Kochen und Essen mit Kaiserstühler Grauburgunder

Trinken, kochen, essen: Mistkratzerle, Forellen, Flammkuchen…und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann / Foto: GettyImages / Olha_Afanasieva 

Ein über 500 Meter hoher Vulkankegel, der naturräumlich zum Tiefland gehört? Einer der wärmsten Orte Deutschlands, Heimat von Smaragdeidechsen und Orchideen, der frische, lebendige Weine hervorbringt? Kein Witz, sondern: Kaiserstuhl!

Kaiserstuhl ist vor allem auch Grauburgunder. Von leicht, frisch, kräuterwürzig-fruchtig bis zu tiefer, mineralischer Kraft, und immer grossartig zum Essen. Was hier im Windschatten der Vogesen, wo die Mittelmeerluft das Rhônetal hinaufweht und den Frühling so früh wie sonst nirgends in Deutschland ausruft, eine Selbstverständlichkeit ist; Essen ist wichtig, gut muss es sein, und Wein gehört dazu.

«Das Spannungsfeld des Grauburgunders vom frischen Tischwein bis zur höchsten Qualität spiegelt die Vielfalt und Einzigartigkeit des Kaiserstuhls wider.»

Regina Stigler, Weingut Stigler, Ihringen, Kaiserstuhl

Wer heute die verwunschenen Ecken und Winkel dieses grössten der neun badischen Anbaugebiete erkundet, in einer der vielen Wirtschaften einkehrt, die gepflegte Gastlichkeit geradezu prototypisch nicht nur verkörpern, sondern leben, mag kaum glauben, dass diese Insel zwischen Freiburg und der Grenze zu Frankreich noch vor hundert Jahren eine arme Gegend war. Die zahlreichen namhaften Weingüter lassen vergessen, dass die Kaiserstühler Kleinwinzer erst mit der Gründung der Winzergenossenschaften ab Mitte der 1920er Jahre zu einem zuverlässigeren Auskommen fanden. Doch ihre Erfahrung reicht lange zurück, denn besiedelt war die abgelegene Insel bereits seit der Jungsteinzeit, Kelten und Römer fanden Gefallen an den fruchtbaren Lössböden, und es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass Letztere hier keine Reben pflanzten, auch wenn es Belege dafür erst fürs achte Jahrhundert gibt, als längst die Alemannen diese germanisch-römischen Grenzgebiete zurückerobert hatten. Dann wogten verschiedenste Grafen als Zuständigkeiten durch die Jahrhunderte, von Zähringern über Stauffer bis zu jenen aus Freiburg, Hachberg und Tübingen, es gab Besitzansprüche an Ländereien von Klöstern und Bistümern in Strassburg und Basel. Auf der Karte also ein geopolitischer Flickenteppich, und das erklärt vielleicht, warum der Kaiserstühler Menschenschlag als solcher von einer gewissen Sturheit geprägt ist.

Die keinesfalls negativ zu bewerten ist, sondern eben auch das Beharren auf Lebensqualität bedeutet; kein ostentativer Luxus, sondern zum Beispiel richtig gute Bratkartoffeln. Die heissen hier Brägili und geben ebenso wie der gerne dazu servierte Bibilikäs (Kräuterquark für Nicht-Kaiserstühler) Anlass zu langen Diskussionen über Rezepturen, Methoden, Vorlieben. Andere Beispiele: Mistkratzerle, also freilaufend aufgewachsene Hühner, geniessen hier hohen Stellenwert. Eichstetten ist eine Biogemüse-Hochburg mit eigenem Samengarten und Kulturpflanzensammlung. Und die Stilistik der Kaiserstühler Weine, allen voran des Grauburgunders, ist gleichermassen eine Balance von ständigem Bewahren von Wurzeln einerseits und Anpassen an Neues andererseits, an Märkte, Klimawandel, die Zeiten und Zuständigkeiten. Ein beharrliches, stures Festhalten am Guten, im Glas – und auf dem Teller.

Geschichte der Rebsorte

Vom Ruländer zum Grauburgunder

Entstanden ist der Grauburgunder als natürliche Mutation des Spätburgunders, also des Pinot Noir, unter anderem in Speyer in der Pfalz, wo Anfang des 18. Jahrhunderts der Kaufmann und Apotheker Ruland einen verwilderten Weingarten erwarb, dessen Wein sich als «süss und lieblich» erwies. Bis Ende der 1970er war der Ruländer denn auch meistens genau das – dann entschied der frankophile Kaiserstühler Winzer und Gastronom Franz Keller, seine trocken durchgegorenen Weine gegen alle juristischen Querelen als Grauburgunder zu etikettieren. Der Rest ist Weingeschichte, Ruländer hat heute Seltenheitswert.



Klassische Mariage: Mistkratzerle

Früher galt ein Brathuhn als Luxus fürs sonntägliche Mittagessen, heute gibt es Grillhähnchen an jeder kleinstädtischen Strassenecke. Geschmacklich liegen dazwischen jedoch Welten!

Ein Huhn, das sich sein Futter selber suchen durfte, ein erfülltes Leben voller Bewegung und frischer Luft genossen hat und dann mit Verstand saftig zubereitet wird, gehört zu den bodenständigen Spezialitäten, auf die sich die Menschen im Kaiserstuhl ausgesprochen gut verstehen. Ein nicht ganz junger Grauburgunder aus einer der vulkanisch geprägten Einzellagen wie dem Ihringer Winklerberg unterstreicht das noch mit reifer gelber Frucht, mineralischer Würze und runder Säure.

Dazu: Kaiserstühler Grauburgunder aus einer vulkanisch geprägten Einzellage.

Stellt dem Huhn nicht nur ausreichend Kraft und Körper gegenüber, sondern bringt auch Frische und Eleganz mit. Insgesamt und alles zusammen: einfach gut.

Neue Mariage: Forellen-Tatar

Der Schwarzwald ist nicht nur eine gute Quelle für Schinken und Speck (wer sucht, der findet richtig guten!), sondern auch für frische und geräucherte Forellen.

In bester Qualität lässt sich daraus ein hervorragendes Tatar zubereiten, entweder ganz aus rohem Fisch oder einer Mischung aus roh und geräuchert, gewürzt mit wenig Senf, Zitrone, Walnussöl, Sojasauce, sehr fein gewürfelter Schalotte und Schnittlauch. Sofort servieren – und den Wein nicht vergessen! In diesem Fall einen Ortswein der frischen, lebhaft kräuterwürzigen Art, dessen Frucht wie die Forellen im Schwarzwaldbach tanzt, ganz leicht und doch geerdet.

Dazu: Kaiserstühler Grauburgunder der leichteren, frischen Art.

Zeigt sich ebenso lebendig wie vormals die Forellen im Bach, unterstreicht mit dezenter Säure ihre feine Textur und fügt dem Tatar eine Ahnung von Akazienblüten hinzu.

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