Sélection des Vins de Genève
Preisträger 2018
Fotos: Régis Colombo / diapo.ch
Dank des unparteiischen Degustationsverfahrens können bei der Sélection des Vins de Genève Ergebnisverzerrungen weitgehend ausgeschlossen werden. Die einzelnen Jurymitglieder verkosten die Weine in unterschiedlicher Reihenfolge. So ist sichergestellt, dass die Noten wirklich die persönliche Analyse widerspiegeln und nicht an der Meinung des «Tonangebers» der Gruppe ausgerichtet werden. Das 2018 in Changins entwickelte Verfahren konnte überzeugen: 2018 nahmen an die 60 Erzeuger an dem kantonalen Wettbewerb teil. Von den 553 eingereichten Weinen erhielten 56 eine Goldmedaille. Ausserdem wurden sechs Sonderpreise verliehen.
Domaine de la République et Canton de Genève
Pinot Noir 2015 | Wildschwein 2018
«In zwei Jahren Ausbau entwickelte dieser Pinot Noir eine schöne Komplexität. Nach den Gärprozessen kommt er ein Jahr in die Barrique und dann elf bis zwölf Monate in grosse Fässer», verrät Thierry Anet, Leiter des Weinguts Vignoble de la République et Canton de Genève. Das sechs Hektar grosse Anwesen entstand aus der Schenkung eines Winzers, der sein Weingut Ende der 1960er Jahre «in gute Hände» weitergeben wollte. «In der Stadt geht das Gerücht um, dass unsere Weine den Staatsräten und deren Gästen vorbehalten seien. Zwar ist ein Drittel unserer Produktion für offizielle Anlässe bestimmt, doch ansonsten ist das natürlich falsch. Heute jedenfalls. Denn zur Zeit der Schenkung war das Gut mit Hybridreben bepflanzt, die alle gerodet wurden. So konnte der erste Jahrgang meines Vorgängers Maurice Dupraz erst 1974 abgefüllt werden. Und da es sich nur um ein paar hundert Flaschen handelte, waren diese wohl dem Staatsrat vorbehalten. Heute kann allerdings jeder diesen Wein kaufen.» Die Erzeugung qualitativ hochwertiger Weine für die Staatsbehörden gehört zum Auftrag des Vignoble d’Etat. Das jüngste Beispiel dafür ist der Pinot Noir, Jahrgang 2015, der bei der Sélection 2018 die höchste Punktzahl unter allen 553 eingereichten Weinen erhielt und mit dem «Wildschwein» ausgezeichnet wurde. Doch fungiert das Gut auch als Forschungsstation im Dienst aller Erzeuger der drittgrössten Weinregion der Schweiz. Als solche spielte es eine wesentliche Rolle bei der Einführung des Divicos (vgl. Extra-Heft Genf 2017 und Weinfavoriten im Guide dieses Magazins) und seines Bruders Divona. «Diese weisse Rebsorte ist auch ohne Chemie krankheitsresistent und stammt von denselben Eltern wie der Divico: Gamaret und Bronner. Auch die Rebsorte Bronner ist eine Züchtung mit recht komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen. Der Divona wurde im Oktober 2018 auf unserem Weingut amtlich anerkannt. Als wir ihn 2009 pflanzten, hiess er noch IRAC 2060. 2016 vergrösserten wir seine Anbaufläche von 700 auf 1500 Quadratmeter Aus agronomischer Sicht hält er, was er verspricht. Wir mussten nur einmal Chemikalien einsetzen, und zwar 2016 aufgrund der besonders ungünstigen Wetterverhältnisse, in den zwei darauf folgenden Jahren dann allerdings nicht mehr. In önologischer Hinsicht sind wir noch dabei, etwas zu experimentieren, um herauszufinden, wie man sein Potenzial am besten ausschöpft», erklärt Thierry Anet, der seinen Divona in der Barrique ausbaut und unter dem Namen Bastian Blanc verkauft (Liebhaber aufgepasst: Der Wein ist innert weniger Tage ausverkauft).
Clos des Pins
Muscat de Dardagny 2017
Preis der Hotelfachschule Genf
Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen thront im kleinen Carnotzet von Marc Ramu im Dorf Dardagny auch die Frischling-Skulptur von Robert Hainard, die jedes Jahr von den Studenten der Hotelfachschule Genf verliehen wird. Die angehenden Hotelprofis bewerten eine Auswahl preisgekrönter Weine derselben Rebsorte in einer Blinddegustation und wählen ihren Favoriten. Schöne goldene Farbe, sehr typisches, ausladendes Bouquet, grosszügig angelegter, geschmeidiger und gut ausbalancierter Gaumen – dieser Muscat aus Dardagny hat seinen Preis wahrlich verdient. Unserer Meinung nach gehört er zu den besten Schweizer Muscatweinen und kann auch bei all jenen wieder Terrain gutmachen, die von dieser sehr alten mediterranen Rebsorte bisher enttäuscht waren. Der aromatische Weisswein war übrigens knapp davor, ins Mémoire des Vins Suisses (dem Marc Ramu seit 2015 angehört) aufgenommen zu werden. Doch letztendlich zogen ihm die Verantwortlichen dieser in Zürich ansässigen Vereinigung, der 60 Schweizer Spitzenerzeuger angeschlossen sind, den Gamaret vom gleichen Weingut vor. «2017 war vom Frost gezeichnet. Dennoch konnten wir eine ansehnliche Ernte einbringen. Ja, wir waren sogar von der grossen Menge Muscat-Trauben überrascht. In diesem Jahr hatte ich in einen Vibrationstisch investiert, mit dem die Beeren einfach durch Rütteln von den Rappen getrennt werden. Als wir den Muscat auf den Tisch luden, lösten sich manche Beeren nicht ab, obwohl kein Unterschied zu den anderen Beeren zu sehen war. Beim Kosten stellte sich heraus, dass diese Beeren noch nicht ihre Reife erlangt hatten, da sie nach dem Frost gewachsen waren. Das hat meine Entscheidung für die neue Maschine bestätigt, denn sie trägt eindeutig zur Qualität dieser Spezialität bei», erklärt Marc Ramu. Der Winzer übernahm um die Jahrtausendwende einen zehn Hektar grossen Familienbetrieb und verkauft etwa 2000 Flaschen dieses markanten trockenen Weissweins. «In meinem Muscat bleibt kein Zucker. Ich lasse das Lesegut vor dem Abpressen zwei bis acht Stunden mazerieren. Danach durchläuft der Wein ganz normal zwei Gärprozesse.» Marc Ramu erhielt bei der Sélection des Vins de Genève 2004 für seinen Syrah, Jahrgang 2002, bereits das «Wildschwein». Der Frischling ist für ihn insofern eine interessante Trophäe, als «sie Aufschluss darüber gibt, was die jungen Leute mögen. Die offenen Weinkeller und der bisweilen etwas übermässige Weinkonsum der heutigen Generation werfen so manche Frage auf. Darüber sollte man allerdings nicht vergessen, dass dies unsere Kunden von morgen sind und wir unbedingt verstehen müssen, was ihnen schmeckt und worauf sie Lust haben.»
Domaine de la Planta
Esprit de Genève 2016 und Azimut 2012
Pressepreis und Prix Swiss Wine
Zwei Sonderpreise für zwei Winzer, die einen Familienbetrieb übernehmen: Passender hätte es nicht sein können. Frédéric und Jean-David Gaillard sind Zwillinge, «zweieiige Zwillinge, wie man sehen kann», und arbeiten seit Mai 2018 zusammen. Sie übernahmen die Leitung der Domaine de la Planta in Dardagny, die lange Zeit von Bernard Bosseau geführt wurde. «Die Übergabe war seit Langem geplant», erklärt der Önologe aus der Bretagne, der sich nun um die Cave de Sézenove kümmert. Frédéric Gaillard kehrte als erster der beiden Brüder auf das Weingut zurück. Der Weintechnologe arbeitet seit 2005 in dem Familienbetrieb. «Ich kam ein Jahr nach unserem Weintechnologen Alban Couillaud, der den Betrieb in- und auswendig kennt. Alban ist ein unverzichtbarer Mitarbeiter, auf den wir uns blind verlassen können», betont der erfahrenere der beiden Brüder. Jean-David kam im vergangenen Frühjahr auf das Weingut: «Ich war mir über meine berufliche Zukunft unklar. Nach dem Gymnasium machte ich eine Ausbildung in Informatik. Als ich eine Zeitlang als Entwickler gearbeitet hatte, begann ich mich für Wein zu interessieren und erwog eine berufliche Umorientierung. Mit 25 sagte ich mir, jetzt oder nie, und nahm in Marcelin eine Ausbildung zum Weintechnologen auf.» Das Weingut zählt viele Genfer Privatkunden und Restaurants zu seiner Kundschaft und bietet nun auch Rebstock-Patenschaften an. Bereits über 1500 Paten holen sich jedes Jahr ihre Flasche Wein ab. «Dieser engagierte Kundenkreis liegt uns sehr am Herzen», betonen beide Brüder, die diesem Konzept einen modernen Touch geben wollen. Gestalten ja, aber keine Revolution, lautet die Devise der heutigen Generation. So werden etwa die Etiketten überarbeitet, aber nicht der Stil der Weine. Die Degustatoren wussten dies zu schätzen und verliehen dem Azimut 2012 den Prix Swiss Wine in Form einer Milan-Skulptur, die an den besten Schaumwein des Wettbewerbs vergeben wird. «Wir produzieren vier verschiedene Schaumweine», führt Jean-David Gaillard aus. Dieser sortenreine Chardonnay Extra Brut (Dosage: 2,5 Gramm Zucker pro Liter) verbrachte nach dem biologischen Säureabbau ein Jahr in der Barrique. Danach kam er zur Reifung 36 Monate zu Xavier Chevalley. Mit dem 2014er erwartet die Kunden von Domaine de la Planta bereits ein neues Geschmackserlebnis. «Der mit dem Pressepreis ‹Steinmarder› ausgezeichnete L’Esprit de Genève 2016 besteht zu 50 Prozent aus Gamay, zu je 20 Prozent aus Gamaret und Garanoir und zu 10 Prozent aus Merlot. Alle vier Weine wurden in Holz ausgebaut, also in der Barrique oder in grossen Fässern», erklärt Bernard und fügt hinzu, dass die Assemblage bis auf den Zusatz von Merlot im Jahr 2016 praktisch unverändert blieb, dafür aber bei der Reifung im Holz grosse Fortschritte gemacht hat.
Domaine du Paradis
Rosé de Garanoir 2017
Preis der Gastwirte
Von Jérémie Burgdorfer war auch vergangenes Jahr in unserem Extra-Heft die Rede, denn bereits 2018 wurde Domaine du Paradis mit dem «Fuchs», dem Preis der Gastronomen, ausgezeichnet, damals für den Chasselas 2016. In diesem Jahr fiel die Wahl der Gastro-Profis auf diese neue Cuvée: «Ein Verbindung des leckeren, trinkanimierenden Rosé de Gamay und dem Diable Blanc, eine sehr vielschichtige weiss gekelterte Assemblage aus Merlot und Syrah, die für die Gastronomie bestimmt ist.» Der vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit der Coop lancierte Rosé de Garanoir wurde als Genusswein konzipiert. Er besitzt Frische und Frucht, zeichnet sich aber zusätzlich durch Gewürznoten und etwas Tannin aus. «Wir haben verschiedene Parzellen, die sich besonders für Rosé eignen, andere sind wiederum dem Rotwein vorbehalten, und wieder andere findet man je nach Jahrgang entweder im Rosé oder im Rotwein», führt der junge Selbsteinkellerer aus. Die Auswirkungen dieser Auszeichnung werden sich seiner Meinung nach im Frühling bemerkbar machen, wenn die Gastwirte ihre Roséweine für den Sommer auswählen. 2018 und 2019 sind für die Familie Burgdorfer einschneidende Jahre. Im Juni vergangenen Jahres starb der Gründer von Domaine de Paradis. Roger hat den Genfer Weinbau entscheidend mitgeprägt. «Es war bereits geplant, dass ich den Betrieb am 1. Januar 2019 übernehme», vertraut uns Jérémie an, der bereits seit 2015 auf dem Familienweingut arbeitet, und fügt hinzu: «Meine Mutter Rosette leitet weiterhin unsere Weinhandlung Cellier du Paradis. Ich konzentriere mich unterdessen voll auf unser 35 Hektar grosses Gut, denn die Zeiten sind wirtschaftlich schwierig. Unsere nächste Herausforderung besteht darin, auch der zunehmenden Nachfrage nach weintouristischen Angeboten gerecht zu werden.»