Guide: Gründer Veltriner • Dossier Österreich 2023
Wineguide: Reifeprüfung Grüner Veltliner
Text: Harald Scholl, Verkostung: Harald Scholl und Nicole Harreisser
Was wäre Österreichs Weinwelt nur ohne Grünen Veltliner? Mit Fug und Recht lässt sich hier von der Leitrebsorte sprechen, sie zeigt den Charakter dieser Weinnation, drückt die Böden, Lagen und das Handwerk aus, ist als Begleiter der österreichischen Küche nicht wegzudenken. Eine Leistungsschau von 2018 zurück bis in die 1970er Jahre.
Eines darf gerne einmal vorab gesagt werden: Diese Verkostung war auch für altgediente Weinjournalisten keine Selbstverständlichkeit. Dass auf unsere Anfrage die Winzerinnen und Winzer in den Keller gingen, um nach alten Schätzen zu graben, um alte und bisweilen sehr alte Weine zur Verfügung zu stellen, ist in der Tat ein grosses Dankeschön wert. Was solche Verkostungen über Jahrzehnte hinweg so wertvoll und besonders macht, ist die Möglichkeit, im direkten Vergleich die Jahrgänge exakter beurteilen zu können. Vor allem das Reifepotenzial einer Rebsorte lässt sich so wirklich eindeutig herausarbeiten. Ein paar Beispiele verdeutlichen das.
Der Jahrgang 2018 – der jüngste im Feld – zeigt sich aktuell voll fruchtiger Wärme, ist deutlich opulenter und extraktreicher als seine Vorgänger. Die Weine scheinen im Moment noch unter ihrer Primärfrucht versteckt zu sein, viel Marille, Kraft und Schmelz verbergen noch die aromatischen Feinheiten. Dagegen ist der Jahrgang 2017 sehr viel karger, kühler, griffiger, aber leider auch immer wieder mit leichten Bittertönen durchsetzt. Ein Jahrgang für Freunde der sehnigen Weine. Eine absolute Überraschung war der Jahrgang 2016, der mit perfekter Balance aus Frucht, Kraft und Finesse zu überzeugen weiss. Er zeigt tatsächlich das Potenzial der Rebsorte Grüner Veltliner, vor allem die «einfachen» DAC-Weine aus dem Weinviertel oder dem Kremstal scheinen aus diesem Jahr besonders gelungen. Die ungestüme Primärfruchtphase scheint sich bei dieser Rebsorte nach vier bis fünf Jahren zu legen, es kehrt mehr Ruhe ein, der Wein kommt in Balance und wird dann zum perfekten Speisebegleiter. Ein Glück, wenn sich solche Weine im Restaurant finden lassen. Für die gehobeneren Weine, also die DAC-Reserve-Weine oder entsprechende Qualitäten, ist der Jahrgang 2013 im Moment die beste Wahl. Hier zeigt sich sehr schön eine Stärke der Rebsorte: die frische, aber dennoch moderate Säure. Viele Weine aus diesem Jahr brillieren im Moment geradezu, glücklich darf sich schätzen, wer solche Weine im Keller hat oder auf einer Weinkarte im Restaurant findet. Für alle anderen gilt: Jetzt die Jahre 2021 und 2020 einlagern und sich auf die Zukunft freuen. Grüner Veltliner hält, was er verspricht!