Fritz Keller, DFB-Präsident, Winzer und Gastronom im Gespräch

Aus dem Paradies nach Frankfurt

 Interview: Rudolf Knoll, Fotos: www.medienagenten.de, Fabian Fiechter

Wenn sich die Gesprächspartner seit 30 Jahren kennen, fällt ein Interview etwas anders und ein bisschen intimer aus als normal. Der Kaiserstühler Fritz Keller, der – anfangs für viele überraschend – zum Präsidenten des Deutschen Fussball-Bundes gewählt wurde, nahm sich trotz viel Verbandsstress und neuen Verpflichtungen Zeit für VINUM.

Hattest du als 62-Jähriger nicht schon ein bisschen an den Ruhestand gedacht, ehe die Anfrage kam?
Nicht so ganz. Aber ich habe ganz besonders im Sommer, als ich auf dem Jakobsweg wanderte, darüber nachgedacht, wie es für mich weitergeht. Und den Betrieb. Es ist enorm wichtig, dass man als Unternehmer in Generationen denkt und nicht zu spät Verantwortung abgibt. In einer Zeit also, in der ich mir intensiv Gedanken über meine künftige Rolle gemacht habe, kam die Anfrage vom DFB.

Du hast mir mal erzählt, dass deine erste Reaktion auf die Frage, ob du für Aldi Wein machen willst, fast eine Ohrfeige gewesen wäre. War es beim ersten Anklopfen des DFB vielleicht auch so? Hast du an einen verspäteten Aprilscherz gedacht?
An einen Scherz habe ich nicht gedacht, dafür war die Anfrage zu seriös (lacht). Aber ich habe mich im ersten Moment stark gewundert: Wie kommen die bitte schön auf mich? Ich hätte nie damit gerechnet, dass mich jemand für einen geeigneten Kandidaten halten könnte. Dieses Amt war für mich zunächst sehr weit weg. 

Wie hat die Familie reagiert, vor allem deine Frau Bettina und Junior Friedrich, als du ihnen eröffnet hast, dass du dieses Amt übernehmen sollst?
Sie waren ebenso überrascht wie ich und hätten nicht gedacht, dass jemand mit dieser Anfrage auf mich zukommt. Vor allem meine Frau nicht, sonst hätte sie früher versucht, mir das auszureden (lacht). Aber sie haben es gleichzeitig von Beginn an auch als wahnsinnige Ehre und Auszeichnung gesehen, dass man mir dieses Amt zutraut. Und sie haben ihren Anteil daran. Dass ich in den vergangenen Jahren sowohl als Unternehmer als auch als Präsident beim SC Freiburg offenbar keinen ganz so schlechten Job gemacht habe, sonst hätte der DFB nicht angeklopft, war nur deshalb möglich, weil sie im Betrieb mitgeschafft und mir den Rücken freigehalten haben.

Was haben deine Mitarbeiter im Weingut und in den Restaurants sowie die Mitstreiter im Verein von sich gegeben? Reichte die Bandbreite von verrückt bis ganz toll?
Ich glaube, da war tatsächlich die gesamte Bandbreite der Gefühle dabei. Das ist ja auch ganz verständlich. Natürlich kann man auch denken: Was tut er sich da an? Er lebt dort unten im Paradies, die letzten Präsidenten sind allesamt vorzeitig zurückgetreten oder mussten zurücktreten, und dann auch noch die DFB-Zentrale in Frankfurt. Aber alle haben mir ehrlich gratuliert. Es machte Mut, zu spüren, wie viele mir diese Aufgabe und Herausforderung zutrauen.

Was war in den Wochen nach der Ankündigung der Präsidentschaftskandidatur bei euch los? 
Mein Handy stand überhaupt nicht mehr still. Das war schon vorher selten der Fall, aber das war nochmal eine deutliche Steigerung. 

Du hast mit dem SC Freiburg viel erreicht. Ihr seid derzeit stabil in der Bundesliga, habt sogar zwei Spieler im Nationalteam. Bald wird das neue Stadion eröffnet. War es nicht ziemlich schwer, vom Amt des Club-Präsidenten Abschied zu nehmen?
Es war einerseits wahnsinnig schwer. Es gab mehrere Verabschiedungen, bei denen ich schon die eine oder andere Träne unterdrücken musste. Der SC Freiburg ist schliesslich nicht nur der Club meiner Heimat, er ist auch meine emotionale Heimat. Ich habe hier 25 wundervolle Jahre erleben dürfen und viele, viele Freunde gewonnen. Den SC werde ich immer im Herzen tragen. Aber andererseits fiel es mir auch nicht schwer, weil der Club sehr gut aufgestellt ist und optimistisch in die Zukunft schauen kann. 

Du heisst ja genau genommen Fritz Walter Keller. Hatte dein Vater gehofft, dass du eine ähnliche fussballerische Karriere wie der grosse Fritz, dein Patenonkel, machst? 
Mein Vater war ein grosser Fan von Fritz Walter – nicht nur vom Fussballer, sondern auch von dem Menschen. Er hatte weniger im Sinn, dass ich ihm auf dem Fussballplatz nacheifere. Er hat mich lieber als Anpacker im Betrieb gesehen denn als Torjäger.

Winzer Joachim Heger hat bei deinem 60. Geburtstag angedeutet, er gehöre zu den wenigen, die sich noch an deine Aktivitäten auf dem grünen Rasen erinnern, aber er wird nichts darüber verraten. Braucht man noch Feinde, wenn man solche Freunde hat?
Freunde sind auch deshalb Freunde, weil sie genau wissen, über welche Dinge man besser den Mantel des Schweigens ausbreitet (lacht).

Die letzten Präsidenten des DFB haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert und vieles laufen lassen. Kannst du auch mal richtig auf den Tisch hauen, wenn dir etwas nicht gefällt?
Ich bin ein absoluter Teamplayer. Ich muss nicht alles kontrollieren, sondern ich übertrage gerne Verantwortung. Nur so kann jeder Einzelne, und damit das grosse Ganze wachsen und sich weiterentwickeln. Aber wenn es nötig ist, grätsche ich rein. Eine Grätsche zur rechten Zeit ist besser als ein Gegentor.

«Ich bin ein absoluter Teamplayer. Ich muss nicht alles kontrollieren, sondern ich übertrage gerne Verantwortung. Nur so kann jeder Einzelne und damit das grosse Ganze wachsen und sich weiterentwickeln. Aber wenn es nötig ist, grätsche ich rein. Eine Grätsche zur rechten Zeit ist besser als ein Gegentor.»

In Freiburg bist du als volkstümlicher Präsident bekannt, der sich mitten ins Publikum setzt. Kann das auch bei Länderspielen künftig der Fall sein, oder entkommst du den Logenplätzen vermutlich nicht?
Als DFB-Präsident hat man rund um ein Länderspiel jede Menge Verpflichtungen und Termine, diese Erfahrung habe ich bereits gemacht. Aber selbstverständlich werde ich mir es auch künftig nicht nehmen lassen, ein Fussballspiel zu geniessen wie jeder andere Zuschauer auch: mitten unter den Fans oder am Bratwurststand.

Wengerter Albrecht Schwegler, ein Fussballfan aus Württemberg, meinte, du als DFB-Präsident, das tue auch dem Berufsstand der Winzer gut. Siehst du das ebenso?
Es kann sicher nicht schaden, den wundervollen Beruf des Winzers auch unter den Menschen, die mehr mit Fussball und Bier als mit Wein zu tun haben, etwas bekannter zu machen. Und zu zeigen, dass Winzer mehr können als Wein erzeugen. 

In Freiburg gibt es eine vorbildliche, vielseitige badische Weinauswahl im Stadion. Haben nach deiner Erfahrung andere Vereine noch Nachholbedarf auf diesem Sektor? 
In vielen Stadien in Deutschland gibt es mittlerweile gute Weine. Aber sie sind nicht unbedingt überall für den normalen Stehplatzbesucher erhältlich. Dort, genauso wie bei der Bandbreite des kulinarischen Angebots, sehe ich hier und da durchaus noch Nachholbedarf. Wobei wir bei Länderspielen schon lange mit dem Deutschen Weininstitut sehr gut zusammenarbeiten und hochwertige, deutsche Weine anbieten. Keller-Weine wird es nicht geben, aus verständlichen Compliance-Gründen.  

Hast du vor, gegen Borussia Dortmund vorzugehen? Die haben gerade den Sponsoringvertrag mit einem Prosecco-Erzeuger verlängert. Im Stadion gibt es deshalb Prosecco, Spumante, Moscato und sogar Fan-Editionen… Wäre da nicht ein Zwangsabstieg oder zumindest ein Punkteabzug angebracht?
Da sind wir Winzer ja zum Glück sehr tolerant. Und ich muss dich enttäuschen, auch die DFB-Statuten bieten da keine Handhabe (lacht).

Als DFB-Präsident wirst du oft unterwegs sein. Das bedeutet wohl, dass es zu Hause eine neue Arbeitsaufteilung gibt? Was wird sich im Weingut und in der Gastronomie ändern?
Meine Familie und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben schon viel Verantwortung übernommen – jetzt müssen sie noch stärker ran. Aber das ist allen bewusst und kann niemanden überraschen. Und aus der Welt bin ich auch nicht. Mit dem Zug fährt man in etwas mehr als zwei Stunden von Frankfurt nach Freiburg.

Für das Weingut ist dein Sohn Friedrich, ein ausgezeichneter Fussballer, inzwischen verantwortlich. Das Projekt mit den Aldi-Weinen ist dir vermutlich mit der Zeit ans Herz gewachsen. Kannst du dich künftig überhaupt noch darum kümmern?
Das Tagesgeschäft wickelt Friedrich ab. Er macht das bereits jetzt ganz fantastisch, und ich habe keinerlei Zweifel daran, dass er diesen Aufgaben gewachsen ist. Ich stehe ihm natürlich weiterhin jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. 

Wirst du es vermissen, dass du nicht am Abend in Oberbergen mit den Gästen plaudern kannst. Oder versuchst du doch oft, den alten, gemütlichen Standard zu pflegen?
Ich werde sicherlich nicht mehr so häufig in meinen drei «Kneipen» sein können. Aber trotzdem werde ich regelmässig vorbeischauen. Und vermutlich geniesse ich diese seltenen Momente dann noch etwas intensiver.  

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