Spitzengut von Welt
Château Lagrange
mit Matthieu Bordes
Lagrange in Saint-Julien ist eine franko-japanische Erfolgsstory. Das Gut gehört nicht nur zu den grössten des Médoc und damit von Bordeaux, sondern auch zu den besten und beständigsten. Mit einem neuen japanischen Küchenchef zelebriert das Gut Internationalität.
Ich denke, ich verrate ein offenes Geheimnis, wenn ich sage, dass es mit Lagrange Anfang der 1980er Jahre nicht gerade zum Besten bestellt war. Es brauchte einen Unternehmer mit Visionen und dem Mut und dem Rückgrat zu langfristigen Investitionen, um aus dem schlummernden Dornröschen das heutige Mustergut von über hundert Hektar zu machen. Nur ein Konzern mit den nötigen Mitteln konnte dies tun. Dass Lagrange 1983 von der japanischen Suntory-Gruppe übernommen wurde, erweist sich heute klar als Glücksfall. Suntory ist keine Sternschnuppe. Das Getränkeunternehmen, unter anderem ebenfalls zu je 50 Prozent an Château Beychevelle und dem Bordeaux-Handelshaus Barrière Frères beteiligt, wurde 1899 gegründet.
Lagrange steht in japanischem Besitz, doch es ist zuerst einmal ein Gut in Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich, ein historisches Cru Classé 1855. Der japanische Vertreter vor Ort, Vizepräsident Keiichi Shiina, lebt seit 14 Jahren in Bordeaux. Sein Büro liegt gleich neben meinem. Keiichi Shiina ist ein Geniesser, er schätzt Frankreich und französische Lebensart und hat grossen Respekt vor unserer Kultur und Geschichte. Das ist symptomatisch für die Art und Weise, wie Suntory Lagrange betreibt. Ein Beispiel: Auch Besitzer Suntory erwirbt seine eigenen Weine über den Bordelaiser Handel, über die Lagrange vertrieben wird, und respektiert damit ein altes Verteilsystem, das immer noch bestens funktioniert. Suntory will nicht, dass Lagrange als japanisches Gut angeschrieben wird. Die japanische Seele wirkt gleichsam unter der Haube: Mit Respekt vor Tradition, Ehrlichkeit, Beständigkeit, Liebe zu gut gemachter, qualitativ hochstehender Arbeit.
Dazu kommt der Sinn für Gastfreundschaft. Die klassierten Güter haben sich in den letzten Jahren dem Publikum geöffnet. Lagrange mit seinen Gästezimmern macht da keine Ausnahme. Wir servieren hier über hundert Mahlzeiten im Jahr. Wir haben daher seit langem einen eigenen Küchenchef. Und wir werden diesen Teil weiter ausbauen. Gastfreundschaft gehört einfach zu einem Weingut dieser Klasse. Wir empfangen hier Kunden, Kunden unserer Kunden, Gruppen von Weinfreunden, die Presse.
Vor sechs Monaten ist Taichi Sato zu uns gestossen, ein waschechter Japanimport. Das ist neu, doch irgendwie faszinierte uns die Idee, hier vermehrt eine Art Fusion aus japanischer und europäischer Küche zu betreiben und unsere Internationalität unter Beweis zu stellen. Nach zwei Monaten streifte Taichi Sato bereits durch die angrenzenden Wälder und suchte Pilze, legte seinen eigenen Gemüsegarten an, unterhielt gute Beziehungen zu lokalen Lieferanten der besten Grundprodukte und reaktivierte unseren Teppanyaki-Pavillon, der etwas in Vergessenheit geraten war. Dabei handelt es sich um eine Art Tischgrill, um den die Gäste sitzen und bei der Zubereitung zusehen können. Ein typisches Beispiel für ein Gericht der saisonalen Fusionsküche, das er auf dem Teppanyaki zubereitet hat (siehe vorhergehende Doppelseite): zartes Limousine-Rindersteak auf japanische Art gegrillt, begleitet von frischen Waldpilzen und den ersten zarten Spargeln aus Blaye.
Und natürlich servieren wir unsere Weine dazu. Unsere Palette wird mit jedem noch so komplexen Menü fertig! Dem langjährigen Verwalter Marcel Ducasse ist zu verdanken, dass wir hier auf Lagrange schon seit 20 Jahren auch einen ausgezeichneten trockenen Weisswein produzieren, den Les Arums de Lagrange. Wir gehören diesbezüglich zu den Pionieren, denn mittlerweile bauen auch etliche andere Médoc-Güter Weisswein an. Unser trinkiger Haut-Médoc, von Reben, die etwa fünf Kilometer weiter liegen, ist der Türöffner zum Lagrange-Universum. Der Zweitwein Les Fiefs de Lagrange und der eigentliche Grand Vin, beides klassische Saint-Julien, der eine etwas früher trinkbereit, der andere besonders langlebig und komplex, doch immer elegant und ausgewogen, sind dessen Krönung.