Birte Jantzen über Biodynamie

Die böse Biodynamie

Text: Birte Jantzen

Er wird von seinen Kritikern immer mal wieder gerne mit Rechtsextremismus und Hirngespinsten in Verbindung gebracht: der biodynamische Weinbau. Solche Aussagen sind schlicht und einfach närrisch. Vielmehr ist Biodynamie eine der spannendsten Alternativen zum konventionellen Weinbau des 20. Jahrhunderts. 

Immer wieder gerät der biodynamische Weinbau ins Kreuzfeuer: Die Winzer seien Esoteriker, Anhänger von Pseudowissenschaften, dem Sektentum zum Opfer gefallen oder gleich dem Rechtsextremismus untertan. Solche Aussagen sind nicht nur degradierend und beleidigend, sondern ehrlich gesagt idiotisch, denn sie spiegeln nicht im Geringsten die Realität wider. Nach jahrelanger Beobachtung der biodynamischen Winzer in ihren Weinbergen und Kellern kann ich aus praktischer Erfahrung heraus sagen: Der biodynamische Winzer ist ein Winzer wie alle anderen auch, vielleicht sogar die wortwörtlichste Verkörperung von «down to earth». Die allermeisten sind nämlich nicht durch abstruse Theorien auf die Biodynamie gekommen, sondern durch Verkostung biodynamischer Weine mit Kollegen und Freunden. Es war die Qualität der Weine, die sie überzeugte, dazu brachte, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und letztlich die Prinzipien im Weinberg umzusetzen.

Warum also all die Vorurteile gegenüber der Biodynamie?

Schlicht wegen Rudolf Steiner (1861 bis 1925). Er schuf ein ebenso umfangreiches wie polarisierendes Lebenswerk, wo Genie und Abstruses sich stets die Hand reichten. Im Juni 1924, ein Jahr vor seinem Tod, hielt er in Koberwitz bei Breslau eine Reihe von Vorträgen, welche die Grundlagen für die biologisch-dynamische Landwirtschaft legten. Sie wurden stenografiert, lange geheim gehalten und erst 1963 veröffentlicht. So war es Steiners Weggefährte, Ehrenfried Pfeiffer, der 1938 als Erster ein Buch über biologisch-dynamische Prinzipien veröffentlichte. Die darin aufgeführten Ideen standen bewusst im krassen Gegensatz zu der sich anbahnenden Industrialisierung der Landwirtschaft, die allmählich den ländlichen Traditionen den Boden unter den Füssen wegzog und schon damals als problematisch für die Umwelt angesehen wurde.

Langsam fand die Biodynamie erst ihren Weg in die Landwirtschaft, ab den 1960er Jahren dann in den Weinbau, wo sie sich in der Praxis zu einer naturnahen Weinbauphilosophie mauserte. Sie setzt auf Nachhaltigkeit, Kompost, spezifische Präparate, einen absolut minimalen Einsatz von Kupfer – weit unter dem, was im konventionellen Weinbau erlaubt ist – und das Arbeiten im Einklang mit Bodenleben, Natur, Wetter und Mondphasen. Fakt ist, dass die angewandte Biodynamie in der Praxis nicht mit Anthroposophie gleichzusetzen ist. Sehr schön zusammengefasst hat es der Verband Biodyvin: «Beim biologisch-dynamischen Anbau geht es in erster Linie um die Pflege der Erde, darum, ihr Gleichgewicht zu sichern und harmonische Lebensbedingungen zwischen Erde, Pflanze und Umwelt zu schaffen.» Das klingt verdammt nach den Grundprinzipien der Nachhaltigkeit, welche heute aufgrund von Klimawandel und Artensterben mehr denn je im Mittelpunkt unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens stehen sollte.

Im Kontrast dazu: Um Ernte und Erntevolumen sicherzustellen, basiert der konventionelle Weinbau auf agronomischer Optimierung, Mechanisierung, dem Einsatz von Mineraldünger, von Pestiziden und von Herbiziden. Die genaue Zusammensetzung, der Wirkungsgrad und die Toxizität der «zid»-Produkte werden dank des Prinzips des Betriebsgeheimnisses faktisch verschwiegen. Wie praktisch. Während des gesamten 20. Jahrhunderts galt konventionell als das Nonplusultra der modernen Landwirtschaft, und tatsächlich garantierte es dem Weinbau nach Phylloxera, zwei Weltkriegen und einer Weltwirtschaftskrise das Überleben. Allerdings haben diese einst so bewunderten Prinzipien mittlerweile an Aura eingebüsst, vor allem wegen ihrer negativen Auswirkungen auf Umwelt, Wasserqualität, Biodiversität und Bodenleben.

Sicher, der biodynamische Winzer arbeitet viel mit natürlichen Präparaten, deren Herstellung und Anwendung äusserst originell ist. Nicht alles lässt sich rational erklären – zumindest noch nicht. Mittlerweile gibt es jedoch Langzeitstudien, zum Beispiel an der Universität Geisenheim, bei denen die Biodynamie im Vergleich (konventionell, bio, biodynamisch) über 20 Jahre deutlich besser abschneidet als konventioneller Weinbau, das Ganze getoppt von ersten faktischen Erklärungsansätzen. Tja, liebe Kritiker, wie es aussieht, sind die Biodynamiker am Ende auch nur Pragmatiker, aber halt mit einem natürlichen Extra. Und ich muss sagen: Die Weine sind zum Grossteil ein Fest für die Sinne – Zind Humbrecht, Pontet-Canet, Odinstal, La Romanée-Conti... Darauf prost!

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