Tessin, die neue Elite
Mission Generation completed
Text: Nicole Harreisser, Fotos: Davide Stallone
Sie sind die neue Elite des Tessiner Weinbaus. Sie folgen den einstigen Pionieren, die dem Tessiner Weinbau in den 80er Jahren den entscheidenden Schub gegeben haben. Die neue Generation hat studiert, ist weit gereist und hat bei grossen Namen im In- und Ausland hospitiert. Jetzt stehen sie teils noch gemeinsam mit ihren Vätern an der Spitze der Familienweingüter und sind auf dem besten Weg, die Geschichte erfolgreich fortzusetzen.
Huber Vini, Monteggio
Und Margaux lässt grüssen
Daniel Huber gilt als einer der Altmeister, die in den 80er Jahren ins Tessin kamen, um Wein zu keltern. In diesen Jahren hatten es die jungen Winzer einerseits leicht, sie waren die ersten, aber andererseits starteten sie bei null. Sie suchten Rebland, das nicht einfach zu finden war, denn es gab damals keinerlei Unterscheidung zwischen landwirtschaftlichem Land, das für einen Franken per Hektar zu bekommen war, und Bauland, das 200 bis 300 Franken kostete. Der Start für Daniel mit Huber Vini war die Lage Persico, die heute unweit des Weingutes liegt und drei Hektar zusammenhängendes Rebland umfasst, das mittlerweile zu 50 Prozent erworben werden konnte. Das typische Malconteserhaus in Monteggio aus dem 17. Jahrhundert konnte er Stück für Stück erwerben und an die Anforderungen des Betriebes anpassen. Heute lebt sein Sohn Jonas mit seiner Familie dort.
Daniel ist Forstingenieur und hat sich mit grossem Erfolg dem Weinbau verschrieben. Der Weg war nicht einfach, die Flächen mussten an vielen Orten gerodet und komplett neu bepflanzt werden. Seine Weine fanden von Beginn an grossen Zuspruch, und so wurden weitere Rebberge in den Besitz gebracht. 1986 wurde der Ronco di Persico ausgezeichnet, und er kaufte mit dem gewonnenen Preisgeld Weine für eine Degustation, unter anderem auch Château Margaux. «Es war Wein, ganz einfach Wein.» Und sollte für ihn immer das Vorbild bleiben.
«Aus dem Schatten meines Vaters zu treten, bereitete mir im ersten Jahr so manch schlaflose Nacht.»
Jonas Huber
Für Jonas stand es nicht von vornherein fest, das väterliche Weingut zu übernehmen. Zu sehr hatte er die viele Arbeit miterlebt und nicht nur jeden Sommer, wenn seine Kollegen Ferien hatten, im Weingut mitgeholfen. Zunächst machte er eine technische Ausbildung, bevor ein erstes Praktikum folgte, allerdings nicht im eigenen Betrieb. Weitere folgten etwa bei Simon Maye und Hammel. Sieben Jahre verbrachte Jonas in der Westschweiz, bevor er 2014 zurückkehrte. Es folgten zwei Jahre der gemeinsamen Arbeit auf dem Weingut, bevor Jonas das Weingut alleinig übernahm und mit dem Jahrgang 2016 seinen ersten eigenen Jahrgang vinifizierte. Er hatte viele Impulse und Ideen durch seine Erfahrungen auf anderen Weingütern und setzt nun auf Spontangärung bei der Weinbereitung. Auch ist er im Keller weniger aktiv und zieht die Weine weniger um. Diese danken ihm mit noch mehr Eleganz. Sein Vorteil ist, dass er auf Bestehendes aufbauen kann, denn die damals gepflanzten Reben sind nun 30 Jahre alt, und das Weingut ist bekannt. Aber das ist auch eine Bürde, und im ersten Jahr hat er so manch schlaflose Nacht verbracht.
Mittlerweile sieht er sich neuen Herausforderungen gegenüber. Der Versuch, mit Piwi-Sorten zu arbeiten, war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Versuche gab es, aber es erfordert ein grosses Durchhaltevermögen und absolute Konsequenz. Es gibt noch keine «Tessin-Piwi-Sorte», und auch bei den Spritzmitteln ist noch kein biologisches Mittel auf dem Markt. Die Region kann von der Klimaerwärmung profitieren, da der Merlot mit etwa 13,5 Volumenprozent gut ausreift.
Und ein Projekt wird Daniel weiterhin begleiten: die Künstleretiketten des Montagna Magica. Dieses Projekt liegt ihm sehr am Herzen. «Als Winzer ist man an den Boden gebunden, ein Künstler kann frei gestalten.» Er hat diese Zusammenarbeit immer schon als eine Art kleine Auszeit gesehen. Das Etikett für 2016 hat Michael Wyss aus Uster gestaltet.
www.hubervini.ch
Unsere Favoriten
Costera Riserva Rosso del Ticino DOC 2013
18.5 Punkte | 2019 bis 2022
Präsentiert sich mit intensiver Nase. Reife, feine Altersnoten, ein Hauch Pilze, Waldboden, auch Nadelholz und etwas Räucherspeck. Sehr dicht gewoben. Am Gaumen frisch und ausgewogen. Herbe Noten von roter Frucht. Sehr elegant und auch leichtfüssig. Im Abgang mit etwas Nougat und Schokolade. Eine Primaballerina auf dem Höhepunkt.
Costera Riserva Rosso del Ticino DOC 2014
17.5 Punkte | 2019 bis 2023
Leicht rostrote Reflexe, intensive Noten von Astholz, etwas grünes Gemüse. Komplex und fordernd. Entwickelt fein verwobene Noten, Anklänge an dunkles Hartholz, ansprechende Herbe. Entwickelt sich weiter bei Belüftung. Hervorragender Essensbegleiter, der sich auch bei intensiven Aromen zu behaupten weiss. Hat Potenzial.
Montagna Magica Merlot di Monteggio DOC 2016
18.5 Punkte | 2019 bis 2026
Der erste Jahrgang, den Jonas Huber allein vinifiziert hat. Zeigt sich anfangs noch ein wenig verschlossen mit etwas grünem Astholz. An der Luft entwickeln sich zusehends feine, delikate dunkle Fruchtnoten, feines Sandelholz, dunkle, reife Beerenfrucht. Sehr ausgewogen, wenn auch noch jung, sind die Tannine elegant und harmonisch integriert.
Cantine Ghidossi, Croglio
Konstantes Wachstum
Wie der Vater so auch der Sohn: Gianfranco Ghidossi, eigentlich Ingenieur der Elektrotechnik, übertrug seine Leidenschaft für Reben und Wein auf seinen Sohn Davide. Zunächst kelterte Gianfranco, dessen Vater für den Eigengebrauch Wein gemacht hatte, die Trauben einiger Freunde, bis er dann zusammen mit seinem alten Freund, dem Architekten Aurelio Galfetti, eine eigene Kellerei an den Hängen des Monte Ceneri bei Cadenazzo baute. 1992 wurde die Kellerei eingeweiht, und schon bald wurde sein Wein Saetta – zu Deutsch Blitz und sein Spitzname – international ausgezeichnet. Ein grosser Erfolg des Autodidakten, der das Weingut mit grosser Passion, aber immer als Hobby führte.
Sohn Davide war von klein auf mit dem Wein verbunden, und so war es für ihn klar, das inzwischen gewachsene Weingut einmal zu übernehmen. Schon während seiner Ausbildung an der Hochschule für Technik in Changins (EIC) hatte er die Möglichkeit, mit Kollegen den ersten eigenen Wein in der Schule zu vinifizieren. Besonders wichtig war ihm bereits damals der Austausch mit anderen. Nach seinem Abschluss hatte er die Gelegenheit, in Australien erste Erfahrungen mit der Terroirbezogenheit des Merlot zu gewinnen. Dort war ein Teil der Reben von Eukalyptusbäumen umgeben, und dieser Wein hatte ein sehr eigentümliches Aromenspiel. Als er 2012 zurück ins Tessin kam, übernahm er ohne Übergang das Weingut. Ein grundlegender Unterschied trotz der gemeinsamen Leidenschaft für Wein ist, dass Davide sich von Beginn an ausschliesslich auf das Weingut konzentrierte, sein Vater hingegen das Weingut immer parallel zu seinem eigentlichen Beruf als Elektroingenieur führte. Das Weingut war mittlerweile durch Zukauf von Rebflächen im Malcantone gewachsen und die ursprüngliche Kellerei durch die steigende Produktionsmenge zu klein geworden. Eine neue Kellerei wurde inmitten eines Weinberges in Croglio, der mit Merlot bepflanzt ist, gebaut.
«Für mich war von Beginn an klar, in die Fussstapfen meines Vaters zu treten und das Weingut weiterzuführen.»
Davide Ghidossi
Davides Weine sind im Vergleich zu den Weinen des Vaters weniger kantig, der Holzeinsatz ist harmonischer und die Tannine ausgewogener. Insgesamt sind die Weine etwas früher trinkreif. Es war einerseits von Vorteil und auch eine Motivation, von Anfang an alleine zu arbeiten, aber auch eine grosse Herausforderung, die Erfolge des Vaters fortzuführen.
Die Weissweine kommen bei Davide immer als Assemblage auf die Flasche, er hat keinen reinsortigen Weisswein. Für ihn gewinnen die weissen Rebsorten unheimlich durch die Kombination. So gibt es kein Übergewicht einer einzelnen Rebsorte. Für ihn ist dies der kreative Akt: «Man kann mehr spielen und findet seine eigene Kreation.» Das hat für ihn mehr Potenzial als ein reinsortiger Weisswein. Die Kunst ist es, die goldene Mitte zwischen dem eigenen Anspruch und der Kundenerwartung zu finden. Die Trauben vinifiziert er getrennt und assembliert dann die einzelnen Weine. Auch der Schaumwein der Cantine Ronco Regina 2017 basiert auf einer Assemblage mit weiss gekeltertem Merlot und Müller-Thurgau und wird nach Metodo Classico produziert. Der Müller-Thurgau gibt dem Merlot noch zusätzlichen Pfiff und rundet ihn ab.
Das Jahr 2018 verlangte viel: hohe Einbussen durch falschen Mehltau. Das lehrt Demut und Respekt vor jeder einzelnen Flasche Wein – und mit jeder Flasche gibt es wieder Neues zu entdecken.
www.cantine-ghidossi.ch
Unsere Favoriten
Ronco Regina Spumante Bianco del Ticino 2017
16.5 Punkte | 2019 bis 2020
2017 zum ersten Mal produziert, wird der schäumende Vertreter aus der Cantine Ghidossi aus weiss gekeltertem Merlot und Müller-Thurgau komponiert. Feine Mus-katnoten, frische, mineralische Frucht und ein harmonischer Körper geben ihm Zug und machen ihn zu einem hervorragenden Begleiter zu Rohschinken, Käse und auch Carne Cruda.
Dialogo Bianco del Ticino DOC 2016
17 Punkte | 2019 bis 2021
Traditionelle und Piwi-Rebsorten, harmonisch verbunden. Zart exotische Fruchtnoten in der Nase, etwas Ananas, auch Kräuter und Gräser. Am Gaumen straff, fordernd und erfrischend jung. Komplex und dicht verwoben. Elegant. Eine Cuvée mit Reifepotenzial. Ein her-vorragender Essensbegleiter zu Antipasti und feinen Fischgerichten.
Saetta Merlot Rosso del Ticino DOC 2015
17.5 Punkte | 2019 bis 2023
Tiefdunkles, intensives Rubinrot. Komplexe Nase mit reifen roten Früchten und Holzwürze. Am Gaumen mit präsenten, aber sehr ausgewogenen Tanninen, ein dezenter Hauch Vanille blitzt hervor. Aromen von Waldbeeren. Komplex, dicht, fordernd. Schlägt ein wie sein Name «Blitz». Delikat zu Fleischgerichten, auch Wild, und als Abschluss eines Menüs zu Käse.
Carlo Tamborini SA, Lamone
Erfolg seit 75 Jahren
Das Jahr 2019 birgt gleich drei Jubiläen für die Familie Tamborini: Das Firmenjubiläum mit 75 Jahren, Claudio Tamborini ist seit 50 Jahren im Betrieb und Tochter Valentina seit 5 Jahren. Begonnen hat es für Claudio Tamborini im elterlichen Weinhandel in Lugano im September 1968 nach dem Abschluss des Önologie-Studiums. Die Übernahme der Agentur für die Genossenschaft Giubiasco, heute Cantina Giubiasco, folgte. Zu damaliger Zeit wurde im Tessin primär italienischer Wein getrunken. Claudio hatte die Idee, sich mit Weinbau ein zweites Standbein aufzubauen, denn er erkannte das grosse Potenzial des Merlot zu dieser Zeit, aber nicht mit einem einfachen, etwas belanglosen Tessiner Merlot, sondern nach Bordelaiser Vorbild. Ein neuer Typus, elegant und mit Ausdruck. Er war der Erste, der Merlot-Setzlinge aus dem Bordeaux im Tessin pflanzte und schon bald grossen Erfolg mit seinem «neuen» Merlot feiern konnte. Jahr für Jahr gelang es ihm, das Unternehmen zu erweitern, und so werden heute 30 Hektar in Eigenbesitz bewirtschaftet. 2012 wurde er als Winzer des Jahres beim Grand Prix du Vin Suisse ausgezeichnet.
Die Übergabe des Betriebes wird nicht von heute auf morgen passieren, Stück für Stück wird er sich aus dem Betrieb zurückziehen und Bereich für Bereich übergeben. «Ich habe nun mehr Zeit nachzudenken.» Neue Ideen, Visionen und Projekte, diese wird er auch weiterhin einbringen und mit grossem Engagement verfolgen. Er ist ein Macher, ein Unternehmer, und diese Eigenschaften hat er seiner Tochter Valentina mitgegeben.
Valentina Tamborini ist wie ihr Vater mit viel Leidenschaft bei der Sache.
Valentina steht dem Ideenreichtum ihres Vaters in nichts nach. Sie hat mit grosser Leidenschaft eine eigene Weinlinie Valentina Tamborini Wine Collection aufgebaut. Zusammen mit dem Önologen des Weinguts Luca Biffi hat sie Vivi, einen Weisswein aus der Piwi-Sorte Johanniter und Viognier, und Credi, einen Rotwein aus Cabernet Franc und Merlot, geschaffen. Zwei weitere Weine ergänzen neu das Sortiment unter dem Motto «Gioia di Vivere» (Lebensfreude): Der Rosé Osé aus Merlot-Trauben nach provenzalischem Vorbild und der Passa di Tambo nach Vorbild des Valpolicella sind zwei weitere Projekte, die die Verbundenheit von Vater und Tochter bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen zeigen. Es muss immer einen Schritt nach vorne gehen. Beide sind sie nicht Winzer, die selbst im Weinberg stehen, sie agieren und führen das Unternehmen Tamborini. Dabei können sie auf langjährige Mitarbeiter zurückgreifen.
Valentina und Claudio sind sehr aufgeschlossen gegenüber pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwi). Sie attestieren diesen eine bessere Resistenz gegenüber der Humidität des Tessins. Bereits seit einigen Jahren gehören weisse Piwi-Sorten zum Programm. Bei den roten Piwi-Sorten sehen sie noch Luft nach oben in der Entwicklung, diese sind noch nicht fein und elegant genug, um eine Alternative zum Merlot zu bieten. Eine grosse Herausforderung für die Zukunft ist die erfolgreiche Positionierung gegenüber der Konkurrenz im In- wie im Ausland. Wachstum innerhalb der Schweiz ist sehr schwierig, das Portfolio muss sich verstärkt auch auf Nischenkunden ausrichten. Bereits seit 30 Jahren wird nach Deutschland, Grossbritannien, China und Skandinavien zu einem kleinen Teil exportiert, der in den nächsten Jahren anwachsen soll.
www.tamborinivini.ch
Unsere Favoriten
Merlot Castelrotto Rosso del Ticino DOC 2014
16.5 Punkte | 2019 bis 2022
Tiefes Karmesinrot mit würziger, fruchtbetonter Nase. Noten von Dörrobst. Am Gaumen mit fordernden Tanninen, straff und mit betonter Würze. Klassisch. Was zum Beissen. Ein fordernder Jungspund aus gutem Hause. Sehr harmonisch und aus-gewogen, kräftiger Körper. Vor dem Genuss belüften. Zu kräftigen Fleischgerichten.
Rosé Osé Rosato del Ticino 2017
16 Punkte | 2019 bis 2020
Zart lachsrosa zeigt sich der Rosé Osé aus Merlot im Glas mit dezenten Noten von Brioche, etwas Holz. Am Gaumen sehr frisch, feine rote Früchte. Ein Hauch Orangenblüte, dicht gewoben, mit mittlerem Körper. Ein animierender Apérowein, der auch mit feinen, grillierten Fischgerichten hervorragend harmoniert und nicht nur im Sommer grosse Freude bereitet.
Merlot Comano Rosso del Ticino DOC 2015
17 Punkte | 2019 bis 2022
Powervolle Nase, betörender Duft nach Dörrobst, reifen Schwarzkirschen und feinen Gewürzen. Im Mund füllend, etwas frisch aufgeschlagenes Ei, dunkle, herbe Fruchtnoten, wiederum Dörrobst, auch etwas Nougat und schwarze Schokolade. Ausgewogen und harmonisch. Stark, kräftig und zugleich elegant mit langem, intensivem Nachhall.
Christian Zündel, Beride
Gemeinsam in die Zukunft
Vor über 30 Jahren kam Christian Zündel mit seiner Frau Anne de Haas aus der Deutschschweiz in den Malcantone. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung im Tessin. Er wollte hinaus in die Natur, mit dem Boden und seinen Früchten arbeiten. Zunächst lag sein Fokus mehr auf den Wäldern und den vormals als Nahrungslieferant so wichtigen Kastanienhainen. Er versuchte sich am Anbau verschiedener Kulturpflanzen, probierte aus, verwarf wieder. Zuletzt blieben die Reben und somit der Wein, die das Auskommen der Familie sicherten. Er ist auf der Suche nach dem «idealen Merlot del Ticino», und die Suche ist noch nicht zu Ende. Die Freiheit, alles machen zu können, bei null anzufangen, kann auch Belastung sein. Ein Winzerleben ist kurz, nur 30 bis 40 Jahrgänge können vinifiziert werden. Jede neue Idee braucht ihre Zeit in der Umsetzung. Eigentlich nicht genug für ihn, und so sieht er in der Fortführung seiner Arbeit die grosse Chance für seine Tochter Myra, die auf den Erfahrungen aufbauen kann.
Seit September 2018 stehen nun beide gemeinsam im Weingut. Bevor sie zurückkehrte, arbeitete Myra in einem Ausbildungsstall für Dressurpferde in Italien. Mehr und mehr reifte der Gedanke, ins elterliche Weingut zurückzukehren, bis sie sich dazu während der Winzerlehre fest entschloss. Diesen Weg hatte sie ursprünglich nicht geplant, hatte sie doch die viele Arbeit und die grossen Herausforderungen der Arbeit im Weingut von Kindesbeinen an miterlebt. Dennoch könnte sie sich kein anderes Weingut vorstellen, nur vielleicht ein wenig bessere Wetterbedingungen als im Tessin.
«Ein Winzerleben ist kurz – man kann maximal 30 bis 40 Jahrgänge im Leben begleiten.»
Christian Zündel
Aber sie nimmt die Herausforderung an. Der Zusammenhalt der Familie und des Teams, der Austausch mit den umliegenden Winzern spielen eine grosse Rolle. Im Weingut selbst hat jeder seinen Part, jeder lernt aus der Zusammenarbeit. Auch reisen sie gemeinsam zu anderen Betrieben und besuchen viele Degustationen. Christian hat seinen Part nun mehr in der Weinbergsarbeit, was wenig verwundert, da dies doch sein ursprünglicher Einstieg war. Myra wird sich immer mehr auf den Kellerbetrieb einlassen und von seiner Erfahrung profitieren. Beide haben eine klare, sehr ähnliche Sichtweise in der Führung des Weinguts. Auch wenn die biologische Bewirtschaftung im Tessin noch nicht sehr verbreitet ist und grosse Anstrengungen erfordert, ist sie für beide essenziell. Reger Erfahrungsaustausch mit Betrieben auch in vielen anderen Ländern gehört für sie ebenso dazu. Myra profitiert sehr viel von den Erfahrungen ihres Vaters und wird an seiner Philosophie festhalten. Beide teilen die Leidenschaft für das, was sie tun. Eigene Wege sieht sie noch nicht, dafür ist noch viel zu viel zu verstehen, zu behalten und zu lernen. Ein lebenslanger Prozess, um die Qualität der Weine nicht nur zu halten, sondern auch trotz der neuen klimatischen Anforderungen zu steigern. Die Konsequenz, mit der Christian seine biologische Produktionsweise umgesetzt hat, hat viel Geduld und Durchhaltevermögen gefordert. Es wird neue Probleme geben, aber ein Betrieb ohne Herausforderungen wäre frustrierend. Die Natur bietet immer wieder Neues, auf das man sich einstellen muss.
Eine Veränderung gibt es dennoch schon im Weingut: Ab 2019 gehört ein Arbeitspferd in der Weinbergsbearbeitung mit zum Team. Das war auch schon ein Gedanke ihres Vaters, der nun zusammen umgesetzt wurde.
Unsere Favoriten
Chardonnay Velabona Ticino DOC 2016
17 Punkte | 2019 bis 2026
Steht ganz in seiner Jugend mit bereits vielschichtigen und komplexen Aromen. Mediterrane Kräuter und gelbe Früchte wie Aprikose, auch etwas Pfirsich. Voll am Gaumen mit feiner, präsenter Struktur. Kräftig und elegant mit harmonisch integrierter Säure. Braucht nicht nur im Glas Zeit, man sollte diesem Wein auch ausreichend Flaschenreife geben.
Chardonnay Pianelle Ticino DOC 2014
17.5 Punkte | 2019 bis 2024
Bereits etwas mehr Reifenoten in der Nase, feine Salzigkeit mit Noten von Zitrusfrüchten, ein Hauch Thymian aber auch zarte weisse Blüten. Zeigt sich kraftvoll im Glas mit entsprechender Belüftung. Delikat und harmonisch am Gaumen. Sehr elegant. Kompakte Struktur mit Noten reifer, gelber Frucht, etwas Butterkaramell. Saftige Struktur mit feiner Säurenote.
Merlot Sass 2015 Ronco Castelrotto Ticino DOC
18 Punkte | 2019 bis 2028
Dieser Einzellagen-Merlot ist ganz grosses Kino, zeigt er doch was in den Gneislagen steckt. Betört mit dem Duft dunkler Beeren, Sauerkirsche, sehr intensiv und animierend. Bald zeigen sich auch würzige Noten, etwas Rauch. Elegant und seidig am Gaumen mit komplexer und harmonischer Struktur. Sehr klar und präzise. Kraftvoll, mit feinen Tanninen.