Kochen und Essen zu Weinen aus Chablis

Trinken, kochen, essen: Austern, Ziegenkäse, Schinken… und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann / Bilder: gettyimages / Lisovskaya 

Ein kleines gallisches Dorf, römische Eroberer, vor den Wikingern fliehende Mönche… das ist im Comic-Schnelldurchlauf der Ursprung des Chablis, der Weinberge, die sich an den Hügeln im Nordwesten des Burgund im Tal des kleinen Flüsschens Serein entlangziehen.

Nahezu mittig zwischen Reims, Sancerre, Beaune und Paris gelegen, die trockenen Weissweine gewissermassen die Verbindung von Champagne und Loire, durch die Wasserstrasse der Yonne ans französische Handelsnetz angebunden, später auch durch die Eisenbahn: Chablis wirkt wie prädestiniert, um (nicht nur) Frankreichs durstige Kehlen zu versorgen. Ein Enkel Karls des Grossen sorgt im 9. Jahrhundert für die baulichen und rechtlichen Grundlagen, bereits im 13. Jahrhundert sind die Weine etabliert und bekannt. Ihre reine, klare Art und ihre Haltbarkeit werden gepriesen, über den Hafen von Rouen floriert auch der Export.

Selbst Revolution und Säkularisierung meistern die guten Leute von Chablis – doch dann brechen ab Mitte des 19. Jahrhunderts schwere Zeiten an. Eine lange Kette von Widrigkeiten in Form von Echtem Mehltau, Reblaus, Falschem Mehltau, der allgemeinen wirtschaftlichen Lage sowie Konkurrenz aus dem Süden des Landes macht den Winzern am nördlichen Rand der für Qualitätswein anerkannten Breitengrade das Leben schwer. Die Anbaufläche sinkt drastisch, die Qualität im Glas aufgrund von Mechanisierung, dem hohen Anteil junger Reben und übermässiger Erträge oftmals auch. Ende der 1980er Jahre, Anfang der 1990er gerät Chablis ins Abseits aller Trends.

«In Chablis habe ich gelernt, dass man den Boden, die Herkunft im Chardonnay schmeckbar machen kann.»

Simone Adams, Winzerin in Ingelheim (Rheinhessen)

Doch so schnell geben die Winzer in dem kleinen Örtchen (Einwohner von Chablis: 2145) nicht auf. Das Leben hier war nie einfach, Zisterziensermönche wurden immer an abgelegene Orte geschickt, deren Umland das Gegenteil fetter Ackerböden war, und nach so gut wie jedem Abstieg folgt ein Aufstieg. Heute profitiert Chablis nicht nur vom Klimawandel (obgleich Spätfröste nach wie vor ein Risiko darstellen), sondern erreicht auch neue, junge Zielgruppen durch die einfache, gut verständliche Struktur des Gebiets: eine Rebsorte, ausschliesslich Weisswein, sämtlich trocken, mit Charakter, aber nicht kompliziert, hierarchisch und logisch in vier Appellationen von petit, klein, bis grand, gross, gegliedert. Mineralisch, ja, aber selten funky, sondern eher cooler «rock juice» – der sich trotzdem ganz einfach trinken lässt.

Und noch dazu ausgesprochen Food-affin ist! Austern: ein Klassiker. Alles andere Meeresgetier: ebenso gut. Genauso klassisch: die vielen kleinen Ziegenkäse aus dem Burgund und von der Loire, vom Charolais über Pouligny- Saint-Pierre bis zum Valençay, am liebsten leicht gereift – aber damit nicht genug: Chaource aus der Champagne und Soumaintrain von quasi gleich nebenan, zwei charaktervolle Kuhmilchkäse, vertragen sich grossartig mit diesen Weinen. Weniger klassisch, aber nicht weniger vergnüglich: Sushi und vieles, vieles andere Asiatische – Chablis liebt die Umami-Würze von Sojasauce. Daneben Fleisch vieler Art – nicht helles – und Sahne und Pilze und Trüffel… es gibt viel zu entdecken.

Klimawandel in Chablis

Früher Austrieb, späte Fröste

Durch die nördliche Lage des Chablis haben die Winzer hier eine Reihe von Methoden entwickelt, um die Reben vor Spätfrösten zu schützen, die sogar noch im Mai die jungen Triebe vernichten können. Die Klimaerwärmung wirkt sich dabei (nicht nur hier) eher negativ aus: Aufgrund milder Wintertemperaturen treiben die Reben immer früher aus. Offene Feuer, Windmaschinen, Heizdrähte, Beregnung, Folien – dem Einfallsreichtum sind kaum Grenzen gesetzt, und doch ist das alles nur Behelf. Wichtiger ist es, die Weinberge so anzulegen, dass die Kälte sich nicht staut, sondern abfliessen kann.



Klassische Mariage: Gougère

Kleine Windbeutel, gerne auch auf dem Blech zum Kranz geformt, der Brandteig mit Gruyère beziehungsweise Comté in kleinen Würfeln angereichert; aussen knusprig, innen schmelzend.

Angeblich wurde dieses herzhafte Gebäck im vorletzten Jahrhundert von einem Pariser Pâtissier kreiert, der sich in Tonnerre im Département Yonne niederliess – das möge wahr sein oder wie so vieles «Erfundene» viel ältere Wurzeln haben. Tatsache ist und bleibt, dass so ein Brandteig schnell und einfach zu machen ist und dass die fertigen kleinen Gougères sich auch gut einfrieren und kurz aufbacken lassen… und besonders lauwarm hervorragend zum Wein passen! Und eigentlich zu nahezu allem – aber Petit Chablis macht einen unkomplizierten Apéro daraus.

Dazu: Petit Chablis

Petit Chablis bringt genau die richtige frische Säure und Unbeschwertheit mit, um aus dem Gebäck einen kleinen Moment des Innehaltens vor dem eigentlichen Essen zu machen, seine mineralisch-schlanke Art freut sich über knusprigen Teig und Käse-Umami.

Neue Mariage: Gänseleberterrine

Gänsestopfleber, ob pur oder in Form einer Terrine, wird gerne mit Süssweinen serviert. Chablis der Extraklasse ist eine hervorragende Alternative.

Chablis Grand Cru braucht mindestens fünf bis acht Jahre, um seine Komplexität zu entwickeln und im Glas zu zeigen. Die Kombination aus Kalkstein, kühlem Klima und säurebetonter Rebsorte, dazu häufig der Ausbau im Holz, das alles muss zusammenfinden. Doch dann ist da ein sehr nuancenreicher, tiefer Wein im Glas (bitte nicht zu kalt!), der sich über das üppige Angebot auf dem Teller freut.

Dazu: gereifter Chablis Grand Cru 

Grosser Wein zu einem Ausnahmegericht: die Aromen im Glas durch die Reife von kandierten Zitrusfrüchten, Honig, Kamille und Aprikose geprägt, der Kalksteincharakter nun rund – das alles begleitet die geschmeidige Fülle und Textur der Terrine und wirkt leichter als klassischer Sauternes oder ähnliche Weine.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren