Interview mit Andrea Rossi, Präsident des Consorzio del Vino Nobile di Montepulciano

Die Pievi stellen für uns einen Wendepunkt dar

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Andrea Rossi, Präsident des Consorzio del Vino Nobile di Montepulciano, im Gespräch.

Herr Präsident, was macht den Vino Nobile di Montepulciano so einzigartig?

Es gibt viele interessante Aspekte, die den Vino Nobile auszeichnen, angefangen damit, dass er 1980 der erste italienische Wein war, der die Anerkennung als DOCG erhielt. Aus der Sicht des Terroirs handelt es sich um einen Wein, der nur in der Region produziert werden kann, in der Gemeinde Montepulciano und nur über 250 Metern über dem Meeresspiegel. Was die Qualität anbelangt, haben die Reifung einerseits und der Verschnitt andererseits den Winzern seit jeher die Möglichkeit gegeben, einen wertvollen Wein zu keltern, der ihre eigene Philosophie ausdrückt. Und natürlich möchte ich Montepulciano selbst erwähnen, die Renaissancestadt und die Heimat des Vino Nobile, die jedes Jahr Millionen von Touristen als Urlaubsziel wählen.

Was unterscheidet Prugnolo Gentile von der Sangiovese-Rebsorte in anderen Regionen?

Prugnolo Gentile ist eine historische Rebe, die schon immer in Montepulciano gewachsen ist. Sie erscheint zum ersten Mal in der Literatur im Jahr 1773. Im Laufe der Jahre haben wir als Konsortium zusammen mit den Universitäten intensiv die DNA dieser Rebe untersucht. Dies hat es uns ermöglicht, das wahre Wesen des Sangiovese in Montepulciano zu verstehen, das durch eine einzigartige Traube repräsentiert wird, die perfekt auf das Mikroklima ihrer Herkunft reagiert. Während der Homologationsphase der Prugnolo-Gentile-Klone stellte die nationale Rebkommission einige morphologische Unterschiede fest: ein im Vergleich zu Sangiovese länglicheres fünflappiges Blatt und eine leichte Daunenfalte im unteren Teil des Blattes. Auf genetischer Ebene sind die Unterschiede zum Sangiovese minimal.

Beeinflusst der Klimawandel mit steigenden Temperaturen und der frühen Reifung der Trauben den Charakter des Vino Nobile positiv?

Das ist natürlich auch in Montepulciano ein Thema: Die Lage des Weinanbaugebiets – und dabei helfen uns die Produktionsrichtlinien bereits mit einer Untergrenze der Rebberge von 250 Metern über dem Meeresspiegel – hat allerdings dazu geführt, dass die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert wurden. Wir stehen zwar vor einem Wandel, der unweigerlich auch zu einem Bedarf an neuen agronomischen Techniken führen wird, aber in den letzten Jahren können wir sagen, dass die Qualität der produzierten Weine hier trotz eines sich ändernden Klimas gestiegen ist.

Zu den wichtigsten Neuerungen, die die verschiedenen Terroirs des Vino Nobile aufwerten, gehört die Einführung der UGA, der geografischen Zusatzbezeichnungen der Unterzonen des Vino Nobile mit dem Namen Pieve: Was genau bedeuten die Pievi?

Die Pievi stellen für uns einen Wendepunkt dar. Aus qualitativer Sicht bedeuten sie, sich so weit wie möglich auf das Territorium und die einheimischen Reben sowie auf die Einzigartigkeit jeder einzelnen Flasche zu konzen­trieren. Aus historischer Sicht stellen die Pievi für die Hersteller des Vino Nobile di Montepulciano eine Wiederaneignung der eigenen Geschichte dar, auch dank einer Studie, die wir als Konsortium durchgeführt haben und die dazu geführt hat, die geografischen Zonen mit diesem Namen zu bezeichnen: Pievi. Sie entsprechen den historischen Pfarrbezirken des Catasto Leopoldino. Jede Pieve hat daher eine Geschichte und stellt eine Einheit dar.

Wann wird die Bezeichnung Pieve zum ersten Mal auf dem Etikett zu finden sein?

Wir sind bereit, den ersten Jahrgang im Jahr 2025 auf den Markt zu bringen, die Produzenten haben rund 500 000 Flaschen eingelagert, was etwa zehn Prozent der gesamten Vino-Nobile-Produktion ausmacht, aber das ist erst der Anfang.

Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Agenda des Konsortiums: Wie nachhaltig ist der Weinbau rund um Montepulciano? Und was sind die Pläne für die Zukunft?

Ich würde sagen: sehr nachhaltig! Equalitas bestätigt dies mit seiner Zertifizierung, die der Vino Nobile di Montepulciano als erste italienische Herkunftsbezeichnung erhalten hat. Darauf sind wir stolz, denn es ist nur ein erster Schritt, um uns weiter zu verbessern und der gesamten Weinwelt ein Beispiel dafür zu geben, wie das funktionieren kann – wobei nicht nur die Produzenten, sondern auch die Verbraucher und sogar die Gemeinde einbezogen werden. In Zukunft streben wir darüber hinaus die Zertifizierung der touristischen Nachhaltigkeit an.