Besuch bei Corsini, Antinori & Co
Die Palazzi des Weins
Fotos: z. V. g., Kevin Cruff
Der Ort war mit Bedacht gewählt: Um den ersten Jahrgang des Weines seines viel zu früh verstorbenen Sohnes Filippo zu präsentieren, hatte Duccio Corsini den Palast der Principe Corsini in Florenz gewählt, auch um die lange Geschichte der Familie mit der Zukunft zu vermählen.
Der Familiensitz Palazzo Corsini al Prato liegt am rechten Arnoufer, etwas ausserhalb des Stadtzentrums, dahinter erstreckt sich der ausgedehnte Garten mit seinen Palmen und Gewächshäusern. Der Garten ist auch das Schmuckstück des historischen Anwesens, das 1590 errichtet wurde: Geschaffen wurde das Gebäude vom Architekten Buontalenti für den Adeligen Alessandro Acciaiuoli. Er liess sich ein «Casino» errichten, ein «kleines Haus», umgeben von einem ausgedehnten Besitz.
Die Familie Corsini übernahm den Besitz im Jahre 1620 und Gherardo Silvani machte daraus einen Garten all’Italiana, wie er noch heute besteht: 130 Zitronenbäume, eine Kolonie von freikriechenden Schildkröten und der letzte landwirtschaftlich genutzte Garten im Herzen von Florenz sind Teil des Ensembles. Im Palazzo selbst sind die Kunstsammlung und auch eine Kollektion von Antiken sehenswert. Hier wurde der Fico Jahrgang 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt: Filippo Corsini, der erste Sohn von Clotilde und Duccio Corsini entwickelte diese Idee auf seiner Reise durch die Welt. Es sollte ein Wein voller Respekt für die Tradition der Toskana, die Umgebung und die Natur sein, deshalb ein reinsortiger Sangiovese, dessen Trauben biodynamisch bewirtschaftet werden. Filippo wählte dafür acht Reihen des Rebberges Gugliaie am familieneigenen Weingut in San Casciano, um 280 nummerierte und biologisch zertifizierte Flaschen zu produzieren. Nach dem Tod seines Sohnes führt Vater Duccio das Projekt im Sinne Filippos fort: Inzwischen reift bereits der vierte Jahrgang in den Kellern der Villa Le Corti, des Weingutes der Familie Corsini in San Casciano Val di Pesa. Aber Duccio Corsini wollte den Wein seines Sohnes nicht dort präsentieren, sondern im historischen Palazzo der Familie in Florenz: «Wir haben den Ort mit Bedacht gewählt: Meine Eltern leben nach wie vor im Palazzo und er ist eng mit der Geschichte unserer Familie und auch dem Leben meines Sohnes verbunden.»
Aber der Palazzo Corsini al Prato in Florenz ist nicht der einzige Besitz, der den Namen der Principe Corsini trägt: Unter Kunstfreunden bekannt ist vor allem der Palazzo Corsini am Lungarno, der nach Vereinbarung montags bis freitags zu besichtigen ist. Die Tour führt durch das repräsentative Erdgeschoss mit den freskierten Sälen der Sommer-Apartments und dem eindrucksvollen Nymphäum, der «Grotte». Danach geht es durch das Obergeschoss mit dem fürstlichen Thronsaal und den zahlreichen mit Fresken, Stuckdekors und Gemälden ausgeschmückten Sälen der renommierten Corsini-Kollektion. Von der Terrasse hat man abschliessend noch einen herrlichen Blick über den Lungarno. Der Palast ist zudem eines der seltenen Beispiele für den barocken Stil in der Renaissancestadt Florenz. Ursprünglich war auch der Palazzo Corsini ein «Casino» und gehörte der Familie Ardinghelli. Später erwarben ihn zunächst die Medici, dann die Corsini, und heute gehört er deren Nachfahren, den Miari Fulcis und den Sanminiatelli.
Die Familie Corsini selbst ist noch in Besitz der Villa Le Corti in San Casciano Val di Pesa. Die Villa ist im Stile der Renaissance quadratisch angelegt, mit einem ausgedehnten Innenhof, von dem man durch Bögen die einzelnen Säle betritt. Die Keller selbst, in denen auf drei Etagen der Wein produziert wird, stammen aus dem 17. Jahrhundert.
Aber die Fürsten Corsini sind natürlich nicht die einzigen adeligen Weinproduzenten in Florenz, die einen oder mehrere Paläste ihr Eigen nennen: Auf dem linken Arnoufer liegt versteckt bei Santo Spirito der Palazzo Frescobaldi, in dem die verzweigten Mitglieder der Familie leben und ihr Weinimperium verwalten. Doch fast jedem Florenz-Besucher ist der ebenfalls im Stil der Renaissance gestaltete Palazzo Antinori ein Begriff: Er erhebt sich in zentraler Lage an der Via de’ Tornabuoni. Der Palast wurde 1461 bis 1469 errichtet und ist seit 1506 im Besitz der Familie Antinori. Abgesehen vom Restaurant «Tavernetta» sind in den beiden oberen Etagen die Wohnräume der Familie zu finden. «Im Herzen von Florenz zu wohnen hat seine Vor- und Nachteile», erklärt Marchese Piero Antinori, «einerseits ist der Palazzo ein Monument, in dem unsere Familie seit jeher lebt, andererseits sind wir mitten im touristischen Florenz, auch wenn der Rummel weitgehend draussen bleibt.»
Die Leitung des operativen Geschäftes hat Piero Antinori längst seinen drei Töchtern überlassen. Piero Antinori: «Ich glaube, der Generationswechsel ist zwischen Vätern und Töchtern einfacher als zwischen Vätern und Söhnen: Da gibt es oft Konflikte. Auch eine Person wie unser Önologe Renzo Cottarella ist ein gutes Verbindungsglied zwischen mir und der nächsten Generation. So etwas gibt es nicht in vielen Kellereien. Mein Vater war 68, als er mir die operative Leitung 1966 überlassen hat. Er hat damals gesagt: ‹Mach du, was du willst, ich bin da, wenn du mich brauchst.› Ich habe das ähnlich gemacht: Ich habe meiner ältesten Tochter Albiera die Leitung von Antinori überlassen. Ich mache nun nur mehr die Sachen, die mir gefallen: Ich besuche unsere Kellereien, degustiere die Weine, das habe ich zwar immer getan, aber nun habe ich endlich richtig Zeit dafür.»
Noch immer geht Marchese Piero fast jeden Tag ins Büro, um sich auf dem Laufenden zu halten, spricht mit seinen Töchtern: «Sie fragen mich immer noch bei Entscheidungen um meinen Rat, aber wir sind ohnehin meist einer Meinung. Bei Qualität gibt es keine Kompromisse.» Das sieht man auch an den Weinen, die unter dem Namen Antinori in den verschiedenen Gütern in der Toskana und darüber hinaus produziert werden. Ob er darunter einen Lieblingswein habe, fragen wir Marchese Piero noch. Er schmunzelt: «Man sagt, alle Kinder sind gleich, aber einer ist gleicher: der Tignanello. Natürlich gab es in seiner Entwicklung auch Höhen und Tiefen. Heute ist er aber so, wie er sein sollte. Er war und ist ein Symbol für Antinori und wurde es sogar für die Toskana. Fast auf dem gleichen Niveau repräsentiert der Solaia ebenso die Seele von Antinori: Tradition und Innovation in einem.»
Auch im Palazzo Gondi im Herzen von Florenz vereinen sich Tradition und Innovation in einem neuen Wein: Die Söhne von Marchese Bernardo, Gerardo und Lapo Gondi, kümmern sich um den Weinbau auf ihrer Tenuta Bossi im Chianti Rufina und haben gerade mit dem 2016er den ersten Jahrgang eines neuen Weines präsentiert, für den sie gemeinsam verantwortlich zeichnen: Fiammae heisst er und ist ein Einzellagen-Sangiovese von einem Rebberg in 300 Meter Meereshöhe. Ein Teil der Trauben wird für einen Monat angetrocknet, was dem Wein noch mehr Charakter und Opulenz verleiht. Gerardo Gondi: «Die Flammen waren das Logo der natürlich schon lange nicht mehr existenten Banco Gondi und schmücken auch das prachtvolle Stiegenhaus des Palazzo Gondi, den Sangallo entworfen hat. Fiammeta heisst auch meine Tochter, daher lag der Name des Weines auf der Hand.»
Der Schauplatz der Präsentation lag aber mitten im Herzen von Florenz: Dort erhebt sich der Familiensitz Palazzo Gondi. Die Gondi sind dabei eine der ältesten Familien der Stadt am Arno. Ihre Wurzeln gehen auf die Filippi zurück, die schon Dante zu den ältesten Familien von Florenz zählte. Der Palazzo wurde von Giuliani Gondi dem Älteren im Jahr 1490 nach den Plänen von Sangallo im Stil der grossen Florentiner Renaissancepaläste erbaut. Leonardo da Vinci soll in einem der Häuser gewohnt haben, die für den Bau des Palazzo zerstört wurden, und dort seine Mona Lisa gemalt haben. Gerardo Gondi, heute mit seiner Familie für den Weinbau zuständig, nutzt den Palazzo gerne, um die Weine des Familienweingutes zu präsentieren: Nicht nur die Präsentation des Fiammae, auch die 30-Jahres-Vertikale des Toscana IGT Mazzaferrata, des reinsortigen Cabernets der Marchesi Gondi, fand im Saal des Palazzo statt. Mazzaferrata (Morgenstern) heisst der Wein, weil zwei dieser martialischen Waffen das Wappen der Familie Gondi schmücken. Unter den Gemälden mit den Porträts der Familie im Saal des Palazzo wurden so legendäre Jahrgänge wie 1994, 1997, 2001 oder 2004 verkostet.
Ein Besuch des Palazzo Gondi ist aber nicht nur zu solchen Gelegenheiten möglich: Teile des Obergeschosses sind bei Voranmeldung zu besichtigen. Dabei sollte man unbedingt einen Blick von einer der Terrassen über die Dächer von Florenz wagen – ein einmaliger Ausblick auf die lange Geschichte der Stadt und eines ihrer prachtvollsten Monumente: Nur die Via dei Gondi trennt den Palazzo der Familie vom Palazzo Vecchio, einem der Wahrzeichen von Florenz.