Kochen und Essen zu Weinen aus den Colli Euganei

Colli Euganei: Polenta, Geflügel, Bigoli und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: gettyimages / bit245 / Davide Marzotto / Sonya Metzler / Al Gonzalez / LuigiConsiglio

Die Euganeischen Hügel im Nordosten Italiens sind ein verstecktes Kleinod, das viele auf dem Weg nach Venedig, Padua oder Verona nur allzu leicht übersehen: eine mediterrane, grüne Oase mit römischen Thermen, venezianischen Villen und vor allem Reben.

Mit dem Satz «Quelle des Wohlergehens, göttliche Arznei» wird in Montegrottos Terme Ostgoten­ König Theoderich zitiert, der um das Jahr 500 in Italien herrschte und der römischen Kultur zu einer späten, letzten Blüte verhalf. Offenbar schätzte er die be­sonderen Kräfte der Thermalbäder in den Euganeischen Hügeln ebenso wie viele Generationen gutbetuchter rö­mischer Bürger vor ihm. Sie hatten Villen, Palazzi und Theater errichtet, um sich nicht nur dem warmen, mine­ralhaltigen Wasser hinzugeben, sondern auch Geist und Seele zu erbauen – manche der heutigen Kur­- und Well­nesshotels liegen buchstäblich auf den Ruinen dieser rö­mischen Bäder.

Und genauso wie heute ist zweifellos auch dem Wein gefrönt worden. Beides ist gleichermassen geprägt von der besonderen geologischen Geschichte dieser Gegend. Am Anfang ein Urmeer, dann vulkanische Kräfte, die sei­ne Sedimente zu Hügeln emporstemmten, teils rund und sanft, teils spitzkegelig, die südlichen Hänge mediterran, die nördlichen kühl, der Kalkboden, weisser Biancone und rötlicher Scaglia Rossa, mit Lavagestein durchsetzt, Trachyt und Ryolith: eine ganz eigene Mischung aus Was­ser und Feuer. Es folgten ein See, Sümpfe, blubbernde Quellen – und viele Versuche, dieser nebligen Landschaft Herr zu werden.

Nach dem endgültigen Verfall der römischen Kultur kamen Mönche auf die einsamen Hügel, Dichter wie Pe­trarca, dann Adelige. Als Folge der weltpolitischen Verwerfungen durch Kolumbus eroberten die Venezianer das Gebiet von den Paduanern, bauten Deiche und Aquä­dukte sowie Landgüter, um das neue Ackerland zu ver­walten.

«Als ich 1980 meinen ersten Weinberg anlegte, hat jeder gesagt: ‹Was macht der denn, der pflanzt ja den Wein wie wir die Bohnen!›

– Winzer Lucio Gomiero, Vignalta

Auf schiffbaren Kanälen wurden Getreide und Wein, aber auch Baumaterial an die Küste transportiert: Trachyt widersteht Erosion und Salzwasser. In grossen Blöcken schützt er den Lido vor den Meereswellen, dient als Pflaster auf dem Markusplatz, wurde ausgiebig zum Strassenbau genutzt – den vielen Steinbrüchen gebot erst eine Bürgerinitiative Ende der 1960er Einhalt, sonst gäbe es die Colli heute gar nicht mehr.

Die Menschen in den Hügeln hingegen, im Schatten der Klöster, Burgen und Paläste, hatten nicht viel von all der Pracht, sie führten ein Dasein in Abgeschiedenheit und Bescheidenheit. Zwischen Reben an hohen Pfählen zogen sie Gemüse und hielten Geflügel, mästeten ein wertvolles Schwein mit den Abfällen und ernährten sich selbst vor allem von Polenta. Viele Höfe wurden in Halb­ pacht geführt, der Wein für den eigenen Durst war alles andere als besonders.

Und doch hatte er natürlich das Potenzial zum Be­sonderen, und in den 1980ern besann man sich auf sei­ne Qualität, brachte die mit grosser Weitsicht bereits im 19. Jahrhundert eingeführten roten Sorten aus dem Bor­deaux zu neuer Blüte, entdeckte alte Reben aufs Neue und verhalf dem Moscato zu verdientem Glanz – eine Quelle des Wohlergehens, die eine wunderbare Ahnung der Hügel auch in Ihr Weinglas bringt.



Der Duft der Hügel: Fior d’Arancio DOCG

Nachdem in den Nachkriegsjahren grosse Mengen Fasswein aus Moscato Bianco erzeugt wurden, rückte ab den 1990ern die Moscato Giallo, auch als Fior d’Arancio (Oran­genblüte) bezeichnet, immer stärker in den Mittelpunkt. In ihren dickeren Schalen verber­gen sich Aromen, die in drei verschiedenen Weinen zum Ausdruck kommen. Als fruchtiger Schaumwein (Spumante) erin­nern sie an duftende Mandarinen, begleiten Panettone, Weichkäse und Peking­-Ente.In der trockenen Variante (Secco) passt ihr Bergamotten­- und Kräuterduft zum Spargel, der ebenfalls in den Hügeln angebaut wird, zu Risotto und Kaninchen. Und als Passito aus getrockneten Trauben sind sie besonders mit etwas Flaschenreife ein komplexes Eli­xier, ein wahrer Meditationswein.

Klassische Mariage: Risi e Bisi mit Gänseconfit

Reis und Erbsen werden seit langem in der Gegend angebaut und sind als Risi e Bisi etwas fester als Suppe, aber flüssiger als ein Risotto. Gänsefleisch wird traditionell als Confit im eigenen Fett eingemacht.

Manzoni, Kreuzung aus Riesling und Pinot Bianco, ist wie geschaffen für dieses Gericht, das Gänsefleisch freut sich über seine ge­ schmeidige Kraft. Überraschend als Begleiter ist Serprino als Frizzante oder Spumante. Die Glera-­Traube fällt hier mineralisch und säure­ frisch aus: Der Reis tanzt. Noch ausdrucks­voller, mit seinem Duft die Süsse der Erbsen umarmend, ist ein trockener Fior d’Arancio. Er wirkt wie ein geheimnisvolles Gewürz.

Manzoni DOC bringt Geschmeidigkeit und Kraft

Serprino DOC belebt mineralisch und mit frischer, spritziger Säure

Trockener Fior d’Arancio DOCG wirkt wie ein geheimnisvolles Gewürz

Neue Mariage: Thunfisch-Crudo

Früher gab es in den Hügeln viel Süsswasserfisch und auch Flusskrebse, heute sind Baccalà (Stockfisch) und Thunfisch beliebt, gerne auch als Crudo mit süsssauer eingelegten Zwiebeln serviert.

Pinot Bianco ist in den Hügeln immer eine sichere Bank, von vulkanischen Böden harmoniert er daher besonders gut mit dem Fisch. Eine ungewöhnlichere Mariage ist ein Rosato Frizzante Col Fondo, also hefetrüb, aus alten Rebsorten wie dem Raboso, er bringt den Fisch förmlich zum Springen. Noch gewagter ist ein fruchtiger Fior d’Arancio Spumante, der an Orangenfilets und Zwiebeln auf dem Teller andockt.

Pinot Bianco DOC harmoniert besonders von vulkanischen Böden

Rosato Frizzante bringt den Fisch zum Springen

Fior d’Arancio Spumante DOCG dockt an Orangenfilets und Zwiebeln an

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