Interview mit Gerhard Retter

RETTUNG NAHT

Text: Rudolf Knoll, Ursula Geiger, Foto: ÖWM / Marcus Wiesner

Er hat den passenden Namen für Restaurantbesucher ohne Weinkenntnis. «Der Retter ist da», pflegt Gerhard Retter, 47, gelegentlich zu scherzen, wenn ein Rat notwendig ist. Der Österreicher ist als Gastronom in Deutschland ansässig und hat vorher als Sommelier die Weine seiner Heimat repräsentiert.  

Was sind die besonderen Stärken des österreichischen Weinbaus?

Zum einen die Vielfalt der Weinstile und Regionen, zum anderen die hochwertigen, überwiegend autochthonen Sorten wie Grüner Veltliner, Zierfandler, Blaufränkisch und St. Laurent, die in den richtigen Händen hochwertige, langlebige Weine hervorbringen können. Als Steirer darf ich hier Sauvignon und Muskateller nicht vergessen...

Wie sehen Sie die Entwicklung speziell im Burgenland?

Bei Rotwein ist das Burgenland unangefochten Nummer eins. Man hat es verstanden, alle Segmente gut zu bespielen, auch die der trockenen Weissweine und der Edelsüssen. Die Hinwendung zur Nachhaltigkeit und biologischen Bewirtschaftung ist bestimmt ein weiterer entscheidender Faktor. Kultwinzer reissen das gesamte Gebiet mit. Und nicht nur hippe Newcomer, sondern gerade auch Traditionsbetriebe gehen voran. Verbände, wie die renommierten Weingüter Burgenland, die Pannobile-Gruppe und die Einführung der DACs haben auch zur positiven Entwicklung beigetragen. Generell hat man sich zurückbesonnen auf die eigenen Stärken bei gleichzeitiger Kenntnis der internationalen Weinwelt.

Welche Sorten sind Ihre Lieblinge?

Puh, wollen Sie hier wirklich alle wissen? Bei den Klassikern zähle ich Sauvignon Blanc, Grüner Veltliner, Riesling und Chardonnay bei den Weissweinen und Blaufränkisch, Pinot Noir, St. Laurent und Cabernet Franc bei den Rotweinen auf. Bei den unbekannteren Rebsorten muss ich Muskateller und Muskat- Ottonel anführen, ebenso Furmint, Neuburger und die Thermen-Region-Reben Rotgipfler und Zierfandler.

Sie sind ein Fan von Süssweinen. Was ist hier das grosse Plus der Österreicher?

Österreich hat absolute Spezialisten mit Herz für Süssweine von Weltruf. Das merkt man in der Balance und Reintönigkeit der Weine. Die Frucht ist charmant, hat Schmäh und Pfiff.

Gibt es Sorten, die eher selten auf Ihren Tisch kommen?

Reinsortig trinke ich kaum Merlot und Zweigelt. Auch konventionelle Grauburgunder erquicken mein Herzerl nicht. Ich mache das aber nicht generell an Sorten fest, sondern mehr an der Machart und am Typ, der ausser plakativer Frucht nur pure Langeweile zu bieten hat.

Welche Rolle spielt der Sekt in Österreich?

Er prickelt mehr denn je, im wahrsten Sinn des Wortes. Reanimiert, aus der Nische geholt, und zwar überwiegend von den Winzern selbst. Zum neuen Boom des hochwertigen österreichischen Sektes hat sicher die Sektpyramide wesentlich beigetragen.

Sind Sie ein Freund von Orange-Weinen?

Ja, allerdings bin ich in diesem Segment besonders anspruchsvoll. Vornehmlich Aromasorten wie Traminer, Muskateller und Weine der weissen Burgunderfamilie gewinnen oft an Frische und Tiefe zugleich. Nur ganz wenige können allerdings hinter der dominanten Machart noch die Herkunft transportieren.

Gibt es für Sie Lieblingskombinationen bei Wein und Essen?

Ich gehe sehr unorthodox mit dem Thema um. Guter Wein und gutes Essen finden irgendwie immer zusammen. Die Zeiten der Dogmatiker sind Gott sei Dank vorbei.

Wie oft trinken Sie selbst österreichischen Wein im Monat?

Was bin ich froh, dass die Frage nicht lautete, wie oft am Tag...