Dossier Abruzzo 2020 • Platzhirsch unter den Anbauzonen
Chieti in den Händen der Montepulciano
Text: Christian Eder, Foto: z.V.g.
Die Täler der Abruzzen sind für Weinbau wie geschaffen: Von den Höhen des Apennins senken sie sich Richtung Meer ab. Reben, Getreidefelder, Olivenhaine, Wälder und kleine Dörfer verbinden sich mit langen Sandstränden zu einem Gesamtkunstwerk.
Viele der Reben sind noch auf der klassischen Pergola Abruzzese gezogen. Diese besitzt in Zeiten des Klimawandels einen grossen Vorteil: Unter dem schützenden Blätterdach können die Trauben gleichmässig ausreifen – allen voran die rote Rebsorte Montepulciano d’Abruzzo, den Herrscher der Abruzzen und auch des Weinbaus in den Abruzzen. Historische Dokumente belegen, dass die Rebsorte seit Mitte des 18. Jahrhunderts in der Region präsent ist. Die spätreifende Sorte ist von kegelförmiger Pyramidenform, die längliche Beere selbst bereift und mit konsistenter Schale.
Auch die weissen Trauben gewinnen in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Allen voran Trebbiano, aber auch die noch weniger verbreiteten autochthonen weissen Rebsorten Passerina, Pecorino, Cococciola oder Montonico geraten zunehmend in den Fokus der Weinliebhaber.
Bis an den Grenzen zur Region Molise ist die Provinz Chieti im Südosten der Region der Platzhirsch unter den Anbauzonen, in der rund 80 Prozent der regionalen Produktion konzentriert sind. Das hat einen historischen Grund in der stark genossenschaftlichen Struktur des Weinbaus der Region (die meisten der mehr als 30 Genossenschaften sind in dieser Provinz angesiedelt).
Aber nicht nur die etablierten Grössen, auch immer mehr junge Winzer zeigen, wie vielfältig das Anbaugebiet ist, in dem der Weinbau ganz unterschiedliche Resultate hervorbringen kann.
Chieti und mehr
Die Universitätsstadt Chieti ist Hauptstadt der Provinz Chieti und Sitz des Erzbistums Chieti-Vasto. Chieti liegt 15 Kilometer von der Adria entfernt in der Nähe des Flusses Pescara auf einem engen Gebirgsrücken, der sich entlang des Flusses erstreckt. Der Stadtkern von Chieti Alta mit dem Dom aus dem 13. Jahrhundert ist ebenso einen Besuch wert, wie der Corso Marrucino oder das Museo Archeologico: Dort ist eine mehr als zwei Meter hohe Kriegerstatue aus vorrömischer Zeit, der Krieger von Capestrano, zu sehen.
Aber nicht nur in Chieti, in der gesamten Provinz findet zahlreiche Natur- und Kulturschätze: Zum Beispiel Ortona mit seiner Kathedrale, in der die Überreste des Hl. Thomas – San Tommaso – begraben sind. Ortona ist auch der Endpunkt des Pilgerweges, der dem Heiligen gewidmet ist, und über mehr als 300 Kilometer aus dem Latium in die Abruzzen führt – zu Fuss oder auch mit dem Fahrrad ein zweiwöchiger Trip. Im Palazzo Corvo in Ortona ist auch der Sitz des Consorzio Tutela Vini d’Abruzzo mit der angeschlossenen Enoteca Regionale in der man die ganze Vielfalt der Weinproduktion der Region verkosten und erwerben kann.
Südlich von Ortona liegt die Costa dei Trabocchi, an der noch mehr als 30 hölzerne Fischfangplattformen (Trabocchi) zu sehen sind. Manche davon wurden in pittoreske Fischrestaurants umgebaut. Ganz im Süden der Region ist auch die Stadt Vasto einen Besuch wert. Zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt unter anderem die Cattedrale di San Giuseppe aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. In der Altstadt erhebt sich das mächtige Kastell Caldora aus dem
15. Jahrhundert das an der Stelle einer älteren Anlage aus dem Hochmittelalter errichtet wurde.
Kulinarische Pflicht ist die geschmackvolle Brodetto Alla Vastese probieren, die abruzzesische Version der Bouillabaisse. Dazu passt hervorragend ein Glas Cerasuolo d’Abruzzo DOC!