als Gast zur Präsentation seiner eigenen Weine einlädt, ist das wie ein Ritterschlag. Empfangen hat er im Dezember 2019 Stefanie, 31, und Fabian Lassak, 32, die erst 2016 ihr Weingut mit 2,5 Hektar in steilen Fluren am Neckar gründeten. Beide haben noch einen Arbeitsplatz nebenbei (sie sogar in Vollzeit), aber es gibt für das ambitionierte Ehepaar auch den Feierabend und das Wochenende zur Arbeit in den Reben und im Keller, wo die Weine sich weitgehend selbst überlassen werden. Sie konzentrieren sich auf Riesling, Lemberger und Pinot Noir, meist von alten Reben, die wenig Ertrag liefern. Beide machten eine klassische Winzerausbildung bei Top-Betrieben im Remstal. Dann waren sie gemeinsam drei Jahre in Neuseeland auf einem Weingut tätig. Stefanie studierte anschliessend in Geisenheim, mit Praktika im Burgenland und im Burgund, während Fabian in Weinsberg zum Weinbautechniker avancierte. Der Riesling gerät betont mineralisch und komplex, die Rotweine sind gehaltvoll und feinbeerig, sehr eigenständig.
Tipp: Lemberger Steige 2017
Weingut Lassak 74394 Hessigheim, Württemberg www.weingut-lassak.de
Der Minimalist
Peter Wagner
Viel cooler als Peter Wagner (Jahrgang 1986), rechte Hand lässig im Gürtel, linke auf einem Fass mit 2017er Spätburgunder Alte Reben, kann man nicht in die Kamera gucken. Der schlanke, bärtige Winzer aus Oberrotweil am Kaiserstuhl (Baden) fährt eine bemerkenswert klare Linie bei seinen Weinen: minimaler Restzucker (in der Regel unter einem Gramm) und minimaler Schwefel. 2017 gegründet, weist sein Betrieb schon sieben Hektar auf. Gebietstypisch setzt er auf Burgunder: 40 Prozent Spätburgunder, 30 Prozent Grauburgunder und 20 Prozent Chardonnay. So selbstbewusst wie er selbst, so selbstbewusst auch der Preis seines Spitzenweines aus der Lage Henkenberg – Wagner kennt seinen Wert.
Tipp: Oberrotweiler Henkenberg Spätburgunder trocken 2017
Weingut Wagner 79235 Oberrotweil, Baden www.wagner-weingut.de
Von Geburt an
Johannes Forster
Schon mit seiner Geburt 1993 prägt Johannes Forster den elterlichen Betrieb nachhaltig: Sein Vater stellte auf ökologischen Weinbau um, weil er der nächsten Generation gesunde Böden als Grundlage der Winzerarbeit übergeben wollte. Dieser Gedanke zeigt sich im Sortimentsaufbau des 25-Hektar-Betriebs, denn es gibt Naheweine (die Gutsweine), Erdenweine und Lagenweine. Spannend auch die Einführung des «Abenteuer-Paketes». Drei Weine (Bergsteiger, Seefahrer, Wüstenwanderer), die in einem Radius von 200 Metern gewachsen sind, demonstrieren die Vielfalt der Nahe auf kleinstem Raum. Gelernt hat das hochbegabte «Kellerkind» Johannes Forster unter anderem bei Jochen Dreissigacker.
Tipp: Burg Layer Johannisberg Frühburgunder 2016
Weingut Forster 55452 Rümmelsheim, Nahe www.weingutforster.de
Mit viel Passion
Julia Schittler
Als die temperamentvolle Julia Schittler 2015 24-jährig die Verantwortung übernahm, tat sie das gleich für zwei elterliche Betriebe in Zornheim und Weinolsheim. Sie krempelte einiges um, legte die zwei Häuser wirtschaftlich zusammen, mit Konzentration auf Zornheim, wo die meisten der 40 Hektar Reben stehen. Weil sie sich als «leidenschaftliche Winzerin» sieht, reduzierte sie den vorherigen Fassweinverkauf deutlich und erhöhte durch die Qualitätssteigerung den Absatz von
100 000 auf 300 000 Flaschen. Inzwischen exportiert sie sogar nach China. Dabei wollte sie früher «nur mal ein bisschen mitmachen. Aber jetzt brenne ich für diesen Beruf.» Inzwischen gibt es eine eigene Linie Julia Schittler mit spannenden Weinen vom Zornheimer Berg (besonders bemerkenswert: Muskateller) und ansonsten von tadellosen, «trinkigen» Gewächsen, die Freude machen.
Tipp: Sylvaner Guldenmorgen trocken 2018
Weingut Schittler-Becker 55270 Zornheim, Rheinhessen www.schittler-becker.de | www.julia-schittler.de
Pferde als Helfer
Daniel Schweizer
Spontane, ausdauernde Vergärung, bei Rotwein lange Maischestandzeit, ausgiebige Verweildauer auf der Hefe, unfiltrierte Abfüllung, das gehört alles zu den Rezepturen von Daniel Schweizer, 30. Zunächst wollte er Landwirt werden, dann machte er eine kaufmännische Lehre. Unter den skeptischen Blicken des Vaters, der Trauben an seinen Lehrbetrieb Heuchelbergkellerei liefert und eine Rebschule betreibt, machte er sich – vorläufig im Nebenerwerb – selbstständig. Dabei erlebte er auch Pannen (Riesling mit Nachgärung). Aber inzwischen ist er vor allem mit seinen Rotweinen auf einem sehr guten Weg. Besonderheiten: Teilbewirtschaftung der Reben mit Pferdestärke, sehr gute Brände.
TIPP: Samtrot 2017
Weingut Schweizer 74193 Stetten am Heuchelberg, Württemberg www.wein-schweizer.de
Elegante Opulenz
Wolfram Proppe
Eine Agrargenossenschaft gründete 1992 das erste Weingut in Thüringen, aus dem mit den Jahren das 50-Hektar-Weingut Bad Sulza entstand. Hier war Wolfram Proppe, Jahrgang 1982, geboren in Jena, nach einer Winzerlehre in Heilbronn und dem Besuch der Technikerschule in Weinsberg Kellermeister. Er gründete zunächst im Nebenjob ein eigenes Weingut im Gleistal bei Jena. 2014 wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit. 2018 leistete er sich, um ein richtiges Weingut vorzuweisen, einen Gutshof in Löberschütz. Viel Handarbeit in den Reben, Schonung im Keller mit längerem Hefelager mit dem Ziel Langlebigkeit und eine elegante Opulenz sind die Rezepturen. Die überwiegend alten Reben (etwa Spezialitäten wie Roter Riesling, Cabernet Blanc und Cabernet Jura) stehen in steilen Lagen.
TIPP: Auxerrois trocken 2018
Weingut Wolfram Proppe 07751 Löberschütz, Saale-Unstrut www.wolfram-proppe.de
Die drei Seckingers
Jonas Seckinger
Von Seckinger kann man nur im Plural sprechen: Jonas (Jahrgang 1991), Philipp (Jahrgang 1988, steigt 2020 voll ein) und Lukas (Jahrgang 1993, will 2022 voll einsteigen). Der 2012 gegründete Betrieb hat aktuell 18 Hektar, soll aber bis 2023 um zusätzliche 25 Hektar wachsen. Alle Weine werden spontan vergoren, Schönungsmittel werden nicht verwendet. Dabei arbeiten die Pfälzer mit einem präzise gegliederten Sortiment: Gutsweine sollen einen hohen Trinkfluss haben und ihre Böden widerspiegeln. Bei den Ortsweinen Nature müssen die Weinberge mindestens 25 Jahre alt sein, 100 Prozent Holzfassausbau, mindestens acht Monate Vollhefelager, reduzierter Schwefel, unfiltrierte Abfüllung. Lagenweine schliesslich haben mindestens 16 Monate Holzfasslager, und die herausragenden Weinberge müssen mindestens 30 Jahre alt sein. Extrem durchdacht!
Tipp: Deidesheimer Kieselberg Riesling wurzelecht trocken 2019
Weingut Seckinger 67150 Niederkirchen, Pfalz www.weingut-seckinger.de
Griechin und Schwabe
Olympia Samara und Hannes Hofmann
Die Verbundenheit zum Wein zieht sich durch die gemeinsame Beziehung wie ein roter Faden, der Schwabe und die Griechin. Deshalb haben Hannes Hofmann, 36, aufgewachsen in Vaihingen-Roßwag als Spross eines Landwirtschafts-Betriebes, und Olympia Samara, 30, geboren in Thessaloniki und weinvorbelastet durch den in einer grossen Kellerei tätigen Vater, ihr kleines Gut auch roterfaden genannt. Kennengelernt haben sich die beiden schon vor zwölf Jahren auf der Uni Geisenheim. Dann zog es sie nach Kalifornien, Frankreich, Italien in unterschiedliche Betriebe, um verschiedene Eindrücke für eine damals schon geplante gemeinsame Zukunft zu sammeln. Am Ende schaute er noch Rainer Schnaitmann über die Schulter, dann folgte ein Abstecher nach Österreich, ehe in einem Stadel in seinem elterlichen Hof das Weingut eingerichtet wurde. Das inzwischen frischgebackene Ehepaar bewirtschaftet (im Nebenerwerb) zwei Demeter-zertifizierte Hektar mit Riesling, Lemberger und Pinot Noir, die schnörkellos und gradlinig ausfallen und als Landwein deklariert sind.
Tipp: Lemberger Endschleife Landwein 2018
Weingut roterfaden 71665 Vaihingen-Roßwag, Württemberg www.weingutroterfaden.de
Die Crowdfunderin
Sarah Hulten
2016 zog die Mittelrhein-Weinkönigin Sarah Hulten (Jahrgang 1991) durch Zufall in das historische Weingutshaus des alteingesessenen Leutesdorfer Winzers Peter Selt ein. Als sie ihm von ihrem Plan erzählte, ein eigenes Weingut zu gründen, um eine alte und stark verbuschte Terrassenlage per Crowdfunding wieder zu rekultivieren, gewährte er ihr in seinem Keller Unterschlupf und stellte ihr zum Lernen drei Reihen Riesling in einem seiner steilsten Weinberge zur Verfügung. Die Autodidaktin sollte zeigen, was sie kann – und das tat sie. Auch das Crowdfunding führte sie erfolgreich durch und gründete 2017 ihren Betrieb. Heute bewirtschaftet sie 0,3 Hektar im Nebenerwerb, Fläche wachsend. Und schon ihre ersten Rieslinge begeisterten die Fachpresse.
Tipp: Leutesdorf Riesling trocken 2018
Sarah Hulten Weine 56599 Leutesdorf, Mittelrhein www.sarah-hulten-weine.de
Eigenwillig, aber gut
Alexandre Dupont De Ligonnès
Geboren wurde er im Sommer 1982 in Paris, lebt aber seit 1988 weitgehend in Deutschland, studierte ostasiatische Kunstgeschichte in Heidelberg, kam dann aus privaten Gründen nach Dresden und hier in Kontakt mit seiner neuen Berufung: Winzer am königlichen Weinberg zu Wachwitz und am Steinrücken in Radebeul mit zusammen lediglich 0,8 Hektar. Ausbildungsbetrieb war Vincenz Richter in Meißen, aber was er hier lernte, wird nicht praktiziert. Biodynamie ist angesagt. Er setzt auf spezielle Wildhefen, baut teilweise im Ton-Ei aus, lässt Weissweine auf der Maische vergären, filtriert nicht und setzt keinen Schwefel zu. Das Ergebnis sind ungewöhnliche, bei Weisswein auch trübe und hochfarbige, aber geschmacklich doch einwandfreie, gehaltvolle Weine, denen man ihre gewisse Eigenwilligkeit gern verzeiht. In der Naturwein-Ecke sieht er sich nur bedingt stehen.
Tipp: Sacre Bleu Pinot Noir & Zweigelt Sächsischer Landwein 2017
Weinbau Alexandre Dupont de Ligonnès 01127 Dresden, Sachsen www.deligonnes.com
Komplexe Eleganz
Simon und Gabriel Scheuermann
«Aus Spass an der Freude» tasten sich Gabriel (Jahrgang 1993) und Simon (Jahrgang 1990) 2009 an Wein heran – Simon ist in der Ausbildung, Gabriel noch Schüler. Sie produzieren nur wenige Flaschen, für Freunde und Bekannte. Heute leiten sie einen stolzen 32-Hektar-Betrieb, wobei 21 Hektar davon für Traubenverkauf Verwendung finden. Die Grösse ist vor allem vor dem Hintergrund beeindruckend, dass sich die Scheuermanns auf Biodynamik fokussiert haben. Gabriel ist für Ausbau und Vermarktung der Weine zuständig, Simon für Aussenwirtschaft und die Pflege der Weinberge – man ergänzt sich. Ihre Weine sollen tiefgründig, komplex und elegant sein, das gelingt ihnen besonders bei den beeindruckenden Burgundern sowie einem grossartigen Sekt.
Tipp: Chardonnay & Pinot Noir Blanc et Noirs Sekt Brut 2017
Scheuermann Weine 67150 Niederkirchen, Pfalz www.scheuermann-weine.de
Bestens ausgebildet
Peter Burens
Es war schon etwas wagemutig, als Eva, 30, und Peter Burens, 29, 2015 ihr eigenes Garagen-Weingut ins Leben riefen. Aber beide sind hauptberuflich noch anderweitig in der Weinszene beschäftigt, sodass sie nicht vom Ertrag von vorläufig nur 0,7 Hektar leben müssen. An der Saar tummeln sie sich in einer extremen Steillage mit Riesling von alten Reben. Hinzu kommt etwas Grauburgunder von der Obermosel. In der Ausbildungs-Agenda stehen bekannte Namen wie Schloss Saarstein, Wirsching, Lauer (Peter) und Weil, Uni Geisenheim (Eva). Mit trockenem unfiltriertem Riesling konnten sie bereits Top-Gastronomen begeistern. Aber auch fruchtige Versionen haben sie im Griff.
Tipp: Riesling Spätlese Auf Schönfels Alte Reben 2018
SaarWeinGut Peter Burens 54439 Saarburg, Mosel www.saarweingut-burens.de
Familien-Wettstreit
Dominique und Benjamin Thomas
Zwei Jungs mit kessem Blick sind auf Etiketten des Klosterhofs zu sehen. Benjamin, 31, und Bruder Dominique, 29, verwirklichen sich seit drei Jahren im elterlichen Weingut mit einer eigenen Linie. Damit haben sie auch den Ehrgeiz von Vater Josef Thomas, 59, so richtig geweckt. «Ich will die Burschen mit meinen Weinen überraschen.» Vom hausinternen Wettkampf profitiert die Kundschaft durch eine insgesamt sehr delikate Kollektion, die preislich sehr konsumentenfreundlich ist. Dass Dominique nebenbei im Top-Weingut Fritz Haag beschäftigt ist und hier Oliver Haag über die Schulter schauen kann, ist gewiss kein Nachteil. Und die Thomas-Brothers haben neben einer guten Nase für Riesling viel Erfahrung. «Sie gingen schon mit dem Opa in die Reben», verrät der Senior.
Tipp: Riesling Brauneberger Klostergarten Kabinett 2018
Weingut Klosterhof 54472 Brauneberg, Mosel www.weingut-klosterhof.de
Ohne Schnörkel
Karsten Lindhardt
Ausbildung im Staatsgut Schloss Wackerbarth in Radebeul, ein Erfolg bei einem Berufswettbewerb angehender Winzer und ein Fachschulstudium. Da pachtete er bereits erste Flächen im einstigen Königlichen Weinberg im Dresdener Stadtteil Pillnitz, die zunächst gerodet werden mussten. Seit 2015 kann der 40-Jährige in der Nachbarschaft von vielen Hobbywinzern mit kleinen Parzellen auf gut einem eigenen Hektar voll durchstarten, nachdem er zuvor Trauben an die Genossenschaft in Meißen abgeliefert hatte. Die Weissweine werden überwiegend im Stahl ausgebaut, die Rotweine in Barriques. Die Weine sind angenehm schnörkellos und betont herb, aber gleichzeitig fruchtbetont im Aroma und haben Potenzial für einige Jahre Lagerung.
Tipp: Traminer trocken Sächsischer Landwein 2018
Wein & Berg 01326 Dresden, Sachsen www.winzer-lindhardt.de
Ganz der Vater
Carlo Schmitt
Als sein Vater Heinz Schmitt 49-jährig kurz vor der Ernte im Jahr 2010 im Weinberg tödlich verunglückte, war Junior Carlo erst elf Jahre alt. Mutter Silvi als fortan Alleinerziehende zweier Kinder (Tochter Senta) konnte den Betrieb auf Sparflamme (zwei Hektar) mithilfe eines alten Profis weiterführen. Und Carlo, der schon als Bub lieber in die steilen Weinberge mit alten Reben als in die Schule ging, wusste, dass er Winzer werden wollte. Er lernte in einem renommierten Leiwener Betrieb, machte ein Gesellenjahr in Luxemburg. Seit Herbst 2019 ist der 21-Jährige auf dem Weg zum Weinbautechniker in Weinsberg. 2017 war sein erster Jahrgang mit mineralischen, knackigen Resultaten. 2018: noch einen Tick besser.
Tipp: Neumagener Rosengärtchen Spätlese feinherb 2018
Weingut Heinz Schmitt Erben 54340 Leiwen, Mosel www.weingut-heinz-schmitt.de
Der Tausendsassa
Max Geitlinger
Max Geitlinger (Jahrgang 1983) müsste in einem Fragebogen unter Beruf etliches eintragen. «Tagsüber bin ich Winzer, Kellermeister, Gärtner, Kleinbauer, Schnapsbrenner, Schreiner, Mechaniker, Putzmann. Abends bin ich Wirt, Weinberater, Servicekraft, Tellerwäscher. Nachts bin ich Träumer, Visionär oder einfach nur kaputt», erklärt er augenzwinkernd. Das «Gasthaus zum Hirschen» führt er seit 2011 in neunter Generation, sein 2010 gegründetes Zwei-Hektar-Weingut in erster. Alle Weine werden spontan vergoren, unfiltriert abgefüllt und als Landweine deklariert. Die Weinberge werden biodynamisch bewirtschaftet, sind allerdings nicht zertifiziert. Zur Hälfte sind sie mit Spätburgunder bestockt, aber auch Gutedel und Müller-Thurgau haben eine Bedeutung und gelingen sehr gut. Rund 10 000 Flaschen erzeugt Geitlinger pro Jahr, an der Spitze ein «maximaler» Wein.
Tipp: Pinot Noir Maximal 2016
Weingut Max Geitlinger 79400 Kandern/Egerten, Baden www.max-wein.de
Mutter und Tochter
Julia Siller
Drei Frauen haben in dem 1969 gegründeten Weingut das Sagen. Seniorin Helene Müller regiert im dazugehörigen Gasthaus «Lamm». Ihre Tochter Alexandra Siller, auch noch fast ein Jungtalent, führt das Zwölf-Hektar-Weingut als gelernte Winzerin seit Jahren alleine, hat aber bereits Tochter Julia an ihrer Seite. Die 21-Jährige absolvierte Praktika in verschiedenen Gebieten und studiert derzeit internationale Weinwirtschaft in Geisenheim. Sie freut sich über das «unglaublich vielseitige Produkt Wein». Ihre Entscheidung, Winzerin zu werden, fiel bei der Laubarbeit an der Spitze eines Weinbergs mit Blick über die Weinberge. «Da habe ich realisiert, wie einzigartig Reben und Wein sein können.» Besonders stolz können Mutter und Tochter auf ihre Premium-Kategorie sein. Aber auch die Basis ist stimmig – und hat ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis.
Tipp: Muskateller Sperber trocken 2018
Weingut Müller – Schneckenhof 74626 Bretzfeld-Geddelsbach, Württemberg www.weingut-schneckenhof.de
Ins Blaue hinein
Carsten Saalwächter
Dass Carsten Saalwächter, 27, im VINUM-Weinguide«Entdeckung des Jahres» war, verwundert nicht bei namhaften Ausbildungsbetrieben und einer Station im Burgund. Besonders geprägt habe ihn der Südbadener Hanspeter Ziereisen, erzählt er. Seine Zielsetzung ist nicht unbescheiden: grosse, bedeutende Pinots Noirs von Muschelkalk (Ingelheim) und Schiefer (Assmannshausen, wo er im Höllenberg Zugriff auf eine Parzelle mit 88-jährigen Reben bekam). Vater Gerhard (Jahrgang 1951) übergab 2017 die Verantwortung für den 11,5-Hektar-Betrieb. Der Sohn startete mit seiner Nobellinie «Ins Blaue hinein» sofort erfolgreich durch. Die bewährten preiswerten Weine für die Stammkundschaft gibt es nach wie vor, doch inzwischen schon 18 000 Flaschen von der «Elite». Mit Silvaner von alten Reben setzt er neue Massstäbe. Der erste Pinot 2018 aus dem Rheingau wird im November für stolze 90 Euro offeriert.
Tipp: Silvaner Alte Reben 2018
Weingut Paul Christian Saalwächter 55218 Ingelheim am Rhein, Rheinhessen www.weingut-saalwaechter.de
Der Rekultivator
Michael Fiebrich
An der Ahr laufen die Uhren etwas anders, da fällt man auch mit dem Geburtsjahrgang 1977 und einem 2008 gegründeten Weingut noch unter Talent. Was auch daran liegen mag, dass Michael Fiebrich nur 1,6 Hektar bewirtschaftet. Und daran, dass bei ihm im Weingut die Uhren ebenfalls anders laufen: Der erste eigene Wein stammt zwar aus dem Jahrgang 2008, gefüllt wurde er aber erst 2010. Mit dem Wein-Gen infiziert wurde Fiebrich, als Fiebrichs Eltern Weine von Pierre Frick aus dem Elsass kauften. Er lernte bei Frank Brohl in Pünderich (Mosel) und Christoph Richter in Ahrweiler. Seine Weinberge sind allesamt Steillagen, viele Parzellen wurden von ihm selbst rekultiviert, zu 73 Prozent steht dort Spätburgunder. Alle Weine von Michael Fiebrich sind leicht und filigran – mit Ausnahme eines kraftvollen Rosés, der 14 Volumenprozent Alkohol aufweist. An der Spitze der Kollektion steht ein feinfruchtiger Spätburgunder aus der Spitzenlage Ahrweiler Rosenthal. Wie alle Weine mit einer weissen Papierkapsel versehen, die mit Zwirn befestigt ist. Das betont den Manufaktur-Charakter seiner Weine, zeigt aber auch, wie viel Liebe er ihnen zuteilwerden lässt.
Tipp: Ahrweiler Rosengarten Spätburgunder trocken 2018
Weingut Fiebrich 53506 Rech, Ahr www.fiebrich-ahr.de
Ein Wein für Claudia
Benjamin Ehrhart
Der beste Wein, den er je probiert hat, ist für Benjamin Ehrhart (Jahrgang 1988) ein 2010er Echezaux von DRC – dazu passt, dass er sich als grossen Huber-Fan bezeichnet und Pinot Noir seine erste Liebe als Winzer war. «Ich hab mich viel mit dem Thema Holz auseinandergesetzt, viel Geld für Fässer ausgegeben und viele Fässer ausprobiert.» Zum Spätburgunder kam 2018 ein Weissburgunder ins Lagenportfolio des Pfälzer 11,8-Hektar-Bio-Betriebs. «Auf diesen Wein haben wir lange und gezielt hingearbeitet: ein kalkiges Filetstück im Sonnenberg gekauft, ausgewählte Klone in engem Reihenabstand gepflanzt und im Kordonschnitt erzogen.» Den nächsten Wein inspirierte Ehrharts Freundin Claudia: ein Chardonnay nach burgundischem Vorbild. Auch dieser Wein – aus einem ertragsreduzierten 20 Jahre alten Weinberg – begeistert sehr.
Tipp: Eschbacher Hasen Chardonnay 2018
Weingut Ehrhart 76831 Eschbach, Pfalz www.weingut-ehrhart.de
Klein, aber fein
Christoph Schütt und Andreas Frosch
Die Cousins Christoph Schütt (Jahrgang 1974) und Andreas Frosch (Jahrgang 1971) haben für ihren Betrieb einen der charmantesten Namen in der deutschen Weinszene: das kleine RieslingGut. Und der Name passt, denn auf 1,5 Hektar wird zu 95 Prozent Riesling angebaut. Die beiden Winzer mögen nicht mehr zu den ganz Jungen zählen, doch ihr Weingut geht gerade erst auf die weiterführende Schule, wurde es doch 2011 gegründet. Andreas Frosch zieht sich nun zurück, wird Christoph Schütt aber weiter unterstützen. Dessen Zielsetzung für die nächsten Jahre ist es, seinem Sohn einen erfolgreichen Betrieb übergeben zu können. Da dieser erst zwölf ist, hat er noch ein paar Jahre Zeit. Schütt ist Quereinsteiger, der aber seit der Kindheit praktische Erfahrung gesammelt hat. Von 2010 bis 2011 dann im Wein- und Sektgut F.B. Schönleber und seit 2011 im Weingut Ferdinand Abel.
Tipp: Rüdesheimer Berg Rottland trocken 2018
das kleine RieslingGut 65385 Rüdesheim am Rhein, Rheingau www.daskleinerieslinggut.de
Reife-Potenzial
Julian Ludes
Onkel Hermann Ludes, 70, ist Traditionalist und kann im Keller bis zu 25 Jahre alte, noch verkäufliche Weine vorweisen. Es sind frisch gebliebene preiswerte Riesling-Klassiker mit delikater Frucht und Säureschliff. Das Potenzial des Thörnicher Ritsch erinnert seinen Neffen Julian, 24, an die Spitzenklasse der Saar, zumal auf den steilen zehn Hektar viele Reben mit einem Alter von 70 bis 100 Jahren stehen. Er hilft schon lange mit und will ungeschminkte Weine durchaus mit Ecken und Kanten, aber mit einem enormen Reifepotenzial erzeugen. Gerade hat er sein Studium in Geisenheim abgeschlossen und ist nach Praktika bei Immich-Batterienberg und Maximin Grünhaus für eine hoffnungsvolle Zukunft gerüstet.
Tipp: Riesling Thörnicher Ritsch Kabinett feinherb 2017
Weingut Hermann Ludes 54340 Thörnich, Mosel www.moselwein.de
Keine Sportgeräte
Nina Bunzelt und Alex Huber
«Der Bocksbeutel ist kein Sportgerät» steht auf ihrer Werbepostkarte – und auf der Rückseite, dass sie mehr können als Sprüche machen. Und das stimmt! Die Spezialität des ungewöhnlichen Neun-Hektar-Weingutes von Nina Bunzelt (Jahrgang 1984) und ihrem Mann Alexander Huber (Jahrgang 1982) sind die Aromarebsorten Traminer und Scheurebe, aber als Franken natürlich auch der Silvaner. Der Silvaner Liaison vereint zum Beispiel pfiffig Muschelkalk und Keuper. Dass es einmal so kommen würde, war nicht abzusehen, denn Nina Bunzelt wollte Sport studieren – Gott sei Dank klappte es mit dem Eignungstest nicht! Über das Studium in Geisenheim wuchs sie in den Winzerberuf, elterlichen Druck, den Betrieb weiterzuführen, gab es nie.
Tipp: Traminer Spätlese trocken Nordheimer Vögelein 2018
Weingut Bunzelt 97334 Nordheim am Main, Franken www.weingut-bunzelt.de
Traktorliebe
Daniel Gemünden
«Im Kindergarten wollte ich schon Winzer werden. Das Arbeiten an der frischen Luft und das Traktorfahren haben mich begeistert», erzählt Daniel Gemünden (Jahrgang 1990). Der Traum sollte Wirklichkeit werden. «Mein Vater hat mir zum Glück sehr viel Gestaltungsspielraum gegeben, sodass ich bereits in der Ausbildung mit 17 Jahren meinen ersten Weinberg in grossen Teilen selbst bewirtschaftete. Auch der Ausbau war meine Aufgabe. Ziel war schon zu diesem Zeitpunkt, Flaschenweine zu erzeugen. Da wir ein reiner Fassweinbetrieb waren, musste an sehr vielen Stellschrauben (Ertragshöhe, Traubenverarbeitung und so weiter) gedreht werden.» Daniel Gemünden drehte erfolgreich, präsentierte 2015 die erste Kollektion des 30-Hektar-Betriebs und gehört heute zu den Winzerhoffnungen der Nahe-Region.
Tipp: Riesling Nature trocken 2018
Weingut Gemünden 55545 Bad Kreuznach, Nahe www.weingut-gemuenden.de