Das Gourmet-Interview • #gourmetküche #zugastbei
Besuch bei Jörg Sackmann
Interview: Rudolf Knoll, Fotos: Roland Bauer
Er ist seit etlichen Jahren (Michelin-)Sterne-Koch in Baiersbronn-Schwarzenberg im Schwarzwald, treusorgender Vater einer Familie mit zwei Söhnen, zwei Töchtern und fünf Enkeln, muss bald die Feier zu seinem anstehenden 60. Geburtstag verschieben, tritt immer wieder mal im Fernsehen auf und sammelt leidenschaftlich gern Kochbücher. Seit Januar 2020 ist Jörg Sackmann zudem rastloser Bauherr eines prächtigen Hotel-Anbaus.
Herr Sackmann, was hat Sie bewogen, ein gut gehendes, idyllisch gelegenes Hotel mit einem Spitzenrestaurant und vielen Annehmlichkeiten zum Teil in eine große Baustelle zu verwandeln?
Wir haben in der Familie intensiv analysiert, wie es bei uns langfristig weitergehen kann, und dabei sogar über eine Betriebsverlagerung nachgedacht. Aber dann sind wir zum Schluss gekommen, uns langfristig für die Zukunft zu rüsten, nach dem Motto: nicht kleckern, sondern klotzen. Die Situation am Finanzmarkt wird nicht günstiger werden. Wenn nicht jetzt, wann dann?
18 neue Zimmer sind im Entstehen, der Veranstaltungsbereich bekommt Zuwachs. Auf dem neuen Dach wird es mehr Wellness inklusive Sauna und Freiluft-Pool geben. Genießer können bald Weine in einer Weinlounge verkosten. Wann wird das alles fertig sein?
Einen Teil konnten wir bereits vor wenigen Tagen eröffnen. Auf dem erholsamen Dach kann man sich ab Ende Oktober tummeln. Komplett sollten wir nach unserer Zeitplanung kurz vor Weihnachten fertig sein.
Also kurz nach Ihrem 60. Geburtstag, den Sie am 2. Dezember feiern können …
Den werde ich sicher nicht feiern, dafür bleibt keine Zeit. Ich muss mich um zu viele Details im Neubau kümmern. Wir werden am 26.März 2021 offiziell die Eröffnung feiern, dann hole ich auch meine Geburtstagsfeier nach.
Apropos Zeit. Man sieht Sie schon um 8 Uhr morgens in der Küche, um 10 Uhr machen Sie eine Runde durch den Frühstücksbereich, abends um 22 Uhr durch Ihr Sterne-Restaurant Schlossberg. Schaut nach einem 14-Stunden-Tag aus …
Ich habe einen ganz geregelten 8-Stunden-Tag. Der Rest ist Hobby. Aber im Ernst, mein Tag ist nach dem Frühstückskaffee und Orangensaft randvoll mit Besprechungen mit meinem Sohn Nico, der seit 2013 als gleichberechtigter Küchenchef fungiert, mit Planungen, Studieren der Post, Hilfe beim Service mittags und abends und gelegentlicher Autorentätigkeit. Ich habe auch an etlichen Ausgaben der namhaften «Gourmet Edition Willsberger» mitgearbeitet.
Wann waren Sie denn so etwas wie ein Journalisten-Kollege, in der Nacht?
Nein, ich behalte mir einen freien Tag in der Woche vor. Das genügt, um Rezepte und kulinarische Informationen zu verfassen.
Gibt es da nicht ab und zu eine Ermahnung von Ihrer Gattin Annemarie bei dem Stress, den Sie sich antun?
Wir haben uns kennengelernt, als wir beide 15 Jahre alt waren und sie ihre Schwestern besuchte, die bei meinen Eltern arbeiteten. Sie ist seit vielen Jahren voll in den Betrieb involviert. Wir wissen, was wir aneinander haben.
Und Sie wussten immer schon, dass Gastronom Ihre Berufung ist?
Meine Eltern haben mich nicht dazu gedrängt, aber ich wollte nie etwas anderes machen, und ich habe auch sehr viel von meinem beruflichen Werdegang profitiert.
Wer war besonders prägend für Sie?
Ich war bei Legenden tätig, wurde ausgebildet bei Harald Wohlfahrt in der Nachbarschaft in der «Traube Tonbach», war dann bei Henry Levy im Berliner «Maitre» und schließlich in Eckart Witzigmanns «Aubergine» in München. Sie waren echte Vorbilder für mich. Und dann habe ich natürlich viel gelesen. So entstand meine Kochbuch-Lounge, in der wir jetzt sitzen.
Wie viele Kochbücher haben Sie denn ungefähr?
Ich schätze, es sind weit über tausend, aus etlichen Ländern.
Aber doch nicht alle gelesen?
Was denken Sie denn? Natürlich! Greifen Sie mal in die Regale, Sie werden in jedem Buch Merker finden, die zeigen, von was ich mich inspirieren ließ. Oder auch nicht.
Sie deuten an, dass es auch Dinge von internationalen Kollegen gibt, die Sie nicht begeistern …
Ich probiere zwar eigentlich fast alles. Aber es gibt in exotischen Ländern die Verwertung von Ameisen, Käfern und sogar Mücken. Für so etwas kann ich mich überhaupt nicht begeistern.
Aber vielleicht für einen McDings, einen Döner oder Ähnliches?
Das ist nicht meine Sache. Mir ist es nur einmal passiert, dass ich mit meiner Koch-Crew im Bus unterwegs war und das Team am späteren Abend darauf bestand, noch schnell in ein Hamburger-Restaurant einzukehren. Ein guter Bekannter hat mich zufällig gesehen und gleich gefrotzelt …
Das Herauskitzeln von Aromen gilt als Ihre Spezialität. Zu so etwas wird man nicht unbedingt durch Lektüre von Kochbüchern inspiriert, sondern durch Erfahrung bei Speisen. Wie oft genießt Herr Sackmann?
Vor allem, wenn er auf Reisen ist. Wenn ich in einer bedeutenden Stadt irgendwo auf der Welt bin, schaue ich immer nach, wo die besten Restaurants sind. Die werden dann gewissermaßen abgehakt. Und ich habe wieder ein paar neue Anregungen mehr für meine Küche.
Welche Rolle spielt die Regionalität in Ihrer Küche?
Eine sehr große. Ich achte auf eine ehrliche Regionalität meiner Zutaten und kenne viele meiner Lieferanten unter den Bauern persönlich gut. Ich kann mich auch für tollen Käse und eine leckere Butter begeistern.
Wie ist Ihre Beziehung zum Wein, lieben Sie hier auch die Aromen?
Nicht direkt. Aber mein Sommelier Manuel Vogel bindet mich intensiv in das Thema ein. Wir verkosten viele Weine gemeinsam und überlegen uns die Partnerschaften zum Essen. Meine große persönliche Leidenschaft sind reife Weine vom Riesling. Und ich freue mich, dass immer mehr junge Betriebe in Deutschland in der Qualität gewaltig Gas geben. Das betrifft auch die Rotweine, die immer besser geworden sind. Ich bin außer von Riesling ein Anhänger von Spätburgunder.
Sie sind ja in Baiersbronn, was viele nicht wissen, Teil von Württemberg. Hier spielt der Trollinger nach wie vor eine wichtige Rollte. Wie schaut es bei Ihnen aus?
Ich weiß, dass es gute Trollinger gibt. Aber ich tue mich schwer mit dieser Sorte. Immerhin offerieren wir eine Cuvée Trollinger mit Lemberger in unserer Murg-Stube zur regionalen Küche. Für mich persönlich darf es eher ein Württemberger Lemberger sein.