Weinregion Kremstal
Mit der Präzision des Terroirs
Text: Sigi Hiss, Fotos: www.pov.at, bureau f, Florian Schulte, Stefan Knittel, Markus Berger, z.V.g.
Ob Mosel, Rhein, Douro oder Loire – Flüsse bilden nicht selten die ideale Umgebung für Weinbau. Die niederösterreichische Weinregion Kremstal liegt dort, wo die Krems in die Donau mündet, und hat gleich zwei Flüsse, von denen sie profitieren kann.
Eingebettet zwischen den Nachbarregionen Kamptal, Wachau und Traisental verteilt sich der Weinbau des Kremstals wie ein dreizackiger Stern zwischen den Städten Krems und Stein als Dreh- und Angelpunkt. Die Landschaft verströmt ein gemütliches, fast schon lauschiges Flair. Doch auch Kunst und Kultur kommen mit der Stadt Krems, seit jeher eine Kulturstadt, nicht zu kurz. Weinbau wird hier mit wenigen Ausnahmen auf kleinsten bis mittelgrossen Parzellen betrieben. Nicht anders sieht es bei den Weingütern aus. Leopold Müller, Obmann und Winzer in Krustetten, fasst es so zusammen: «Oft sind das noch gelebte Familienbetriebe, wo mehrere Generationen unter einem Dach leben und arbeiten.»
Weniger vielfältig sieht es bei den Rebsorten aus, da ist der Grüne Veltliner mit über der Hälfte der gesamten Kremstaler Weinbaufläche der Platzhirsch. Riesling und Zweigelt die Kronprinzen, jeweils mit ungefähr einem Zehntel der Fläche. Die Annahme, so viel Grüner Veltliner sei eintönig und wenig abwechslungsreich, ist aber ein Irrtum!
Für eine ungewöhnliche breite Skala von eigenständigen Weinstilen sorgen allein schon unterschiedlichste Böden auf engstem Raum. Vorwiegend in kristallinem Gestein stehen die Rebstöcke um die Zone der Stadt Krems, in den Ausläufern der Wachau und des eigentlichen Kremstals. Löss ist hier nur wenig und wenn, dann in dünner Auflage zu finden. In den Weinen zeigt sich das durch Mineralität, Kompaktheit und eine frische, saftige Säure. Rassig und durchaus fordernd. Dagegen sind die Lagen östlich der Stadt Krems mit einer dicken Lössauflage versehen. Solche Böden bringen weniger Säure, eine hintergründige, gewisse Molligkeit und einen Charme, der den ganzen Gaumen auskleidet. Kommt man zu den Lagen südlich der Donau mit dem Stift Göttweig als Ausgangspunkt, sind die Lössschichten in der Nähe der Flussufer oft durch Schotterablagerungen bedeckt. Doch auch reine und kräftige Löss- und Lehmböden sind hier zu finden. So ist dieser Teil der Kremstaler Lagen eine Melange, eine Überschneidung der beiden anderen.
Oberflächlich betrachtet herrschen in allen drei Bereichen recht ähnliche klimatische Bedingungen. Schaut man genauer hin, basiert das Kremstaler Klima auf zwei Faktoren: dem Aufeinandertreffen kühler und feuchter Luft-ströme aus dem nördlichen Waldviertel mit den heissen, trockenen Ausläufern der Pannonischen Tiefebene im Osten. Dies hat enorme Unterschiede von Tages- zu Nachttemperaturen zur Folge. Ein wahrer Glücksfall für die Winzer, denn Säure und Frische bleiben so bestmöglich erhalten. Ausgeprägtere Unterschiede zeigen die einzelnen Rieden mit sehr unterschiedlichen Mikroklimata, also dem besonderen Klima einer Lage, beeinflusst durch Bäume, Hangneigungen, Wind oder Sonnenstrahlung und vieles mehr. Um gerade diesen Besonderheiten einzelner Lagen in den Mittelpunkt zu rücken, wurde mit dem Kremstal DAC ein dreistufiges Lagensystem geschaffen.
Das Credo der burgundischen Weinbergsklassifizierung lautet schon seit jeher: je kleiner, je feiner. Gemeint ist damit die Eingrenzung der Rebflächen eines ganzen Gebietes, dann die eines Ortes bis hin zu einer ganz bestimmten Riede in einem einzelnen Weinberg. Das Kremstal hat das als eine der ersten Weinregionen Österreichs umgesetzt. Inzwischen ist dieses dreistufige Modell mit dem österreichischen DAC verwoben und stellt sich so dar: Gebietswein ist «Kremstal DAC», Ortswein ist «Kremstal DAC plus Ortsname» und der Riedenwein ist «Kremstal DAC plus Orts- plus Riedenname». Allerdings beschränkt auf die Sorten Grünen Veltliner und Riesling. Weiterhin darf auch noch der Zusatz Reserve für Weine ab 13 Volumenprozent verwendet werden.
So vielfältig Terroirs sind, so unterschiedlich sind Winzer und ihre Visionen des Weinmachens. Jeder interpretiert Böden, Klima und Sorte auf seine Art und Weise. Der experimentierfreudige Jungwinzer geht es anders an als der erfahrene Weingärtner. Dort das renommierte Weingut mit klassischer Ausrichtung und Stilistik. Da der Gross- und ums Eck der Heurigenbetrieb. Da diskutiert der Biodynamiker mit dem konventionell denkenden Weinmacher. Kleine urige Weindörfer wechseln sich kontrastreich mit der Stadt Krems oder dem Stift Göttweig ab. All diese Facetten lassen im Kremstal eine wunderbare Vielfalt entstehen, die sich in den Weinen wiederfindet.
Familie Maier und
der Geyerhof
Der etablierte Geyerhof der Familie Maier, südlich der Donau im verschlafen wirkenden Städtchen Oberfucha wird von Maria und Josef Maier inzwischen schon in der 14. Generation geführt. Ein klassischer landwirtschaftlicher Mischbetrieb mit 23 Hektar Rebgärten und 27 Hektar Landwirtschaft mit allem, was dazugehört. Es wird nach biologischen Prinzipien gewirtschaftet, wobei man faktisch schon biodynamisch denkt und arbeitet. Die Wegbereiter für das Heute waren Ilse und Josef Maier, beide immer noch mit viel Schwung und grosser Freude dabei. Der Besuch im wunderschön gestalteten Hof gleicht dem Abtauchen in eine andere, leisere Welt. Ilse Maier begrüsst bestens gelaunt in ihrer herzlichen Art. Beim Probieren der Weine, so scheint es, findet sich dieses in sich Ruhende und gut gelaunte wieder. Eleganz und Finesse sind in einen Stil verpackt, der keinesfalls um jeden Preis jedem gefallen will. Familie Maier ist ein Musterbeispiel von vielen weiteren, etablierten Kremstaler Weinbaubetrieben. Dazu gehört auch, sich mit dem Erreichten nicht zufriedenzugeben und Weine und Visionen voranzutreiben.
Philipp Bründlmayer und
sein Wissensdurst
Philipp Bründlmayer wirkt wie ein stetig getriebener im positivsten Sinn: Tatendrang und Spass gehören für ihn zusammen. Es sprudelt nur so über vor Ideen, erzählt begeistert vom aktuellen Jahrgang und seinen Plänen für die Zukunft. Vater Joseph ist der gelassene, ruhende Pol im Hintergrund, der seinen Sohn unterstützt, wo es geht. Und der ist wissbegierig und brennt förmlich darauf, zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Einer seiner Leitlinien: «Eine Sorte in zwei Lagen wird an einem Tag gelesen.» So erfährt er schneller, welche Lage zu welcher Sorte passt. Der Erfolg gibt ihm und dem Zusammenspiel von Vater und Sohn Recht, wie es scheint. Philipp Bründlmayers Weine sind absolut trocken, gradlinig und straff. Nie laut, aber auch nicht verschüchtert oder zerbrechlich. Er ist der Typ der jungen Generation, die mit klaren Vorstellungen weiss, was sie will. Die auch experimentiert und gespannt schaut, was dabei rauskommt. Das traditionelle Winzerhandwerk aber behält er als Basis bei, mit Neugierde auf Neues sucht er seinen eigenen Stil. Dem kommt er Jahr für Jahr näher. Und er ist gewiss nicht der Einzige, es gibt viele »Jungspunde« wie Philipp Bründlmayer im Kremstal zu entdecken.
Christoph Hoch und
der Bienenweingarten
Der sympathisch Verrückte, der mit erfrischender, unendlicher Power Dinge tut, die ein Weinmacher eigentlich nicht tut. So beschreibt er sich selbst, und zum schon verschmitzten Gesichtsausdruck kommt ein herzhaftes Lachen dazu. «Im Ort haben’s anfangs schon an meinem Verstand gezweifelt, inzwischen hat man sich dran gewöhnt», erzählt Christoph Hoch mit seinem charmanten Dialekt. Sein kleines Weingut in Hollenburg an der Donau scheint eine mit Wein-Projekten vollbepackte Bude zu sein. Wie der Bienenweingarten. Hier hat er sich, keine zehn Meter von seinen Rebstöcken entfernt, ein Bienenvolk hingestellt. Und nur ein Pferd darf diese Riede bearbeiten. Es wird weder gemäht noch gewalzt, Wildwuchs, der bis zum Bauchnabel gehen kann. Seine Grundweine für die Schaumweine baut er auch auf der Florhefe aus. Beim ersten Schluck zieht man die Augenbrauen hoch, der zweite Schluck ist schon besser und nach einer Flasche versteht man Christoph Hochs Weine. Zwei Drittel Schäumendes machen sein Sortiment aus: knochentrocken, mit brachialer Mineralität und sehr knackiger Säure. Zugegeben, seine Weine sind schon eine sehr enge Nische, nichts für schreckhafte, zartbesaitete Gaumen. Aber hier geht einer seinen Projekten bis auf den Grund – kompromisslos und mit Herzblut.
Die Zukunft der Weinbauregion Kremstal liegt beim Grünen Veltliner und Riesling. «Jedoch könnte, als Folge des sich wandelnden Klimas, die eine oder andere Sorte mehr in den Vordergrund rücken», so Leopold Müller, der umtriebige Obmann der Kremstaler Winzer. Diversität in allen Bereichen ist deshalb das Pfund der Weinregion Kremstal. Ob es die verschiedensten Weinstile, eine bunt durchmischte Winzerschaft oder die heterogenen Terroirs sind – man spürt, es tut sich was, und der Drang, einen weiteren Schub nach vorn zu machen, ist greifbar. Dieser darf durchaus in Richtung von noch mehr Frische und Schlankheit gehen. Sicherlich auch bedingt durch einen belebenden Generationenwechsel. Doch Texte sind trockene Theorie und um diese zu «verflüssigen», hilft nur ein Besuch vor Ort, bei dem man sich ein Bild über die Weine des Kremstals machen kann.