Harald Scholl über die ProWein
Keep calm and carry on
Text: Harald Scholl
Dieser Klartext hätte problemlos schon vor acht Wochen geschrieben werden und erscheinen können. Die diesjährige ProWein war eine Pleite, bevor sie überhaupt ihre Türen öffnete, so die ungefragte Meinung der Auguren. Zu teuer, zu gross, zu langweilig. Mit der teutonischen Freude am Missmut allein ist das nicht zu erklären.
Die Absagen im Vorfeld häuften sich in schneller Folge. In Gesprächen mit Winzern, Weinhändlern und journalistischen Kollegen zeigte sich eine grosse Unlust, in diesem Jahr nach Düsseldorf zu reisen, um an der ProWein teilzunehmen oder sie auch nur zu besuchen. Die Gründe dafür waren vielfältig, die Kosten spielten dabei die grösste Rolle. Das ist durchaus nachvollziehbar, der Preisaufschlag bei den Hotelzimmern während der Messe ist mit bis zu 400 Prozent mehr als happig, die Standgebühren liegen weit über dem, was sich ein Normalsterblicher vorstellen kann. Dass das Messegelände mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht wirklich gut zu erreichen ist und die Parkplatzsituation auch Luft nach oben lässt, weiss jeder langjährige Besucher. Den Streik im ÖPNV am zweiten Messetag kann man der Messe nicht ankreiden, erwähnt sei er der Ordnung halber dennoch. Alles in allem keine idealen Voraussetzungen für die nach eigener Aussage wichtigste Weinmesse der Welt. Und alles so weit bekannt und Routine. Ebenso das Fazit der Messegesellschaft, die in der ProWein wieder mal einen Erfolg sah. Die Besucherzahl konnte im Vergleich zum Vorjahr auf 49 000 gesteigert werden, von den Zahlen aus den Vorjahren (2018: über 60 000) ist man aber noch ein Stück entfernt. Wirklich? Oder ist es nicht eine ganz normale Entwicklung, dass sich Besucherzahlen auch nach unten orientieren können? Oder ist es zwingend, dass es immer nur aufwärts geht? Sind absolute Besucherzahlen überhaupt ein Gradmesser für Qualität, um die es den Besuchern und Ausstellern doch eigentlich geht? Die blanken Zahlen mögen für die Messegesellschaft wichtig sein, sie sind es nicht für die Aussteller.
Wenn man trotz aller Unkenrufe nach Düsseldorf reiste und dann doch durch die Messehallen schlenderte, sah man in diesem Jahr sicher etwas weniger Menschen als in einigen Vorjahren. Aber: Man sah vor allem sehr viel weniger «Weintouristen». Ohne irgendwem zu nahe zu treten – trinkfreudige Amateure, die Winzer und Stände belagern, sind für Profis kein wirkliches Qualitätsmerkmal, die Kollegen der Messe in Verona können davon ein Lied singen. Denn die ProWein ist eine Fachmesse, keine Publikumsmesse. Das muss man in der Tat immer wieder deutlich sagen. Die Qualität der Besucher und der Gespräche war jedenfalls wesentlich höher als in der Vergangenheit, die Geschäfte scheinen sich dem angepasst zu haben. Viele Aussteller berichteten von zwar weniger Andrang, aber dafür intensiveren Gesprächen, von kenntnisreicheren und besser vorbereiteten Besuchern. Einige Winzer aus Österreich sagten beim Blick in ihr Auftragsbuch wörtlich: «Das war die beste ProWein ever!» Und um auch ein wenig Eigenwerbung zu machen: Der VINUM-Stand und unsere Seminare waren bestens besucht, einige Termine waren regelrecht überlaufen. Von schlechter Stimmung war bei den Besuchern vor Ort nicht wirklich etwas zu spüren.
Qualität vor Quantität
Vielleicht ist das die eigentliche Stärke der ProWein: Als Barometer der Weinbranche funktioniert sie im Grunde ganz prächtig. Hier lassen sich neben all dem für die Branche so wichtigen «Business» sehr schön Entwicklungen, wenn nicht Trends erkennen. Ja, es wird sicher weniger Wein konsumiert, aber die Qualität der einzelnen Weine steigt. Ja, Wein wird teurer, aber der bewusste Konsum und die Kenntnis der Weintrinker nehmen zu. Die Weinwelt driftet auseinander, viele Weintrinker sind auf der Suche nach möglichst billigen Tropfen, eine Art Preissensibilität bis hin zum Geiz ist die eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite herrscht ein fröhliches «Koste-es-was-es-wolle», aufwändige Cuvées, Spezial-Weine und Exklusiv-Abfüllungen nehmen zu. Also – alles ganz normal auf der ProWein 2023, sie hat ihre Aufgabe erfüllt. Und wer sofort nach Bekanntgabe des nächsten ProWein-Termins sein Hotelzimmer gebucht hat (so wie wir), zahlt auch keinen Messeaufschlag. Es ist auch ziemlich sicher, dass die fröhliche Reisegruppe aus bekannten VDP-Jungwinzern, die sich statt nach Düsseldorf ins Napa Valley aufgemacht hatte, im nächsten Jahr wieder mit dabei ist. Haben sie uns jedenfalls gesagt. Es ist also alles ganz normal. Und wir sehen uns vom 10. bis 12. März 2024 in der überfüllten Strassenbahn in Düsseldorf.
Ich freu’ mich drauf!
Sprechen auch Sie Klartext!
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