Das Gourmet-Interview
Besuch bei Boris Rommel
Interview: Rudolf Knoll, Fotos: Roland Bauer
Das Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe bei Öhringen im Hohenlohe-Kreis ist seit Jahrzehnten eine kulinarische Top-Adresse. Im dortigen Gourmet-Restaurant «Le Cerf» wird jetzt unter Küchenchef Boris Rommel, 35, mit zwei Michelin-Sternen seit 2017 an die glorreichen Zeiten unter Regie des legendären Lothar Eiermann (ging 2008 in den Ruhestand) angeknüpft.
Sie sind in Karlsruhe geboren. Wird man da automatisch ein Fan des Karlsruher Sportclubs?
Das bin ich in der Tat und habe auch zwölf Jahre lang in der Jugend in Hagenbach in der Pfalz gekickt. Aber mein Talent als Koch war dann doch ausgeprägter als im Fußball.
Sind Sie familiär auf diesem Feld vorbelastet?
Ein bisschen schon. Mein Vater führte ein Naturfreundehaus mit Gaststätte. Da gab es die ersten Berührungspunkte mit gutem Essen unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit.
Sie waren als Kochlehrling in bekannten Häusern. Was hat Sie besonders geprägt?
Im Erbprinz in Ettlingen wurde der damalige Küchenchef Wolfgang Pfeiffer zu meinem Mentor, der mir auch nach der Lehrzeit immer noch Tipps gab. Im Freiburger Colombi pflegte Alfred Klink eine alte, durchaus strenge Schule. Sie wäre vielleicht heute nicht mehr ganz zeitgemäß, war aber wirkungsvoll. Und im Bareiss war die Perfektion der Abläufe beeindruckend. Im Colombi hatte ich auch einen Spitznamen weg: Küchen-Fuchs, wegen meines Namensvetters Feldmarschall Erwin Rommel, der nach einem Afrika-Feldzug Wüstenfuchs genannt wurde. Aber verwandt mit ihm oder dem langjährigen Oberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel, ist meine Familie nicht.
Nach einem Intermezzo als zweiter Mann in Friedrichsruhe haben Sie sich selbstständig gemacht? Wie kam es zum Comeback? Hatten Sie genug von der Selbstständigkeit?
Nun ja, am Ende blieb im eigenen Restaurant kaum etwas übrig. Aber man hat bei mir angeklopft, weil ich offenbar vorher schon einen guten Eindruck gemacht hatte.
Sie sind nicht nur für das Gourmet-Restaurant zuständig, sondern auch für drei weitere Gaststätten im Wald- und Schlosshotel. Ist das gut unter einen Hut zu bringen?
Das ist es, weil wir ein sehr gutes Team mit einer lockeren Hierarchie haben. Jeder hilft jedem. In der Freizeit sind wir ebenfalls oft beisammen. Das stärkt die Mannschaft.
Ihr habt sicher den zweiten Stern intensiv gefeiert…
Aber ja. Das war schon ein Highlight für uns alle. Wir dachten auch nicht, dass es so schnell funktioniert. Wir wurden vorher viermal von einem Michelin-Tester besucht, ehe die Entscheidung fiel. Schön war es, dass die gesamte Eigentümer-Familie Würth, die auch sonst relativ häufig zum Essen kommt, mit uns feierte.
Das Ambiente und der Service trugen zum Aufstieg bei. Aber mit welchem Küchenstil haben Sie die Tester überzeugt? «Le Cerf» bedeutet Hirsch. Haben Sie mit Wild besonders beeindruckt?
Wild ist das Logo unseres Hauses, deshalb der Name, aber Wild ist kein Schwerpunkt unserer Küche, obwohl wir Jäger haben, die uns beliefern. Ich denke, man kann meinen Stil als klassisch französisch bezeichnen, modern angehaucht, mit regionalen Elementen, aber ohne Chichi. Auch Friedrichsruhe-Klassiker haben wir immer wieder mal auf der Karte, etwa den berühmten Gänseleber-Gugelhupf von Lothar Eiermann, nur in einer Mini-Version.
Gutes Stichwort: Gibt es einen Kontakt zum früheren langjährigen Chef des Hauses?
Er kommt öfter mal vorbei, manchmal sogar durch die Hintertür einfach rein in die Küche, und freut sich offenbar, dass bei uns alles gut läuft.
Welche Gerichte sind die Favoriten der Gäste?
Dazu gehört sicherlich das Rinderfilet Rossini, das Filet Wellington und der Loup de Mer im Salzteig, Speisen, die wir auch gern am Tisch anrichten.
Holen Sie sich oft Inspirationen durch Besuche anderer Häuser?
Sterne-Küche steht einige Male im Jahr auf dem Programm. Ein Problem ist, dass meine Ruhetage Sonntag und Montag die Ruhetage vieler Kollegen sind. Aber wir haben in der Gegend auch gute Häuser mit normaler schwäbischer Küche.
Haben Sie besondere Vorlieben?
Nicht erschrecken, ich mag besonders Innereien. Kalbsleber haben wir selbst immer wieder auf dem Programm. Aber ich schätze auch Kutteln, saure Nierle und gebratene Blutwurst.
Und was würden Sie nie anrühren?
Gräuel habe ich vor Dosenravioli, die musste ich in der Jugend immer wieder mal essen. In einem Hamburger-Haus war ich schon über zehn Jahre nicht mehr. Aber ich habe nichts gegen eine Pizza oder einen Döner, wenn sie gut sind.
Wie schaut der kulinarische Tagesablauf eines Zwei-Sterne-Kochs aus?
Ich bin schon um 9 Uhr in der Küche. Vorher gab es zum Frühstück Kaffee und ein belegtes Brot. Bis zum Nachmittag wird durchgearbeitet. Unsere Gourmet-Mannschaft startet um 14 Uhr. Am Abend bin ich bis 23 Uhr aktiv. Dazwischen gibt es Personalessen, mal eine Vesperplatte oder Kasseler, ein Cordon bleu.
Hört sich nach Berufsstress an. Gibt es eine Frau in Ihrem Leben, die das versteht?
Die habe ich. Angelika kommt aus der Branche und hat schon deshalb Verständnis für meinen Beruf, weil sie Leiterin des Marketings im Haus ist. Im nächsten Jahr wird im Übrigen geheiratet.
Bleibt neben dem Beruf noch Zeit für Hobbys?
Wenn man so etwas als Hobby bezeichnen kann, dann ist es Gartenarbeit. Reben gibt es nicht. Aber ich mähe den Rasen, jäte Unkraut, schneide Pflanzen zurecht, hege Tomaten …
Welche Beziehung haben Sie zum Wein?
Zuhause in Öhringen habe ich einen kleinen Keller, in dem vorwiegend Rotwein und ansonsten vor allem Riesling liegt. Meiner Meinung nach ist Deutschland im Weißweinbereich gigantisch gut, dazu gehören auch die Württemberger. Ich bin Genusstrinker, kein Kenner und bevorzuge Weißwein. Im Restaurant haben wir einen sehr guten Sommelier, der sich intensiv mit der Weinbegleitung zu unseren Gerichten auseinandersetzt.
Sie sind ein relativ junger Koch. Da bleibt noch Spielraum für Ziele…
Konkrete Ziele haben mein Team und ich eigentlich nicht. Wir wollen uns nur so nach und nach noch weiter steigern.