Weinreisen
Feste in Genf
Fotos: Régis Colombo/diapo.ch
Genf ist eine Hochburg des Weintourismus. Aus der breiten Vielfalt ragen drei vielbesuchte Veranstaltungen heraus: die Offenen Weinkeller, die Feinschmecker-Rallye und das Weinlesefest in Russin. Hier stellen wir Ihnen drei Weingüter vor, die aktiv diese Events gestalten.
«Domaine de la Mermière beteiligt sich seit 25 Jahren an den Offenen Weinkellern. Anfangs war es wie in einer grossen Familie. Wir bereiteten Essen vor und luden alle Leute, die bei uns Wein kaufen wollten, zu uns an den Tisch ein. Die Einnahmen aus dem Verkauf entlohnten uns für die Arbeit. Bis 2012/2013 nahm der Verkauf stetig zu. Dann liess das Interesse der regelmässigen Kunden im Alter zwischen 50 und 70 Jahren nach. Jetzt trifft man auf ein bunteres, urbanes Publikum. Dieses möchte einfach einen schönen Tag auf dem Land bei Wein und regionalen Spezialitäten verbringen. Sie sind weniger daran interessiert, unsere Weine bei Degustationen zu verkosten und zu vergleichen. Sie nehmen dann ein, zwei Flaschen eines Weines mit, der ihnen besonders gut geschmeckt hat, aber keinen Vorrat für die nächsten drei oder sechs Monate», stellt Yves Batardon fest. Angesichts dieser Tatsache beschloss der ausgebildeten Mechaniker, der das Weingut im Alter von 27 Jahren von seinem Onkel übernommen hat, die Offenen Weinkeller nun ganz anders anzugehen. «Früher boten wir Degustationen an, damit die Leute unsere Weine kauften. Heute sorgen wir mit unseren Weinen und hausgemachten Spezialitäten einfach dafür, dass unsere Gäste einen schönen Tag verbringen. Eine Stimmung fast wie beim 1.-August-Brunch. Wir haben vor zwei Jahren auf dieses Konzept umgestellt und sind sehr glücklich damit», fährt der Eigentümer von Domaine de la Mermière in Soral fort. Yves Batardon baut 10 Hektar Reben und 20 Hektar Getreide an. Er setzt seinen Wein hauptsächlich über die Gastronomie und Alternativläden ab. «Wir stellen gerade auf Bio um», klärt er uns auf. «Ich persönlich halte nicht viel von Labels. Doch den Kunden geben sie eine gewisse Sicherheit, denn sie erwarten, dass auch die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Gesellschaft leistet.» Yves Batardon bedauert, dass man Biobauern und konventionelle Landwirte gegeneinander ausspielt. «Heute kämpfen alle Landwirte mit Schwierigkeiten. Regionalität erscheint mir wichtiger als Bio, vor allem wenn Erzeugnisse vom anderen Ende der Welt importiert werden. Hier geht es ums Überleben, denn wenn sich in der Schweiz die Gesetze nicht ändern und ausländische Weine weiterhin den Markt überschwemmen, ergeht es den Winzern bald so wie den kleinen Geschäften. Zum Glück ziehen diese Events noch viele Besucher an und stellen so wieder einen Dialog zwischen Erzeuger und Verbraucher her.»
Schlemmerwanderung
Das Weingut Domaine Villard et Fils steht vor tiefgreifenden Veränderungen, was es jedoch nicht daran hindert, bei der sechsten Feinschmecker-Rallye dabei zu sein, bei der viel Natur sowie Genfer Weine und Spezialitäten auf dem Programm stehen.
«Anières und die ganze Region sind für ihre prächtigen Villen bekannt, doch das ist nur ein Aspekt dieser schönen Gegend. Die Teilnehmer der Feinschmecker-Rallye wandern durch herrliche Landschaften und erleben dabei noch echtes Landleben. Durch Anières fliesst die Hermance, die vor Kurzem wieder renaturiert wurde», erklärt Philippe Villard, der den Besuchern aus Genf nicht ohne Stolz dieses noch wenig bekannte Fleckchen Erde vorstellt, wo auch die Dorfbewohner sonntags gern einen Spaziergang machen. Der weit über die Kantonsgrenzen hinaus für seine Qualitätsweine bekannte Selbsteinkellerer wird bei der Feinschmecker-Rallye zusammen mit seinem Sohn Sébastien Hunderte Besucher begrüssen. Nach der Landwirtschaftsschule im Wallis und einem einjährigen Praktikum in Neuchâtel schrieb sich der junge Mann an der Hochschule Changins ein. «Ich übernahm das Weingut 1994 und heute bereiten wir bereits die Zukunft für die neue Generation vor», verrät uns Philippe Villard, dessen Sohn im Unternehmen bereits einige Weichen gestellt hat, so etwa die Umstellung von Domaine Villard et Fils auf biologische Bewirtschaftung. «2018 war ein trockenes Jahr, was den Bio-Umstellungsbetrieben natürlich gelegen kam», fügt Sébastien hinzu, der übrigens keinen Hehl aus seiner Vorliebe für den Holzausbau macht. Kein Wunder also, dass bereits 40 Prozent der Gesamterzeugung aus der Barrique kommt. «Über 20 Prozent der Dorfbewohner stammen aus dem englischen Sprachraum, sodass es relativ wenig Kunden für Chasselas- und Gamay-Weine gibt. 8000 Flaschen Chardonnay gehen schneller weg als 2000 Flaschen Chasselas», gesteht Philippe Villard ein. Der Winzer führt aus, dass zwar auch er Savagnin Blanc, Merlot und Divico gepflanzt hat, der grösste Teil der Neubestockung aber der Generation zu verdanken ist, die vor ihm das Weingut bewirtschaftete. Die Weine von Domaine Villard et Fils werden in vielen Genfer Spitzenrestaurants serviert und konnten auch im Kanton Freiburg einen Anhängerkreis gewinnen, wo «wir seit 19 Jahren auf der Messe Salon Suisse des Goûts et Terroirs in Bulle präsent sind». Zu den dringendsten Projekten gehört nun die Gestaltung eines echten Verkaufs- und Degustationsraums. «Das ist leichter gesagt als getan. Das Gebäude stammt aus dem 17. Jahrhundert. So ein altes Gemäuer darf man nicht einfach aus- oder umbauen, wie man es gerne möchte…»
Wein und Vergnügen
Familie Pittet gehört zu den tragenden Säulen des Weinlesefests. Begegnung mit den Winzern der Cave de Genève: Leidenschaft über Generationen.
«Mein Vater war Mitglied im ersten Organisationskomitee des Weinlesefestes. Das war 1964. Auch ich war immer mit dabei, schon im Bauch meiner Mutter…», scherzt Laurence Pittet, die keine einzige Ausgabe des Festes ausliess, das mittlerweile zu den beliebtesten Events des Kantons Genf gehört. «Die ersten beiden Feste wurden von der Dorfjugend organisiert, doch angesichts des grossen Zulaufs musste bald ein regelrechtes Organisationskomitee eingerichtet werden», bestätigt Fernand Pittet. Der 84-jährige Winzer nimmt kein Blatt vor den Mund: «Ich war schon damals davon überzeugt, dass wir unsere regionalen Produkte besser bekannt machen müssen, auch wenn deren Qualität bisweilen nicht gerade überragend war. Heute produzieren wir zwar ausgezeichnete Weine und können wirklich stolz auf unsere Produkte sein, doch ohne Werbung kommen auch wir nicht aus.» Man spürt den Unternehmergeist, auch wenn der Altwinzer zeitlebens der Genossenschaft angehörte. «Als wir mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert waren, begann ich, den Wein der Genossenschaft auf dem Weingut zu verkaufen. Damals war die Skepsis gross, doch heute machen es alle. Meine Frau stellte sich an den Herd, machte ein und kochte Marmeladen, die wir verkauften. Auch das wurde belächelt, ebenso wie die Gästezimmer, die wir auf unserem Gut einrichteten», erinnert sich der aktive Rentner. Besonders freut er sich darüber, dass seine Tochter 2009 wieder auf das Weingut zurückkam. «Zuvor arbeitete ich in einem medizinischen Labor. Seit zehn Jahren kümmere ich mich hier um die Gästezimmer und vor zwei Jahren legte ich auch das Wirtepatent ab», führt die Winzer-tochter aus, die ausserdem noch zwei Hektar Reben bewirtschaftet. «Die Organisation von Veranstaltungen wie das Weinlesefest in Russin wird aufgrund zunehmender Auflagen immer schwieriger. Unser Fest führt Städter und Winzer, aber auch alteingesessene Familien und neue Dorfbewohner zusammen. Dort kann man noch echtes Lokalkolorit erleben, doch damit das auch so bleibt, braucht es viel Entschlossenheit und Ausdauer», fährt die Winzerin fort. Gerne erinnert sie sich daran, wie sie als Kind und Jugendliche während des Festwochenendes mit ihren Schulkameraden im Elternhaus campierte. Heute werden auf dem Gutshof Pittet ganz andere Gäste empfangen. «Vor dem Umzug organisiert der Staatsrat bei uns einen Empfang für 400 namhafte Persönlichkeiten aus dem ganzen Kanton und Genf, auch ausländische Gäste», berichtet Fernand Pittet nicht ohne Stolz. Das 57. Weinlesefest findet dieses Jahr am 14. und 15. September statt.