Wein & Kultur
Der Mensch im Tier
Text: Ute Noll, Fotos: z.V.g.

Claudia Kramls Hände wissen aus Erfahrung, wie sich Körper anfühlen. Dieses Talent setzt sie in ihrer Kunst ein. So entstehen geheimnisvolle Tier-Mensch-Figuren aus gebranntem Ton mit ausdrucksstarken Körpern und facettenreichen Gefühlswelten.
Bevor Claudia Kraml in ihrem Atelier Ton klopft und daraus Tiere modelliert, ertastet sie mit ihren Händen die Umrisse der naturgetreuen Tiermodelle aus Gummi. «Meine Hände erinnern sich genau an die Körper, die ich berührt habe», sagt die Künstlerin. Diese Erfahrung hat sie bereits in ihrem früheren Beruf als Altenpflegerin gemacht. Während ihres fünfjährigen Studiums an der Freien Kunstschule Nürtingen konzentrierte sie sich zunächst auf das Töpfern von Gefäßen. «Weil ich innerlich den Druck spürte, etwas herstellen zu müssen, das man auch gebrauchen kann», sagt sie. Dann wagte sie sich an Mal- und Zeichenkurse. Sie fokussierte sich auf Figur, Zeichnung und Malerei und fand ihren freien künstlerischen Ausdruck im Ton. Vielschichtig stellt sie Tierkörper mit menschlichen Haltungen und Gesichtszügen dar und zeigt so innere Gefühle wie Melancholie, Trauer, Verweigerung, aber auch Stärke und Zuneigung, um nur einige zu nennen. Vor dem ersten Brand bemalt sie die Mischwesen mit flüssigen Tonfarben. Die oft leuchtend bunten Farbkombinationen wählt sie intuitiv. Um brüchige Oberflächen zu erhalten, die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit symbolisieren, brennt sie ihre Skulpturen mehrmals bei über 1000 Grad und trägt zuvor Kupferoxidlösungen auf. «Meine Kunst wäre eine andere ohne meine Arbeit in der Altenpflege. Da war alles gleichzeitig, zwischen Lustigsein und Im-Sterben-Liegen», sagt Kraml und fügt hinzu, dass es Menschen gibt, die mit ihren Figuren in Dialog treten, wohl weil sich etwas von ihnen darin widerspiegelt. Wichtig ist ihr, nicht nur widersprüchliche, sondern auch humorvolle und liebenswerte Figuren zu schaffen: «Meine Wesen tragen fast alle roten Nagellack. Das ist für mich ein Symbol dafür, dass sie sich selbst respektieren, sich trotz allem schön machen und ihr Leben genießen.» Die Augen der Wesen glasiert sie so, dass sie leuchten, und doch wirken manche Skulpturen in sich gekehrt, wie einige der Hasenmenschen, von denen es viele in ihrem umfangreichen Werk gibt. «Hasen faszinieren mich, obwohl ich sie komisch finde, vielleicht weil sie sich so unschuldig anfühlen», sagt Kraml. Um sie zu schützen, zieht sie ihnen Schutzanzüge bis über die Ohren an. Auch zu echten Tieren hat Claudia Kraml, die in Bissingen-Ochsenwang auf der Alb lebt, eine innige Beziehung: «Oft reite ich mit meinem Pflegepferd zur Limburg, dem höchsten Weinberg Württembergs.»