Traumberuf Kellerkind
Künstler im Keller
Text: Claudia List, Fotos: Claudia List, Hochschule Geisenheim / Winfried Schönbach, Wein.Im.Puls Württemberg
Abwechslungsreich und genussvoll: Das – und vieles mehr – lieben Kellermeister an ihrem Beruf. Dabei übernehmen immer mehr jüngere Menschen die Verantwortung, wie etwa Philipp Kercher in Roßwag, Claudia Rieß im Weinsberger Tal und Tobias Single bei den Fellbacher Weingärtnern.
Philipp Kercher kam über den Zivildienst auf den Geschmack. Den absolvierte er in seiner Pfälzer Heimat Bad Dürkheim bei der Lebenshilfe, zu der ein Weingut gehört. «Dort habe ich gelernt, dass nicht nur Wein trinken ein Spaß ist, sondern auch Wein machen!»
Für Biochemie interessierte sich der Abiturient schon seit längerem. Auch beim Wein wollte er in die Theorie eintauchen und ganz genau wissen, was bei der Gärung vor sich geht. Deshalb entschied er sich, «Weinbau und Oenologie» an der Hochschule Geisenheim in Hessen zu studieren. Mittlerweile ist er Kellermeister der Lembergerland Kellerei Rosswag. Und damit verantwortlich für alle Schritte der Weinbereitung, von der Annahme der Trauben bis zum Abfüllen. Eine Aufgabe, die ihn erfüllt, verbindet sich doch darin Theorie mit dem Handwerklichen. Außerdem schätzt er die «emotionale Seite» des Weins: «Das Wissen und die sensorische Analyse sind die Basis, aber es gehört auch Gespür dazu.»
Er hatte unter anderem im Weinkeller der Vier Jahreszeiten Winzergenossenschaft in Bad Dürkheim gearbeitet, bevor er nach Roßwag kam. Die ersten Monate liegen hinter ihm, er ist zufrieden mit den Weinen und den Abläufen. Dennoch hat er unübersehbare Veränderungen eingeleitet: Zwischen den Stahltanks stehen neue Barriquefässer bereit. «Pfälzer Eiche» prangt darauf – und sie sind nicht das Einzige, was der 32-Jährige aus seiner Heimat mitgebracht hat. Verglichen zu den dortigen Genossenschaften ist Roßwag mit 170 Hektar klein. Deshalb sieht sich Kercher auch eher als Weinmanufaktur, will den Holzfassausbau erweitern, selektiver arbeiten, die Trauben einzelner Parzellen separat ausbauen – und damit die Marke Lembergerland weiterentwickeln. Er freut sich drauf: «So eine spannende Aufgabe wie hier kriegt man nicht alle Tage geboten.»
Auch Claudia Rieß hat sich ganz bewusst für den Keller entschieden. Die Arbeit in den elterlichen Weinbergen in Lauffen war nicht ihr Ding. So machte sie eine Ausbildung zur Weinküferin und ging dann an die Technikerschule in Veitshöchheim, «um mehr in die Tiefe zu gehen und eine Ahnung von Betriebswirtschaft zu bekommen.» Seit 2009 ist sie stellvertretende Kellermeisterin bei den Weingärtnern Willsbach, die mittlerweile zu den «Winzern vom Weinsberger Tal» gehören. In Württemberg ist die 39-Jährige eine der wenigen Frauen in dieser Position. Dabei empfindet sie ihre Arbeit als besonders abwechslungsreich: «Wir koordinieren die Lese, legen die Schritte der Weinbereitung fest, kümmern uns um Zertifikate und werben auf Messen für unsere Weine.» Dass weltweit Weinbau betrieben wird und man im Ausland arbeiten kann, ist für sie ein weiteres Plus. Sie selbst hat schon in Neuseeland und den USA gejobbt. «Da kann man sich richtig austoben!»
Kellermeister Tobias Single hat einen steilen Start hingelegt. Nach dem Abi war ihm klar: Sein Beruf sollte was mit Genuss zu tun haben. Koch kam in Frage, auch Käser konnte er sich vorstellen. Ein Ferienjob in einer Vinothek hat ihn dann zum Wein gebracht. Nach einer Woche Praktikum hat ihm das Fellbacher Weingut Gert Aldinger gleich einen Ausbildungsplatz angeboten. Anschließend studierte Single in Geisenheim, war auf Weingütern im Ausland, bis es ihn wieder zurückzog ins Remstal, das er schätzen gelernt hatte: «Hier kann man überall gut essen und trinken, das ist Lebensqualität für mich», sagt er. Seit wenigen Monaten arbeitet der 28-Jährige als stellvertretender Kellermeister bei den Fellbacher Weingärtnern und rückt nach, wenn sein Chef im Herbst in Ruhestand geht. Dass er im Keller von den Trauben bis zur Abfüllung das Produkt ständig verändern und beeinflussen kann, schätzt er an seinem Beruf. «Wenn der Wein am Ende dann mir und den Kunden schmeckt, bin ich begeistert.»