Kochen und Essen zu Weinen aus der Provence

Provence: Knoblauch, Fisch, Kräuter…und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / merc67

Zwischen Mittelmeer und Alpen, 200 sonnige Kilometer entlang der Küste, von der Rhône-Mündung bis zur italienischen Grenze – die genaue Definition der Provence variiert je nach Blickwinkel. Aber eines ist sie immer: besonders. Und im Glas meist roséfarben.

Lavendel- und kräuterduftende Berge im Rücken, vor sich die glitzernden Wellen des Mittelmeers – das klingt idyllisch, war es aber natürlich keinesfalls immer. Viele Eroberungen, Feldzüge und Schlachten wogten um und durch diesen Landstrich, dessen grösste Stadt, Marseille, bis heute als kultureller Brennpunkt gilt.

«Das Terroir der Provence bietet enormes Potenzial für einzigartige, komplexe Rotweine: Besonders in Bandol, Palette und Bellet gibt es viel zu entdecken!»

Sébastien Visentin, Vin sur Vin Diffusion, Berlin

Es heisst, die Siedlung sei im 7. Jahrhundert v. Chr. Durch eine königliche Hochzeit zwischen griechischen Phokäern und aus dem Norden vordringenden Kelten gegründet worden. Tatsächlich entstand an einer geschützten Bucht eine griechische Kolonie, die regen Handel mit den lokalen ligurischen Stämmen trieb und deren kultureller Einfluss sich durch neue Niederlassungen wie Antibes und Nizza nicht nur an der Küste, sondern durch die natürliche Verbindung entlang der Rhône bis weit ins Hinterland ausdehnte.

Die Beziehung zu den Kelten entwickelte sich hingegen auf die Dauer eher als problematisch, und im 2. Jahrhundert v. Chr. sah sich das einst so starke griechische Marseille schliesslich gezwungen, Rom um militärischen Beistand zu bitten. Die Römer kamen, siegten und annektierten den gesamten Süden Galliens kurzerhand als neue Provincia Gallia. Viele der emblematischen Bauten der Provence sind römischen Ursprungs, etwa der Pont du Gard, ein mächtiger Aquädukt, oder das Amphitheater von Orange, während Kathedralen, Paläste und alte Stadtmauern von späteren Jahrhunderten zeugen, als nach Goten und Franken auch die Päpste kamen, Fürsten, Grafen und Könige ihre Ansprüche stellten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zieht es dann vor allem Touristen als Sonnenanbeter nach Nizza, Cannes und Saint-Tropez.

Im wildromantischen Hinterland ist das Leben hingegen oft hart, da die Sonne hier unerbittlich und der Wind brutal und kalt sein kann, das Leben mühsam. Die provenzalische Küche mit ihren ausgeprägten Aromen ist auch das Bemühen, trotzdem das Beste aus dem Vorhandenen zu machen, mit Kräutern sowie Knoblauch – ein altes Konzept, das beileibe nicht nur in der Provence funktioniert! – und Wein gehört selbstverständlich und grundsätzlich dazu. Der hat sich, nachdem er lange vor allem Durstlöscher war, auf seine Stärken besonnen und erzählt auch fernab des Mittelmeers von wilden Garriguekräutern und knorrigen Olivenhainen, blühenden Mandelbäumen und duftenden Lavendelfeldern.

Geschichte zur (Wein-)Region: Rosé

Rosé ist kein modernes Phänomen, sondern steht historisch vielmehr am Ursprung der Rotweinproduktion, als tiefdunkle Weine die Ausnahme waren. Heute sind 91 Prozent des in der Provence erzeugten Weins Rosé, von einfachen, süffigen Alltagsweinen bis zu hochkomplexen Gewächsen. 1999 wurde daher in Vidauban ein Forschungszentrum gegründet, das sich als einziges weltweit ausschliesslich diesem Weinstil widmet. Alte und neue Rebsorten, An- und Ausbaumethoden, die Vielfalt der Farbschattierungen (von Pfirsich über Himbeere bis zu Mandarine und Johannisbeere) und der besondere Charakter der Rosé-Weine der Provence sowie ihrer Aromen werden hier studiert.



Klassische Mariage: Ratatouille

Wie bei so vielen alten Gerichten gibt es auch für die Ratatouille nicht «das» Rezept, jede Familie schwört auf das eigene.

Selbstverständlich ist jedoch, dass alle Gemüse vollreif sein müssen und Zwiebeln, Knoblauch, Auberginen, Paprikaschoten und Tomaten einzeln mit Olivenöl gegart und nur kurz zusammen erhitzt werden. Beim Wein herrscht ebenfalls Einigkeit: rot muss er sein, nicht rosé! Zum Beispiel einer von den Hängen der Montagne Sainte Victoire, östlich von Aix-en-Provence, aus Syrah mit Grenache, oder ein kräuterwürziger Bandol auf Basis von Mourvèdre mit etwas Flaschenreife. Gewagt, aber sehr elegant hingegen ist Weisswein aus Palette bei Aix-en-Provence, aus Clairette und Grenache Blanc.

Ein roter Côtes de Provence verträgt sich unkompliziert mit der Tomatenfrucht der Ratatouille

Ein roter Bandol von den felsigen Hängen am Meer betont die erdiggemüsige Seite

Ein Weisswein aus Palette begegnet der Ratatouille diskret, aber auf Augenhöhe

Neue Mariage: Mezze, orientalische Vorspeisen

Baba Ganoush, Hummus, Taramasalata, gefüllte Weinblätter, Taboulé: Im gesamten östlichen Mittelmeerraum kommen solche Vorspeisen auf den Tisch.

Auberginen, Kichererbsen, Tahin, Fischrogen, zitroniger Reis und Bulgur-Tomaten-Salat mit Petersilie – ein weiter Bogen von Texturen und Aromen, die sich jedoch mit provenzalischen Weinen hervorragend begleiten lassen. Der Klassiker schlechthin ist hier Rosé aus den Côtes de Provence, aus Grenache und Cinsault, mit klarer Frucht und feiner Säure. Deutlich feiner tritt Weisswein von den felsigen Terrassen direkt am Meer in Cassis auf, aus Marsanne und Ugni Blanc. Für Mutige: Rotwein! Etwa ein Coteaux Varois aus dem sogenannten grünen Herzen der Provence.

Rosé Côtes de Provence ist mit frischer Frucht und feiner Säure unkomplizierter Allroundbegleiter

Weisser Cassis wirkt stiller und feiner und macht die Mezze zu etwas Besonderem

Ein roter Coteaux Varois belohnt die Mutigen mit runden, reifen Beerenaromen

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