3 Weinmacher
Drei erfolgreiche Jahrgänge
Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: Daniel Schneider
41, 49, 59. Das sind zwar keine Lottozahlen. Aber drei Zahlen, die für das Glück stehen: Antje ist 41, Thomas zählt 49 Lenze und Martin darf sich mit 59 Jahren zu den Ältesten der Weinmacher zählen. Drei Jahrgänge, drei Erfolgsgeschichten.
«Es ist keine Kunst, jung zu sein, wenn man vierundzwanzig ist». Charly Chaplin, aus dessen Feder dieses Zitat stammt, hatte wenig Ahnung vom Weinbau, dafür umso mehr vom Leben. Seinen erfolgreichsten Kinofilm «Der große Diktator» spielte der Stummfilmstar mit 51 Jahren. Seinen letzten Dreh hatte er mit 77. Hollywood diente ihm als Förderstätte. Auch die Württembergischen Winzergenossenschaften kann man als Talentschmieden bezeichnen. Viele der regionalen Kooperativen fördern nicht nur ihren Nachwuchs, es entstehen auch Vereinigungen wie die Remstalkeller-Jungwinzer. Hier wird der nächsten Generation eine Plattform geboten, um sie auf ihre Laufbahn vorzubereiten. Gleichzeitig gibt es im Ländle Menschen, die bereits eine sagenhafte Karriere in der Weinbranche hingelegt haben. Nicht immer sind sie auf Kinderbeinen durch die elterlichen Rebzeilen gelaufen. Manche sind Quereinsteiger. So wie Antje Friedrich, die ihre Berufung zunächst als Marketingmanagerin in der IT-Branche suchte. Eine Stellenausschreibung der Marbacher Weingärtner änderte ihr Leben: «Ich konnte endlich ein Kulturprodukt bewerben. Außerdem fördere ich den Erhalt der hiesigen Kulturlandschaft mit Projekten wie der Heldenschmiede», freut sich die 41-Jährige. Thomas Beyl zählt ebenfalls zu den Machern des viertgrößten deutschen Weinbaugebietes: Unter der Regie des 49-jährigen Weinbautechnikers zeigt die Erfolgskurve der Weingärtner Cleebronn-Güglingen eG steil nach oben. 2010 wagte er den Sprung in die Vorstandsetage und hat seitdem «vieles revolutioniert». Dritter und Ältester unserer Portrait-Reihe ist Martin Kurrle. Aus einer Winzerfamilie stammend, gab es für ihn nie eine andere Option als die Weinbranche: Weinküferlehre, Studium in Geisenheim, Job als Kellermeister. Alles bei dem 59-jährigen leitendem Önologen der Remstalkellerei dreht sich um die zweitschönste Sache der Welt. Und um Kulinarik, die Kurrle als Vize-Sommelier der Bailliage, einer Vereinigung von Feinschmeckern und Gastronomen, kreativ austoben darf.
Antje Friedrich
«Seit ich hier bin, ist es digitaler geworden», lacht Antje Friedrich und schüttelt dabei ihre lange, braune Mähne. «Ich befülle wichtige Tools wie Facebook.» Die 41-Jährige befüllt nicht nur Plattformen zum medialen Teilen von Fotos und Videos. Sie verantwortet auch alles andere, was Marketing und Verkauf im Hause der Marbacher Weingärtner betrifft. Mit der «Heldenschmiede» zum Beispiel leitet sie von Anbeginn ein Kooperations-projekt zum Erhalt der Ludwigsburger Steillagen. Praxisnahes Wissen wird Hobby-Wengertern mitten im Weinberg mit steilem Blick auf den Neckar vermittelt. Rebschnitt, Ertragsmanagement, Reife, Lese, Trockenmauerbau, Pflanzenschutz und selbstredend Weine mit entsprechender Kulinarik stehen im Fokus des Schulungsprogramms: «Eine perfekte Win-win-Situation. Wir forcieren einerseits das Interesse am Weinbau, andererseits wird aktuell ein Hektar in den Steillagen aus erster Hand bewirtschaftet und dient damit dem Erhalt der Kulturlandschaft im Neckartal.» Antje Friedrich hat hinsichtlich ihrer Karriere eine eigene kleine Heldengeschichte hingelegt.
«Die heimischen Rebsorten sehe ich heute anders. Württemberg hat alles am Start: vom Riesling-Sekt bis zum Lemberger.»
Denn ohne aus einem weinbaulichen Kontext zu stammen, führt die Wahl-Stuttgarterin die kleine Winzergenossenschaft seit 2021 steil nach oben. Ob sie den digitalen Auftritt via Websites und Social Media anheizt, oder Ideen wie innovative Flaschen-Labels umsetzt, ohne dass die Wiedererkennung verloren geht: Die Marketing-Expertin weiß die Geschicke der Marbacher Weingärtner mit geschickter Hand zu lenken. Parallel zum Ankurbeln der Direktvermarktung und dem Steigern des Bekanntheitsgrades nimmt sie sich ihre Auszeit. «Ich verbringe meine Freizeit gern mit Freunden, wandere in den Alpen oder im Schwarzwald und reise leidenschaftlich gern». Erst kürzlich hat sie ihren Urlaub in Italien verbracht. «Ich habe vorher natürlich die besten Weingüter auf der Mittelmeer-Halbinsel gegoogelt.»
Mein Wein
Diesen Lemberger aus überwiegend steilen Lagen der Neckarhälde liebe ich besonders wegen seiner Röstaromen. Er duftet nach schwarzen Johannisbeeren und Holunder und passt wunderbar zu Wildgeflügel mit Apfelrotkohl.
Weingärtner Marbach
Don C. Lemberger Edition
Lemberger trocken
6,50 Euro
weingaertner-marbach.de
Vita
Name Antje Friedrich
Funktion Kaufmännische Leiterin Marketing & Vertrieb
Alter 41 Jahre
Familie ledig
Ausbildung Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim steigt die Wahl-Stuttgarterin in die Software- und digitale Reisebranche ein.
Genossenschaft 2021 bewirbt sie sich erfolgreich auf eine Ausschreibung der Marbacher Weingärtner. Mit ihrem Knowhow digitalisiert sie die Marketingstrukturen und initiiert Projekte wie die «Heldenschmiede» zum Erhalt der Kulturlandschaft in den Ludwigsburger Steillagen.
Thomas Beyl
«Mit meinen zehn Hektar bin ich eigentlich Winzer», sagt Thomas Beyl, «aber zum Leben bräuchte ich 20 Hektar. Und das geht bei meinem Job nicht.» So weit entfernt von der Weinwelt ist der 49-Jährige bei den Weingärtnern Cleebronn & Güglingen allerdings nicht. Als Weinbau-Techniker hat er an der Doppelspitze mit Geschäftsführer Axel Gerst einiges ins Rollen gebracht. «Bevor ich 2006 in den Vorstand kam, war die Qualität hier noch nicht schmeckbar.» Heute werden die Weingärtner im Zabergäu medial als Boutique-Winzergenossenschaft bezeichnet, sammeln Prämierungen ein wie andere das Laub im Herbst und wurden 2012 im Gault & Millau als «Entdeckung des Jahres» abgefeiert.
«Unser Aushängeschild ist der Michaelisberg. Der ist auf allen vier Seiten bestockt und eine sichere Bank für alle Weißweinsorten.»
Was es dazu braucht? Mut, Stringenz und Vertrauen ins Team. All das hat Thomas Beyl von seinem Vorbild Gert Aldinger gelernt. Bei der Winzerlegende aus Fellbach war Beyl jahrelang als Weinbautechniker beschäftigt und pflegt bis heute eine enge Freundschaft zu ihm: «Aldinger war eine große Inspiration, hat als erster den Sauvignon Blanc in Württemberg eingeführt oder Trollinger gerodet, um Merlot anzupflanzen.» Nicht nur den Innovationsgeist hat Beyl mitgenommen. Er beobachtet auch sehr genau den Markt. Richtig gute Weine ohne Alkohol machen die Weingärtner zum Beispiel, weil die Nachfrage wächst. Die Rosé-Produktion wird an-gekurbelt, denn der Rotweinkonsum geht zurück. «Wir haben das Weißweinangebot von 25 auf 40 Prozent gesteigert und mehr als die Hälfte von unseren Rotweinen werden zu Blancs de Noir und roséfarbenen Weinen.» Schon in der Vergangenheit legte Beyl die Axt an, strukturierte das Sortiment und ließ 40 Prozent der Produkte auf einen Rutsch wegschneiden. Strenge Führung und klare Vorgaben lässt der Liebhaber weißer Burgundersorten zu Hause hinter sich. Da kocht er mit seiner Ehefrau asiatisch und trinkt anschließend mit ihr einen «The Bottle» Chardonnay auf dem Sofa.
Mein Wein
Ein Hauch von süßlicher Walnuss folgt in diesem reinsortigen Chardonnay auf feine Zitrusnoten. Er hat zwar sein Holz bekommen, aber ohne es im Glas rauszubrüllen. Ein subtiler Wein von den Westhängen des Michaelisbergs.
Weingärtner Cleebronn-Güglingen
The Bottle – Chardonnay trocken
Preis: 7,40 Euro
cg-winzer.de
Vita
Name Thomas Beyl
Funktion Vorstandsvorsitzender
Alter 49 Jahre
Familie verheiratet, drei Kinder
Ausbildung An der Weinbauschule Weinsberg ließ er sich zum staatlich geprüften Techniker für Weinbau und Önologie ausbilden.
Genossenschaft Seit 2010 verantwortet er als Vorstandsvorsitzender die übergeordnete Leitung bei den Weingärtnern Cleebronn-Güglingen eG. Durch Qualitätsdenken bringt er die 300-Mitglieder starke Genossenschaft kontinuierlich nach vorn: Bereits 2012 wurde sie vom Gault&Millau als «Entdeckung des Jahres» ausgezeichnet.
Martin Kurrle
Ende September. Martin Kurrle ist mitten in der Weinlese. Und ein wenig genervt, weil er ausgerechnet jetzt ein Interview geben soll: «Momentan bin ich engmaschig eingepflegt», erklärt der 59-Jährige. «Zum Glück findet die Lese unter recht milden Wetterbedingungen statt, so konnten wir optimal planen». Martin Kurrle pflegt tiefe Verbundenheit zum Remstal und hat die Pforten zur Weinbereitung weit geöffnet, um mit innovativen Techniken charaktervolle Tropfen zu erschaffen. Seine Weine sind nicht nur massentaug-lich, sondern gehören an der Spitze zur Premiumklasse, die Medaillen von «Mundus Vini» bis zum «Vinum Wine Award» abräumen.
«In der Gastronomie nehme ich so viel mit an Ideen. Ich gehe mit Köchen in deren Küche, wenn der Laden zu hat und nehme zwei oder drei Rieslinge mit.»
Doch er bleibt bescheiden: «Um unser Profil nach außen zu verbessern, haben wir viel im Vorstandsteam zusammengesessen und erarbeitet, wie wir uns für die Zukunft aufstellen». Durch streng definierte Ernteerträge und neue Wein-Kollektionen hat der leitende Önologe und geschäftsführende Vorstand, der Remstalkellerei ein Facelift verpasst, das sich sehen lassen kann: «Wir arbeiten kontinuierlich an der Qualität und fokussieren uns auf gebietstypische Rebsorten oder französische Edelsorten, die unser Terroir differenziert widerspiegeln.» Dann kommen wir auf ein Thema, das den gebürtigen Stuttgarter ebenso fesselt wie seine Lieblinge Chardonnay und Spätburgunder: die Kulinarik. Genauer gesagt, die stimmige Verknüpfung von Kochkunst und Wein: «Ich liebe es, mit Freunden zu kochen. Manche von denen sind Gastronomen. Da kommen recht gute Gerichte bei raus.» Und wieder ein fettes Understatement. Unlängst hat Kurrle im Hotel-Restaurant «Lamm» in Remshalden ein Abend-Menü mit Weinpaarungen hingelegt, das selbst dem Maître die Kochmütze hat hochgehen lassen. Gegrillte Rotgarnele und Geflügelstückchen, die der Önologe zu einem Chardonnay und einem Sauvignon Blanc seiner Kellerei servierte.
Mein Wein
Unsere Cuvée Blanc trocken zählt zu meinen Favoriten. Sie repräsentiert die Stärken unserer Weißweine: erfrischende Frucht vom Sauvignon Blanc. Mineralität vom Weißburgunder. Kraft und ein Hauch von Exotik vom Chardonnay.
Remstalkellerei
Cuvée Blanc Edition »R« trocken
Preis: 7,50 Euro
remstalkellerei.de
Vita
Name Martin Kurrle
Funktion Geschäftsführender Vorstandvorsitzender invidunt
Alter 59 Jahre
Familie : verheiratet, drei Kinder
Ausbildung Als Winzersohn studierte er Weinbau und Önologie in Geisenheim, nachdem er eine Küferlehre absolviert hatte.
Genossenschaft Er sitzt seit 2022 im Vorstand der Remstalkellerei eG. Der Diplom-Ingenieur hat bedeutende Impulse zur Weiterentwicklung der Genossenschaftsweine und zur Modernisierung der Kellerei-Strukturen gegeben. Dass er den Wein im Blut hat, schmeckt man seinen Weinlinien an.