Best of Österreich

Rot? Weiss! Rot!!

Text: Harald Scholl, Foto: © ÖWM / WSNA, Österreich Werbung, Wolfgang Schardt, Anne-Katrin Weber

Die Geschichte des österreichischen Weins in der Schweiz ist recht komplex, was für ein Nachbarland nicht ungewöhnlich ist. Tatsächlich ist die Schweiz heute der zweitwichtigste Exportmarkt für österreichische Weine in Europa. Mit einer langen Erfolgsgeschichte. Denn schon im 19. Jahrhundert wurden in Zürich und Basel Weine made in Austria getrunken. Zu dieser Erfolgsgeschichte hat vor allem der Schweizer Fachhandel beigetragen. Insbesondere weil die Schweizer gerne die höherwertigen Weine aus Österreich trinken, haben die Winzer ein wachsames Auge auf diesen Markt. Höchste Zeit also, einmal genauer hinzuschauen und zu degustieren, was da von der Donau über den Arlberg ins Land kommt und in den Regalen steht.

Nur um die Bedeutung des Weinhandels zwischen Österreich und der Schweiz zu verdeutlichen, ein paar Zahlen vorneweg: Im Jahr 2001 wurden etwa 250 000 Liter österreichischer Wein in die Schweiz exportiert. Aktuell sind es schon 3,5 Millionen Liter. In dieser Zeit ist der Umsatz von 1,6 Millionen Euro auf über 19 Millionen Euro angestiegen. Die Schweiz ist also ein echt wichtiger Exportmarkt, vor allem, was den Wert angeht. Rund 60 Prozent aller österreichischen Ausfuhren gehen zu einem Literpreis von 2,20 Euro nach Deutschland. Das macht also grob gesagt 47 Prozent des Exportwerts aus. Von der gesamten Ausfuhrmenge gehen aber immerhin sechs Prozent in die Schweiz. Und der durchschnittliche Literpreis von 5,70 Euro wird nur von China (7,70 Euro) und Dänemark (6,20 Euro) übertroffen. Im Gegensatz zum Massenmarkt Deutschland ist die Schweiz für Österreich gewissermassen ein Markt für «Fine Wines». Bisher ist dieser Markt vor allem auf die Deutschschweiz fokussiert, also den Osten des Landes. Denn in Bern tun sich Grüner Veltliner und Zweigelt als zwei der wichtigsten Rebsorten an der Donau immer noch schwer. Um das zu ändern – was sich für den aufgeschlossenen Weintrinker definitiv lohnt –, sollte man mal einen Blick auf einzelne Weinbaugebiete werfen. Die Auswahl folgt dabei keinem klaren Konzept, aber die Bekanntheit ist als Indikator schon recht hilfreich.

Einmalig in allen Gebieten

Die Wachau ist eines der renommiertesten Weingebiete Österreichs und weltweit bekannt für ihre Weissweine, insbesondere für den Grünen Veltliner und den Riesling. Die steilen Terrassenlagen und die Mischung aus Urgesteinsböden, Löss und Lehm sorgen dafür, dass die Weine ihre typische Mineralität und Ausdruckskraft bekommen. Das Klima ist perfekt für frische, aromatische Weine: Warme Tage und kühle Nächte sorgen für eine besondere Note. Der Grüne Veltliner zeigt sich hier oft sehr mineralisch, würzig und mit einer schönen Säurestruktur. Vor allem die höherwertigen Weine haben ein enormes Reifepotenzial und können ohne Probleme 10 oder sogar 20 Jahre alt werden. Das gilt auch für die Rieslinge, die richtig aromatisch sind. Das Aromenspek­trum ist vielfältig und reicht von Zi­trusfrüchten wie Limetten bis hin zu Pfirsichen. Eine Besonderheit sind die Wachauer Qualitätskategorien, die in einem eigenen Klassifikationssystem, dem «Vinea Wachau Nobilis Districtus», eingeteilt sind. Die Weine der Kategorie Steinfeder sind leicht und frisch und haben einen Alkoholgehalt von bis zu 11,5 Volumenprozent. Sie sind perfekt für das klassische tägliche Glas Wein. Die nächste Kategorie ist das Federspiel. Hier geht’s um mittelgewichtige Weine mit einem Alkoholgehalt zwischen 11,5 und 12,5 Volumenprozent. Die sind dann schon etwas anspruchsvoller. Die absoluten Topweine sind die Smaragd-Weine, die richtig kräftig, komplex und langlebig sind. Sie haben einen Alkoholgehalt von über 12,5 Volumenprozent und reifen auch noch nach Jahren. Das Kremstal, das Kamptal und der Wagram liegen geografisch direkt neben der Wachau. Trotzdem sind die Weine aus diesen drei Anbaugebieten durchaus eigenständig. Man darf nicht unterschätzen, wie sich die unterschiedlichen Bodenformationen und kleinklimatischen Unterschiede auswirken. Das Kamptal ist vor allem für seine Weingüter bekannt, die Tradition und Innovation verbinden. Fred Loimer, das Weingut Bründlmayer und Alwin Jurtschitsch sind nur ein paar Beispiele für Winzer im Gebiet, die richtig was auf dem Kasten haben. Sie stehen für eine Winzer-Generation, die sich immer für neue Weinstilistiken interessiert und das Erbe der Väter behutsam in die Moderne geführt hat.

Das kann man auch über viele Betriebe im Weinviertel sagen, das sich nördlich an die drei genannten Gebiete anschliesst. Es ist das grösste Weinanbaugebiet Österreichs und erstreckt sich über den gesamten nordöstlichen Teil Österreichs, entlang der Grenze zur Tschechischen und zur Slowakischen Repu­blik. Auch hier ist der Grüne Veltliner die Hauptsorte in den Weingärten. Hier wurde auch der erste DAC-Wein gemacht. Weinviertel DAC ist eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung. Damit ist garantiert, dass ein Wein bestimmte, klar definierte Qualitätskriterien erfüllt. Dieses Konzept haben inzwischen alle österreichischen Anbaugebiete übernommen. Erfolg spricht sich eben schnell herum.

Der Blick nach Osten

Die Steiermark gehört inzwischen zu den Topweinregionen der Welt und ist in drei Teile unterteilt: Südsteiermark, Weststeiermark und Vulkanland Steiermark. Diese Einteilung ergibt absolut Sinn, weil jede dieser Unterregionen ihre Besonderheiten hat. Das Terroir und die Weinstile sind zum Beispiel in der Südsteiermark mit ihren frischen, aromatischen Weissweinen ganz anders als in der Weststeiermark. Im Detail: Die wichtigste Rebsorte der Südsteiermark ist Sauvignon Blanc. Die Weine daraus werden selbstverständlich mit den grossen Sauvignon Blanc der Welt verglichen. Und dank Produzenten wie Tement, Sattlerhof oder Neumeister feiern sie regelmässig Erfolge. Die Weine überzeugen durch ihre ausgeprägte Mineralität und vitale Säure, die ihnen eine besondere Frische und Präzision verleihen. Die Weststeiermark ist dagegen die Heimat des Schilcher, ein roséfarbener Wein, der aus der Rebsorte Blauer Wildbacher gekeltert wird. Dank knackiger Säure, erfrischender Fruchtigkeit und pikanter Würze ist dieser Wein zum unverwechselbaren Markenzeichen des Gebiets geworden. Und dann wäre da noch das Vulkanland Steiermark. Hier werden aus Welschriesling, Morillon (das ist Chardonnay) und roten Sorten wie Zweigelt und Pinot Noir etwas kräftigere und fruchtbetontere Weine gemacht als im Rest der Steiermark.

Noch ein Blick auf das Burgenland, das allein schon wie ein ganzes Weinland anmutet, so vielfältig wie es ist: Neusiedlersee, Mittelburgenland, Eisenberg, Leithaberg und Rosalia sind weltweit bekannt und haben ihre jeweils ganz eigenen Weinstile. Am Neusiedlersee werden besondere Süssweine hergestellt, darunter die berühmten Trockenbeerenauslesen. Die Wärme und Feuchtigkeit des Sees ist perfekt für die Edelfäule (Botrytis). Sie ist wichtig für die unverwechselbare Aromatik der Weine.

Aber auch Rotweine aus Zweigelt und Blaufränkisch werden gekeltert. Das Mittelburgenland wird landläufig auch «Blaufränkischland» genannt, warum, das dürfte klar sein. Hier entstehen einige der besten Rotweine Österreichs – und darüber hinaus. Moric, Wachter-Wiesler, Gesellmann…, die Liste der international renommierten Produzenten ist lang. Das vergleichsweise kleine Weingebiet Eisenberg bringt ebenfalls Blaufränkisch, aber auch den regionalen Rotwein Uhudler hervor. Weine, die eher rustikal und betont würzig ins Glas kommen.


Klassische Wiener küche Tafelspitz

Es darf mit Fug und Recht angenommen werden, dass das Wiener Schnitzel das Lieblingsgericht der Österreicherinnen und Österreicher ist. Die Leidenschaft für Gebackenes macht aber nicht vor dem Kalbfleisch halt. Ganz gleich ob Hendl, Leber, Blumenkohl oder Steinpilze – Gebackenes geht immer. Um diese herzhaften Genüsse entsprechend zu begleiten, sollte man zu Weinen greifen, die entweder durch ihre frische, pikante Art oder ihre komplexe Kraft mithalten können – trockener, fruchtbetonter Weisswein wie Grüner Veltliner von klassisch bis kräftig oder eine regionale Sorte wie Rotgipfler oder Neuburger für die experimentierfreudigeren Geniesser. Platz zwei in der Beliebtheitsskala österreichischer Gaumenfreuden dürfte der Tafelspitz einnehmen, seinerzeit die Leibspeise von Kaiser Franz Joseph I. Das gekochte Stück Fleisch geniesst bis heute Kultstatus in Wien. «Wer nicht über mindestens ein dutzend Stücke von gekochtem Rindfleisch sachkundig sprechen konnte, gehört in Wien nicht dazu, gleichgültig, wieviel Geld er verdiene oder ob der Kaiser ihm den Titel Hofrat oder Kommerzialrat verliehen hatte», schrieb Joseph Wechsberg, seines Zeichens Feuilletonist aus der Zeit. Zu den Dutzend Fleischstücken zählen Schulterscherzl, Beinfleisch, Kruspelspitz, Hieferschwanzl, Kavalierspitz, Mageres Meisl, Schwarzes Scherzl – die Liste ist lang. Derart gekochtes Fleisch wird immer von diversen Beilagen begleitet und verlangt nach komplexen Weissweinen mit Schmelz. Und zu gebratenen Speisen wie Zwiebelrostbraten, Ente, Gans und Lamm sind kraftvolle Weisse – gerne gereift! – wie auch ein eleganter Zweigelt oder ein reifer Blaufränkisch denkbar. Denn die Röstaromen des Fleisches haben eine chemische Entsprechung in den Gerbstoffen und Tanninen dieser Rotweine.


Eeine wie keine: Blaufränkisch

Die Verkostung hat es einmal mehr gezeigt: Blaufränkisch ist die herausragende Rotweintraube, wenn es um Fragen von Exzellenz geht. Die ersten drei Plätze im Tasting wurden von Weinen aus dieser Rebsorte belegt, erst danach kamen Grüner Veltliner und Sauvignon Blanc. Das mag natürlich auch daran liegen, dass Rotwein in der Schweiz immer noch fast doppelt so viel getrunken wird wie Weisswein und die Händler sich mit ihrem Angebot – das diesem Tasting zugrunde lag – daran orientieren, womit Rotwein deutlich stärker im Regal vertreten ist. Aber die Klasse von Blaufränkisch hat nicht nur in diesem Wettbewerb überzeugt, die Rebsorte ist auch international immer stärker im Fokus. Geschätzte 17 500 Hektar sind weltweit mit Blaufränkisch bestockt, das schliesst den deutschen Lemberger ebenso wie den ungarischen Kékfrankos mit ein. Die Herkunft der Rebsorte scheint relativ eindeutig in der historischen Untersteiermark zu liegen, also im heutigen nordöstlichen Slowenien. In Österreich wurde die Sorte erstmals im 18. Jahrhundert erwähnt, erst danach tauchte sie in Deutschland unter der Bezeichnung Lemberger oder Limberger auf – abgeleitet vom Ort Limberg, heute Maissau, in Niederösterreich.

Blaufränkisch ergibt in aller Regel Weine von tiefer, dunkler Farbe die bis ins Violette reicht. Die aromatische Palette geht von Kirsche, Brombeere und Pflaume bis hin zu würzigen und deutlich pfeffrig-würzigen Noten. Was sie überdies auszeichnet ist die attraktive Säure- und die markante, prägende Tanninstruktur. Das beste Weingebiet in Österreich für Blaufränkisch ist ganz klar das Burgenland, insbesondere die Gebiete Mittelburgenland, Neusiedlersee und Eisenberg, aber auch Carnuntum in Niederösterreich. Jedes dieser Gebiete verleiht den Weinen einzigartige Geschmacksprofile, die von Faktoren wie Klima, Boden und Weinbereitungstechnik beeinflusst werden. Aus Blaufränkisch lassen sich eine ganze Reihe von Weinstilen herstellen – von leichten, frischen und fruchtigen Weinen, die für den frühen Verzehr gedacht sind, bis hin zu tiefgründig-komplexen und strukturierteren Weinen, die nicht nur von der Reifung profitieren können, sondern sie sogar benötigen, um ihre ganze Klasse zeigen zu können.