Ein Leben am Mittelmeer mit Fisch, Oliven und Wein
Istrien: Schinken, Trüffel und vieles mehr!
Text: Ursula Heinzelmann; Foto: gettyimages/molka
Istrien nationalgeographisch, das ist viel Kroatien, ein wenig Slowenien und eine grosszügige Prise Italien. Doch unendlich blaue Adria, Kieselstrände, Kiefernwälder und Fischerhäfen an den Küsten, hügelige Laubwälder, Bergdörfer, Karst und Macchia im Inneren kümmern sich wenig um solche Grenzen.
Die Menschen in dieser mediterranen Landschaft haben die endlosen Wogen an Geschichte über sich herziehen lassen, arrangieren sich so gut wie möglich und profitieren davon, dass die grossen Kämpfe glücklicherweise andernorts ausgetragen wurden. Hier auf der Halbinsel, der grössten des Mittelmeers, geht es ums tägliche Leben, um das Holz aus den Wäldern, das Getreide auf den Äckern, Fisch, Oliven – und Wein.
Kleine Anwesen, die sich zu meist ebenso bescheidenen Ortschaften gruppieren und dem Boden so viel abtrotzen, dass es zum Sattwerden reicht, sich essen und trinken lässt, man ein wenig mit dem einen oder andern Nachbarn tauschen und der notwendige Obolus an die jeweilige Obrigkeit gehen kann. Das ist mit den Phöniziern (die immerhin den Weinbau einführten) nicht anders als mit den Slawen, Römern, Ostgoten, Franken, Ottomanen, Venezianern, Habsburgern oder Italienern und mit Napoleon gewesen und wurde nach ihnen nicht einfacher.
Istrien ist nicht das Paradies, aber das beharrliche Durchsetzen über all die Jahrhunderte, ob nun auf Italienisch, Slowenisch, Kroatisch oder Altrumänisch oder in den vielen altertümlichen Sprachvarianten, hat für feste Wurzeln gesorgt, die all diese Kulturschichten in ihrer Vielfalt tragen. Sichtbar wird das in Form von den runden, aus trockenen Steinen aufgeschichteten Kažuni-Hütten und Gradine-Burgen, Amphitheatern, Thermen und Tempeln, Basiliken, kleinen mittelalterlichen Kirchen mit atemberaubend lebendigen Fresken, Klöstern und Kathedralen bis hin zu Loggien und Campanile und schliesslich im Jugendstil und Sozialismus. Trotzdem ist Istrien kein Museum, die Geschichte ist einfach da und trifft aufs Leben.
Lufgetrocknete Schinken und hausgemachtes Brot in familiengeführten Tavernen
Heute wie einst gibt es in den Konoba, einfachen, familiengeführten Tavernen, im Landesinneren Pršut, luftgetrockneten Schinken mit hausgebackenem Brot, Ziegenkäse, Maneštra-Eintopf, Fuži-Nudeln und Žgvacet, Fleischragout, und an der Küste das ganze Repertoire der Adria, von Brassen bis Sardinen. Mit eigenem Olivenöl selbstverständlich. Und dazu schwarze und weisse Trüffeln, Feigen, Artischocken, Kakifrüchte… Das alles ist heute ein wenig moderner, zuversichtlicher, frischer, und wie beim Öl besinnt man sich auch beim Wein zurück auf das, was wirklich gut und besonders war und übersetzt es ins Heute, in Weinberg und Keller, vor allem mit den einheimischen Sorten Malvasia und Teran. Baut aber auch in Amphoren aus und trocknet in den besten Jahren die besten Trauben im trockenen, warmen Bura-Wind, für Weine, die ebenso stark und kräftig sind wie diese Landschaft und die Menschen in ihr – und deshalb auch anpassungsfähig, das werden Sie in der eigenen Küche sofort merken
Istrien ist aber auch…
So vieles gibt es zu entdecken, was vielleicht nicht unbedingt ganz vorne in den Weinregalen steht, aber keinesfalls nur vor Ort in Istrien selbst erhältlich ist – obgleich das natürlich ein wunderbarer Grund für eine Reise an die Adria wäre, sobald wieder realistisch und machbar!
Malvasia mit Qualität und Stil
Bleiben wir zunächst beim Malvazija oder Malvasia (Istrien ist, das haben Sie längst verstanden, vielsprachig, mit Kroatisch, Italienisch und Slowenisch als Hauptsprachen). Tiefe historische Wurzeln erlauben heute eine grosse gestalterische Freiheit in Sachen Wein, ein neues Ausloten in Qualität und Stil. Das heisst: wenig feste Kategorien. Ja, normale und komplexe Malvasia lassen sich in etwa wie beschrieben umreissen, doch die Grenzen zu ebenso komplexen maischevergorenen Weinen (gelegentlich als «Antica» bezeichnet) sind ebenso fliessend wie der Einsatz von Holz und der Gebrauch anderer Behälter wie Amphoren oder Fässern aus Beton. Darüberhinaus gibt es Ausnahmeweine, für die ein Teil der Trauben am Stock oder nach der Lese getrocknet wird, mit wunderbaren Feigen-, Rosinen- und Honigaromen und variabler Süsse.
Neben Malvasia werden die üblichen internationalen Sorten wie Chardonnay, Sauvignon Blanc und Viognier angebaut sowie, beeinflusst von Italien, Pinot Bianco und Grigio, alle denkbaren Cuvées mit und ohne Malvasia, mit biologischem Säureabbau und/oder Abfüllung in Holz.
Rotweine wachsen auf den Terra-Rossa-Böden hervorragend
Besonders auf den Terra-Rossa-Böden wachsen ausserdem rote Sorten, allen voran der einheimische Teran beziehungsweise Terrano oder Refošk. In qualitätsbewussten Händen bringt er Weine mit belebender Säure, festen Tanninen, viel Kräuter- und Beerenaromen und sehr gutem Reifepotenzial hervor. Häufig wird Teran nach toskanischem Vorbild zu sogenannten Super-Istrians mit internationalen Sorten verschnitten. Besonders Merlot fühlt sich ausgesprochen wohl an der Adria. Es lohnt sich aber auch nach Borgonja Ausschau zu halten, wie der Blaufränkisch hier heisst, der eher helle, beschwingte Weine ergibt.
Und als sei das alles nicht schon mehr als genug, sind da Muskat-Weine verschiedenster Stilistiken, vor allem Momjan und Rosenmuskateller, vereinzelt Pet Nat und Sekt und nicht zu vergessen Biska, Mistelschnaps und Medica, Honiglikör…