Kochen und Essen zu Lambrusco

Trinken, kochen, essen: Tortellini, Prosciutto, Barbecue… und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann / Bilder: gettyimages / Merinka 

Lambrusco, der Wein aus den wilden Reben, die einst an den Hängen des Apennin die Bäume emporrankten, der Wein, der im Frühjahr wieder zu sprudeln und zu schäumen begann, oftmals tiefrot ist und doch kühl am besten schmeckt – aus einem Landstrich, der sich den kulinarischen Freuden verschrieben hat wie kein Zweiter in Italien.

Allein die Pasta! Tortelli, Tortellini und Tortelloni, Fettuccine, Tagliatelle und Lasagne… das Repertoire ist schier endlos – seit Jahrhunderten bewahrt von den «Sfogline», Expertinnen im präzisen Ausrollen und Formen frischen Eiernudelteigs. Doch damit bei weitem nicht genug. Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna: Das Herz der Emilia-Romagna, der Ebene zwischen dem Apennin und dem Flusstal des Po, ist seit der Urbarmachung der einstigen Sümpfe fruchtbares Ackerland, das Klima warm und gemässigt; hier wachsen neben den Reben Weizen, Reis und Kartoffeln, Oliven und Walnüsse, Früchte und Gemüse aller Art, hier werden Rinder, Schweine und Geflügel gehalten – und die Nudeln deshalb mit Mortadella, Parmaschinken und Rindfleisch gefüllt, mit Parmigiano Reggiano bestreut, in Sahne und Tomatensauce serviert.

Bengodi, das Schlaraffenland in Boccaccios «Decamerone», ist nie verortet worden, doch wo man «die Weinreben mit Würsten anbindet und eine Gans für einen Denajo bekam und einen Ganter dazu […es einen] Berg ganz aus geriebenem Parmesankäse [gab], auf dem Leute standen, die nichts anderes taten, als Makkaroni und Ravioli zu machen und sie in Kapaunenbrühe zu kochen» – das muss doch das Herz der Emilia-Romagna sein, oder? Hätte Boccaccio in der Emilia oder in Bologna gelebt statt bei Florenz, hätte er in Bengodi sicher keinen Vernaccia, sondern Lambrusco als Flüsschen fliessen lassen.

«Man braucht nur den richtigen Lambrusco mit dem richtigen Essen zu kombinieren, und schon hat man das Gefühl, ins gastronomische Nirwana katapultiert worden zu sein.»

Ian D’Agata, italienischer Weinexperte

Nun gut, nicht alles war und ist schlaraffig im Lande der wilden Reben. Römer, Langobarden, Franken, Guelfen und Ghibellinen, die Kirche und ihre Päpste, Habsburger und Bourbonen, später Faschismus und Resistenza: Die Geschichte ist auch hier eine belebte. Ein Schluck Lambrusco aus den Reben hinterm Haus, dazu ein Gnocco Fritto, in Schmalz ausgebackenes einfaches Brot, das war für viele sicher oftmals Luxus. In neuerer Zeit beutelte es selbst den unkomplizierten bäuerlichen Schäumer, nahmen Gier und Technik überhand, beraubten ihn seines bodenständigen Charakters und reduzierten ihn auf Kitsch und Bonbonsüsse. Doch genauso wie es heute guten Prosciutto di Parma zu suchen gilt, mancher Parmigiano Reggiano deutlich komplexer schmeckt als die breite Masse und die Tortellini aus erfahrenen SfoglinaHänden eine Klasse für sich darstellen, lohnt sich auch der Weg die Hügel hinauf zu den alten Rebstöcken und den ungeschminkten bäuerlichen Weinen. «Sgrassante», zu Deutsch «Abspecker», das klingt ein bisschen despektierlich, beschreibt aber ziemlich genau, welch grossartige Begleiter sie zu der kulinarischen Bengodi-Fülle, von Gnocco über Prosciutto bis zu Pizza und Barbecue, sind. Probieren Sie es selbst.

Geschichte zur Region

Revival der wilden Vielfalt

In den letzten Jahren erfährt die autochthone Vielfalt8 der Lambrusco-Rebfamilie ein Revival, entstehen immer mehr ursprüngliche Weine aus alten Reben, wird genetische Diversität bewusst gefördert. Dazu kommen die vielen Weinstile, von hoch eleganten Spumante über hefetrübe Metodo Ancestrale bis zu spannenden Stillweinen, von knochentrocken bis zu fruchtig-amabile.



Klassische Mariage: Tagliatelle al Ragù alla Bolognese

Tagliatelle, die langen, flachen Eier-Bandnudeln, sind die urtypische Pasta-Form der EmiliaRomagna und die ideale Ergänzung zum Ragù Bolognese, der tomatigen Fleischsauce, die einst als Sonntagsessen galt.

Rezepte dafür gibt es so viele wie italienische Nonnas, einig sind sich aber alle, dass das Fleisch von Schwein und Rind sein und das Ragù lange und langsam kochen muss. Klassischer, dunkler Lambrusco Grasparossa di Castelvetro als Frizzante Secco fängt alle Komponenten auf dem Teller auf, setzt ihnen genau die richtige Fülle entgegen und ergänzt sie um seine unbeschwerte und doch würzige Himbeer-, Kirsch- und Blaubeerfrucht.

Dazu: Lambrusco Grasparossa di Castelvetro

Durch seine dickere Beerenhaut bringt der Grasparossa viel Farbe, Gerbstoff und Kraft ins Glas: Das harmoniert mit dem lange gegarten Ragù, gleichzeitig verfügt er aber auch über viel Frucht, um die Tomatensäure zu begleiten.

Neue Mariage: Gebratene Gyoza

Die Füllung der japanischen halbmondförmigen Teigtaschen aus Fleisch und Kohl duftet nach Knoblauch, Ingwer und Sesamöl.

Sie werden gekocht serviert, als Yaki-Gyoza aber auch zusätzlich angebraten. Eine Mischung aus Sojasauce, Reisessig und etwas Chili dient als Dip und sorgt für zusätzlichen Kick; insgesamt angenehm sättigend, aber nicht schwer. Mit hefetrübem, also auf der Flasche vergorenem, nicht degorgiertem Lambrusco di Sorbara (quasi ein Pet Nat) wird daraus ein echtes Ereignis: Er fügt den asiatischen Aromen Rhabarber, Zitrusfrucht und Johannisbeeren hinzu.

Dazu: Hefetrüber, trockener Lambrusco di Sorbara

Frucht, Säure und Duftigkeit bestimmen den Lambrusco di Sorbara, lassen ihn an Ingwer, Knoblauch und Soja-Essig andocken; die Hefe verleiht die Textur, die er für die Teighülle braucht – jeder Schluck wirkt zu den Gyoza wie ein Spritzer frischer Yuzu-Saft.

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