Weisse Cuvées aus dem Wallis sind top!
Im Tal der weissen Wunder
Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: z.V.g., Linda Pollari
Im zusehends von roten Sorten dominierten Wallis begeistern uns die Winzer mehr und mehr mit ihren weissen Top-Cuvées. Der Grund für den Qualitätsschub der letzten Jahre: Die Winzer verstehen es immer besser, die Klaviatur ihres breiten Spiegels weisser Sorten für ihre Kompositionen zu nutzen. Zwei Edel-Crus konnten ihre Favoritenrolle in diesem Panel eindrücklich bestätigen: Clos de Tsampéhro und der Eclat von Provins.
Was sich in den letzten Jahren bei den weissen Cuvées im Wallis getan hat, verdient den Superlativ «sensationell». Noch vor zehn Jahren dominierten in dieser Sparte die überreifen, molligen, ja manchmal fast öligen Gewächse. Doch obwohl es im Wallis seither alles andere als kühler geworden ist, gibt es im Topbereich heute eine ganze Reihe von Weinen, die sich mit Filigranität und «burgundisch kühler Eleganz» auszeichnen. Die Hauptgründe für diese positive Entwicklung liegen nicht nur beim früheren Erntezeitpunkt, sondern vor allem bei der Sortenwahl.
Als Prototyp einer visionär anmutenden Sortenzusammenstellung erscheint dabei vor allem der weisse Clos de Tsampéhro, der aus Heida (50 Prozent), Rèze (35 Prozent) und Completer (15 Prozent) gekeltert wird. Während der Heida für Fülle und Gehalt sorgt, verleihen die beiden zu hoher Säure neigenden Sorten Rèze und Completer dem Wein seine fast burgundisch anmutende Klarheit und Frische. Die Wahl des Completers macht historisch Sinn, hat doch der Rebsortenforscher José Vouillamoz nachgewiesen, dass die Sorte früher auch im Wallis zu finden war. Nur schade, dass beide Sorten im Wallis noch immer nur minimalste Flächen belegen.
Überhaupt stehen die Ergebnisse dieses Profipanels im Gegensatz zur Entwicklung des Sortenspiegels. Denn das Wallis ist heute eine Rotweinregion. 61 Prozent der Rebfläche sind mit roten Sorten bestockt. Der Anteil der Anbaufläche für Weisswein ist dagegen von 2500 Hektar im Jahr 1991 auf heute 1890 Hektar geschrumpft. Verantwortlich für diesen eklatanten Rückgang ist in erster Linie der Chasselas. Spezialitäten wie Petite Arvine oder Savagnin Blanc (im Wallis auch Heida oder Païen genannt) haben dagegen im gleichen Zeitraum markant zugelegt. Und doch gibt es bei jenen weissen Spezialitäten, die erstklassige Cuvée-Partner sind, noch viel Entwicklungspotenzial. Nebst Rèze und Completer könnte dabei, das beweist zumindest ein Wein in dieser Probe, auch die Sorte Chenin Blanc eine interessante Rolle spielen.
Das VINUM-Panel zeigt, dass heute bei den Walliser Cuvées drei grundsätzlich verschiedene Stilistiken auszumachen sind. Da ist die traditionell klassische Linie, die gehaltvolle, manchmal auch opulente Weine hervorbringt. Dass sich auch diese Stilistik perfektionieren lässt, beweist etwa die Kellerei Bonvin mit ihrer Cuvée 1858 Blanc oder Provins mit ihrem Maître de Chais Vieilles Vignes Blanc. Die interessanteste Kategorie unter den Walliser Cuvées ist aber heute ganz klar jene, die zur Finesse tendiert, mit Weinen wie eben Clos de Tsampéhro und Eclat von Provins, aber auch Lux Vina «P» von der Domaine Chevalier oder Domaine de Ravoire Blanc von Albert Mathier et Fils. Eine vergleichsweise junge, aber hochinteressante Kategorie sind die Orange-Weine. Tatsächlich scheint besonders die Maischenstandzeit eine interessante Technik zu sein, um den weissen Cuvées im Wallis mehr Struktur und Grip zu verleihen. Der Duende von Maurice Zufferey sowie Les Temps Passés von Olivier Pittet sind hervorragende Beispiele dieser für viele immer noch provozierenden Stilistik.
Cuvée oder Assemblage?
Es ist die ewige Frage, wenn Weine verkostet werden, die aus verschiedenen Traubensorten gekeltert werden: Haben wir nun Cuvées oder Assemblagen im Glas? Bei VINUM bezeichnen wir jene Weine als Cuvées, die aus verschiedenen Traubensorten zusammengestellt werden. Den Begriff Assemblage verwenden wir dagegen für Gewächse, die aus verschiedenen Partien (etwa Trauben aus mehreren Rebbergen oder Weine aus mehreren Tanks) der gleichen Sorte gekeltert werden.
Die Jury
Jasmin Bucher Sommelière in Zürich. Ihr Favorit: Tsampéhro VI 2016 von Clos de Tsampéhro, Flanthey.
Beat Caduff Gastgeber in Zürich. Sein Favorit: Tsampéhro VI 2016 von Clos de Tsampéhro, Flanthey.
Lidwina Weh Sommelière in Wohlen. Ihr Favorit: Domaine de Ravoire Blanc 2017 von Albert Mathier et Fils SA, Salgesch.
Daniel Cortellini Weinhändler in Baden. Sein Favorit: Valais Mundi Eclat 2017 von Provins Valais in Sion.
Sigi Hiss Journalist und Consultant in Bad Krozingen. Sein Favorit: Les Temps Passés 2016 von Olivier Pittet, Fully.
Nicole Harreisser VINUM-Redaktorin in Zürich. Ihr Favorit: Cuvée 1858 Blanc 2016 von Bonvin 1858, Sion.
Thomas Vaterlaus Chefredaktor VINUM in Zürich. Sein Favorit: Tsampéhro VI 2016 von Clos de Tsampéhro, Flanthey.
«Mit Sorten wie Marsanne oder Petite Arvine haben die Walliser Winzer schon seit langem erstklassige Trümpfe in ihrer Hand. Wer in einem eher warmen Terroir mit diesen Sorten umzugehen weiss, kann authentisch-eigenständige Weltklasse-Crus produzieren. Die Entwicklung der Amphoren- und Orange-Weine finde ich höchst faszinierend, allerdings sollten die Oxidationsnoten mit Frische unterlegt sein. Winzer, denen das gelingt, haben einen völlig neuen Walliser Weintyp erfunden.»
Daniel Cortellini Weinhändler, Baden
«Es gab in dieser Probe eine Reihe von echt genialen Weinen, und zwar waren das Gewächse, die nicht einfach nur einer guten Laune der Natur zu verdanken sind, sondern vor allem auch dem Feingefühl des Winzers beim Cuvetieren. Dank der zunehmend perfekten Abstimmung der Grundweine und Rebsorten waren die Ergebnisse hinreissend im Duft, komplex in der Aromatik und pikant im Finale. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich diese weissen Walliser Top-Cuvées in Zukunft entwickeln.»
Lidwina Weh Sommelière, Wohlen
«Früher dominierte im Wallis der Typ der opulenten, ja mastigen Weissweine, heute zeigen viele Crus eine erstaunliche Filigranität, das ist auch das Fazit dieser Panelverkostung. Schwer verständlich ist für mich, dass nun auch im Wallis der Trend zu Natur- oder Orange-Weinen Einzug gehalten hat. Und ich finde, die Walliser Winzer sollten bei der Preisgestaltung vorsichtig sein. 80 und mehr Franken sind ein stolzer Preis, da bekommt man heute selbst im Burgund weisse Top-Crus.»
Beat Caduff Weinfreak und Gastgeber in Caduff’s Wineloft, Zürich