Trinken, kochen, essen

Chorizo, Patatas, Pimientos – und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: FoodStock / Ewgenija Schall

Die Rioja hat beileibe nicht nur Wein zu bieten. Hier trifft baskische Esskultur auf Mittelmeer-Lebensart, mischen sich Tapas und Pintxos, kommen neben Fleisch und Fisch viel Gemüse und Hülsenfrüchte auf den Tisch. Denn der Atlantik, das Mittelmeer und der Windschatten des Iberischen Gebirges sorgen für ein im spanischen Kontext mildes Klima, Ebro, Oja und ihre Nebenflüsse ausserdem für ausreichend Wasser. Das Ergebnis ist eine Küche, die auf den ersten Blick einfach wirkt, durch eine Vielfalt von kulturellen Einflüssen jedoch von grosser Komplexität ist.

Grundsätzlich wird hier gern, unkompliziert und dabei gut gegessen und getrunken. Die Gemüsegärten entlang der Flusstäler, die Schafherden im Gebirge, dazu Rinder und Schweine, der Fisch aus den Gebirgsbächen und vom Atlantik, traditionell getrocknet und gesalzen, doch heute längst auch frisch, all das verbindet sich zu einer vielfältigen, verführerischen Kulinarik. Diese passt grossartig zu den Weinen der Rioja, die sich nach der kleinteiligen Landwirtschaft von einst bestens in die Moderne eingefunden hat – und von der man sich auch trefflich am heimischen Tisch und Herd inspirieren lassen kann.

«Mich erinnert die Rioja an New York: Egal wie oft man hinfährt, es wird nie langweilig, und man entdeckt stets etwas Neues.»

Thomas Götz, Spanien-Weinexperte

Das kann ganz unkompliziert, erschwinglich und schnell sein oder grosses kulinarisches Kino, in der Rioja und zum Rioja geht immer beides. Bestes Beispiel für Ersteres: Kartoffeln. Die werden als Patatas a la Riojana mit Tomaten und den allgegenwärtigen roten Pimientos zu einem Hochgenuss und sind mit einem Joven, einem jungen Rotwein, wahrhaft alltagstauglich – Chorizo, die paprikawürzige Wurst, schadet dabei keinesfalls! Feiner, aber ebenso vergnüglich und in der Rioja beinahe genauso allgegenwärtig wie Paprikaschoten: Lammkoteletts, Chuletillas de Cordero, über Rebholz gegrillt, und in den Gläsern eine feingereifte Reserva. Zu den immer stärker ins Rampenlicht rückenden Weiss- und Rosé­weinen wiederum passt der seit Jahrhunderten beliebte Bacalao, getrockneter Kabeljau, und es locken Schnecken, das einstige Armeleute-Essen.

Rioja, das ist aber immer und unbedingt auch Gemüsiges: ­Calahorra im Nordosten der Region an der Grenze zu Navarra gilt als Gemüsehauptstadt Nordspaniens und ist besonders für ihren Blumenkohl berühmt. Neben vielen historischen Spuren der Römer und Mauren bietet die Stadt ein spannendes Museo de la ­Verdura, ein dem Gemüse gewidmetes Museum, wo sich neben dem Coliflor, dem Blumenkohl, viel über den Anbau von Artischocken und Spargel, Karden, Champignons und selbstverständlich Pa­prikaschoten lernen lässt. Und dann ist da noch der Käse von den steinigen Höhen der Tierra de Cameros im Süden des Gebiets, wo Schafe und vor allem Ziegen das menschliche Dasein ermöglichten. Bis ins 13. Jahrhundert lässt sich das zurückverfolgen: «Manche Gegenden geben Wein, andere Geld, diese Getreide, jene Schafe… aber überall in den Cameros gibt es Käse», schrieb damals der riojanische Dichter Gonzalo de Berceo, und sicher ist diese Lebensform noch viel älter. Heute fängt insbesondere der Queso Camerano, ein kleiner runder Käse aus reiner Ziegenmilch, der von ganz frisch bis ausdrucksvoll gereift angeboten wird, diesen selbst für Reben zu ex­tremen, unwirtlichen Teil der Rioja ein. La Rioja – es gibt hier nicht viel, was es nicht gibt, und schon gar nichts, wozu sich nicht ein Wein fände.


Aus der Region

Der kulinarische Ruf der Rioja ist an sich ein deftiger, für arbeitende Menschen mit Appetit. Auf der Basis von Bohnen – insbesondere die lokalen Sorten ­Caparrónes und Pochas – entsteht zusammen mit Kohl, Schweinefleisch und Kartoffeln eine Vielzahl gehaltvoller Eintöpfe, teils ergänzt durch Wild ausden Weinbergen, teils durch Chorizo-Würste, und immer akzentuiert von scharlachroten Paprika und Tomaten, den Aromen des Südens.  

Pimientos Riojanos

Najerano-Paprika sind eine ganz eigene, alte Sorte aus den Tälern von Rioja, wo sie fast ausschliesslich angebaut werden. Die leuchtend roten Schoten sind gut handlang, spitz zulaufend, mit dünnem Fruchtfleisch – und vor allem köstlich! Nicht scharf, sondern intensiv gemüsig, nahezu süss. Als «IGP Pimiento Riojano» rechtlich geschützt, werden sie traditionell über Holzfeuer geröstet, von Hand entkernt und in Streifen geschnitten im eigenen Saft konserviert. Auf Brot ergeben sie eine schnelle Tapa, ergänzen und würzen aber auch Fisch, Fleisch und andere Gemüse hervorragend; für die Patatas a la Riojana spielen sie, neben Kartoffeln und Chorizo, eine tragende Rolle.

Morcilla Dulce

In ganz Spanien lässt es sich trefflich darüber streiten, wo die beste Morcilla zuhause ist, denn Blutwurst gibt es einfach überall und in zahllosen Varianten: Eintöpfe und Schmorgerichte, Brühen und Sandwiches, Spiegeleier und Grillgerichte werden damit gewürzt. Eines der beliebtesten Gerichte in der Rioja ist die ungewöhnliche Morcilla Dulce mit Reis oder Semmelbröseln, Pfeffer, Zimt, Nelken, Muskatnuss und Zucker – als besonderen Luxus auch mit Pinienkernen. Viele Riojaner verbinden damit Erinnerungen an die Kindheit, als es bei den Grosseltern eine Scheibe der auf dem Dachboden hängenden Morcilla als Dessert gab.


Klassische Mariage: Lomo en Adobo

Rotorange mariniertes Schweinefilet in dünnen Scheiben ist das traditio-nelle Fastfood der Rioja, schnell über Rebholz gegrillt und als Montado de Lomo im Sandwich serviert. Wichtigster Bestandteil der Marinade: der heimische, süss-würzige Pimentón.

Zur Marinade hinzu kommen Oregano, Thymian und Knoblauch, die mit dem Pimentón und Salz sowie Olivenöl zu einer Paste gemischt werden. Das Fleisch wird damit gründlich und reichlich eingerieben und mindestens über Nacht, besser aber mehrere Tage mariniert. Dann wird das Fleisch im Ganzen oder in dünnen Scheiben gegrillt. Aufs Brot, ein paar Tropfen Zitrone – dann fehlt nur noch der Wein. Und zwar weisser, frischer! Diesen gibt es in der Rioja immer mehr und in immer besserer Qualität, vor allem aus Viura (aka Macabeo) mit ­Malvasia. Gelbe Fruchtaromen, die an Aprikosen und Pfirsiche erinnern, tanzen hier mit Kräutern und knackigen Äpfeln. Typischerweise lange getragen von einer lebhaften und doch nicht harten oder grünen Säure, unterstreicht das noch den kleinen Kick der Zitrone und hebt die Pimentón-Würze hervor.

Dazu: weisser Rioja aus Viura und Malvasia Gelbgrüne Fruchtaromen und frische Säure beleben und unterstreichen die Würze der Marinade und lassen den Lomo leicht und elegant erscheinen; ein perfektes Tapas-Pairing.


Neue Mariage: Mit Knoblauch gebratener Blumenkohl

Gebratener Blumenkohl ist keineswegs eine moderne Erfindung, sondern in südlichen Gefilden seit langem beliebt. Öl, Knoblauch und Hitze nehmen den weissen Röschen jegliche «kohligen» Missklänge und machen daraus einen hervorragenden, schnell zubereiteten Apéro-Snack.

Traditionell fungieren die Hänge und Täler der Rioja nicht nur als Quelle für Wein, sondern auch als Gemüse- und Obstgärten für Städte in der Ebene, wie Burgos, Madrid und Salamanca. Gemüsegerichte sind daher ein fester Bestandteil des riojanischen Küchenrepertoires; es wird gesagt, Minestra und Ratatouille hätten hier ihre Wurzeln. Der Blumenkohl wird knackig gekocht, in mit viel Knoblauch aromatisiertem Olivenöl gebraten, bis er leicht bräunt, und dann mit gehackter Petersilie, Salz, Pfeffer und etwas Essig gewürzt. Dazu passt sehr schön und vergnügt ein Rioja Rosado der neuen, feinen, leichten Art, etwa aus in Höhenlagen gewachsenen Garnacha-Trauben, so dass sich im Glas viel Charakter mit relativ wenig Alkohol paart.

Dazu: Rioja Rosado Fein und hellfarbig duften frische rote Früchte mit Knoblauch und Petersilie um die Wette, während die Säure die Röschen belebt, der Wein aber doch genügend Kraft hat, um Olivenöl und dezente Röstaromen aufzufangen.