Harald Scholl spricht Klartext!

Fragwürdiges Weinwissen im Netz

Text: Harald Scholl

Dem Philosophen Konfuzius wird der Satz «Der Weg ist das Ziel» zugeschrieben. Das mag in vielen Lebenssituationen durchaus richtig sein, aber dass es ebenso richtig sein kann, dass der Weg egal ist, zeigt die Informationsflut zum Thema Wein. Da kommt es weniger auf den Weg der Information an, sondern nur auf ihre Qualität.

Wer sich nicht ausschliesslich über gedruckte Weinpublikationen über die Entwicklungen in der Weinwelt auf dem Laufenden hält, wer also auch Newsletter liest, im Internet stöbert oder sich in den Foren der sozialen Medien bewegt, hat sicher schon die Erfahrung gemacht, dass die Qualität der Information zu Stirnrunzeln Anlass geben kann. Das ist eine Tatsache, die auch in allen anderen Bereichen gilt. Sei es Politik, Wirtschaft, Finanzen oder Auto. Völlig gleich wofür man sich interessiert, irgendwer hat garantiert etwas dazu geschrieben. Und im Zweifel hat er oder sie sogar eine Meinung, die der Menschheit unbedingt mitgeteilt werden muss. Dagegen ist im Prinzip auch überhaupt nichts einzuwenden, denn ungeachtet der bisweilen gewöhnungsbedürftigen Umgangsformen, finden sich dort immer wieder auch substanzielle Informationen. Das muss man selbst als altgedienter Journalist eingestehen. Dabei ist völlig egal, welcher Weg der Kommunikation gewählt wird. Gerade digitalen Medien wie Facebook, Insta­gram und Newslettern wird gerne in Sachen Inhalt – dem Content, wie er heute genannt wird – Beliebigkeit und Unzuverlässigkeit vorgeworfen. Ganz im Gegensatz zum bedruckten Papier, dem nach wie vor eine gewisse Seriosität und Verlässlichkeit zugeschrieben wird. Wer sich allerdings die Berge völlig belangloser und ohne Aufforderung zugestellter Druckerzeugnisse anschaut, wird auch hier keine wirklich relevante Information finden. Ausser vielleicht ein Sonderangebot für Bananen im nächstgelegenen Discounter. Nein, Papier ist keine Garantie für inhaltliche Qualität. Und ebenfalls nein, das Internet ist keine Garantie für inhaltlichen Blödsinn. Das gilt auch für alle Informationen, Meinungen und Expertisen rund um das Thema Wein.

Qualitatives Weinwissen lässt sich durchaus im Netz finden

Das beste Beispiel dafür, dass es nicht auf den Weg der Vermittlung von Information, sondern deren Inhalt ankommt, ist Louisa Maria Schmidt. Sie wurde im VINUM-Weinmagazin gerade erst zu einer der 25 Weinpersönlichkeiten des Jahres gewählt. Eine Wahl, die von vielen weinaffinen Menschen kritisch kommentiert wurde. Unter ihrem Pseudonym #bringflavorhome spricht Louisa ein sehr junges Publikum an und versteht es, wie wenige andere, viele Berührungsängste abzubauen. Sowohl ihre Kommunikationskanäle wie auch die Inhalte sind dabei durchdacht und fundiert. Sie hat an der Weinuniversität in Geisenheim studiert, sie weiss, wie Wein gemacht wird, wie er verkostet wird und wie man darüber berichtet. Ob dem Publikum Ü60 das gefällt, ob ihre Botschaften hier gehört und gelesen werden, ist dabei völlig nebensächlich. Wenn sie es mit ihren Postings, Videos und Grafiken schafft, junge Menschen für Wein zu begeistern, sollte man ihr eher applaudieren, als ihre unbekümmerte und gewiss manchmal auch vorlaute Art zu verurteilen. Louisa weiss, wovon und worüber sie spricht, wer sie einmal bei einer Verkostung erlebt hat, schätzt sie als kritische Zunge. Deren Wissen über das Durchschnittliche weit hinausgeht.



Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten

Das ist der eigentliche Punkt in der Diskussion. Viele etablierte Weinmedien und Weinfachleute haben es sich über Jahre in ihrer Blase gemütlich gemacht. Man war sich über Jahrzehnte selbst genug, zeigte sich mit den regelmässig erscheinenden Druckprodukten zufrieden. Die Entwicklungen – nicht nur in der Medienwelt – wurden dabei gerne ausgeklammert, das muss man durchaus selbstkritisch feststellen. Dummerweise haben äussere Einflüsse dafür gesorgt, dass sich die Dinge in Richtung nichtgedruckter Kommunikation enorm beschleunigen. Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Der Preisanstieg von über 40 Prozent (!) für Papier hat auch in unserem Verlag manche Diskussion darüber ausgelöst, wie wir den Leser künftig auf kostengerechte Weise erreichen können. Keine Sorge, es wird VINUM selbstverständlich weiter auf Papier gedruckt geben. Trotzdem wird unser digitales Angebot kontinuierlich weiter ausgebaut. Denn digitale Kommunikation hat die unschlagbaren Vorteile, dass die Kosten für die Distribution deutlich geringer sind und das Tempo um ein V­ielfaches höher ist. Aber wie schon angemerkt, es geht nicht wirklich um den Weg der Information. Den kann sich der Leser oder User nach eigenem Geschmack selbst aussuchen. Was er sich ebenso aussuchen kann, ist die Qualität der Information. Und die muss zuverlässig geliefert werden. Sonst nichts.

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