Trinken, kochen, essen: Lamm, Chorizo – und so viel mehr!
Rioja
Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: gettyimages/DronG
Das Anbaugebiet im Norden Spaniens zwischen Atlantik und Mittelmeer ist vom milden Klima und von den fruchtbaren Böden des Ebro-Tals geprägt – Rioja versorgt seit langem die umliegenden Landstriche mit Getreide, Obst, Gemüse. Und natürlich mit Wein, der in seinen vielen Formen nicht nur vor Ort ein ausgesprochen guter Essensbegleiter ist.
Bereits die alten Römer haben vor über 2000 Jahren im Windschatten des Kantabrischen Gebirges Reben gepflanzt. Als Bordeaux Mitte des 19. Jahrhunderts durch Mehltau und Reblaus schwer in Bedrängnis geriet, zogen Kellermeister und Weinhändler über die Berge hierher nach Süden; arbeiteten mit den Winzern, bauten Kellereien aus, liessen die Weine nach ihren Vorstellungen in amerikanischer Eiche reifen und verschnitten sie zu Cuvées. Die Infrastruktur tat ein Übriges für den wirtschaftlichen Erfolg: Ende des 19. Jahrhunderts baute man von Haro eine Eisenbahnlinie zum Atlantik, Weingüter siedelten sich rund um den Bahnhof an.
Heute ist wieder ein Aufbruch zu neuen Qualitätsufern zu beobachten. Zwischen der baskischen Kultur am Atlantik und dem mediterranen Einfluss aus dem Osten herrscht hier förmlich vibrierend nach einer Zeit der Landflucht wieder Zuversicht. Das kommt im Stil der Weine zum Ausdruck, in der Architektur – die alten Wein-Kathedralen werden heute von Ultramodernem ergänzt wie der Ciudad del Vino von Frank O. Gehry – und auf dem Teller!
Hier wird gern, unkompliziert und gut gegessen und getrunken. Die Gemüsegärten entlang der Flüsse Ebro und Oja, die Schafherden im Gebirge, die Schweine auf den kleinen Höfen, der Fisch aus den Gebirgsbächen und vom Atlantik, traditionell getrocknet und gesalzen, doch heute längst auch frisch, all das verbindet sich zu einer vielfältigen, verführerischen Kulinarik. Die grossartig zu den Weinen der Rioja passt, sich bestens in die Moderne eingefunden hat – und von der es sich auch trefflich am heimischen Tisch und Herd inspirieren lässt.
Ob unkompliziert, erschwinglich und schnell oder grosses kulinarisches Kino, in der Rioja und zum Rioja geht immer beides. Kartoffeln werden als Patatas a la Riojana mit Tomaten und roten Paprika zu einem Hochgenuss und sind mit einem jungen Rotwein wahrhaft alltagstauglich – Chorizo, die paprikawürzige Wurst, schadet dabei keinesfalls! Feiner, aber ebenso vergnüglich und allgegenwärtig: gegrillte Lammkoteletts, Chuletillas de Cordero, zu einem feingereiften Reserva. Bacalao, Wolfsbarsch, Flusskrebse, Forellen, Schnecken, aber auch Artischocken und Spargel… Es gibt hier nicht viel, was es nicht gibt, und schon gar nichts, wozu sich nicht ein Wein fände. Probieren Sie es selbst: eine Flasche Rioja öffnen, einen Schluck nehmen, ein wenig in der Küche werkeln – passt. Versprochen.
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Rioja ist aber auch…
Die vielen Mikroklimazonen vom kühleren, feuchteren Westen hin zum wärmeren, trockenen Osten, die unterschiedlichen Höhenlagen und zahlreichen Bodentypen werden seit jeher von den Winzern in eine Vielfalt von Weinen übersetzt. Während dies früher in den Verschnitten der grossen Kellereien eher nivelliert wurde, gibt es heute weit über die klassischen, vom Tempranillo bestimmten Crianza- und Reserva-Rotweine hinaus sehr viel zu entdecken.
Reinsortige, vom Terroir geprägte Garnacha können nahezu schwarze Frucht ins Glas bringen, saftig, salzig und sehr pikant. Rosé-Weine hingegen, die Rosados, entstehen meist aus Tempranillo, sind mehrheitlich herb-trocken und erfrischend und perfekte Tapas-Begleiter. Daneben stösst man aber vereinzelt auch noch auf traditionellere, rundere, länger ausgebaute Rosé-Weine, die eher für winterliche Vorspeisen geeignet sind. Vor allem werden aber immer mehr Weissweine aus Viura, aber auch Verdejo, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Turruntés angeboten. Die können einerseits frisch und lebhaft ausfallen und unkompliziert durch den ganzen Sommer begleiten. Andererseits arbeiten aber auch immer mehr Produzenten sehr ambitioniert mit biologischem Säureabbau und mehr oder weniger neuem Holz, so dass kräftige, ausdrucksvolle und teils sehr cremige Weissweine entstehen.
Nicht zu vergessen sind die traditionell ausgebauten weissen Rioja-Weine, manche mit Kultstatus. Über viele Jahre lang in grossen alten Fässern gereift sind es herbe, sehnige Gewächse, die an Harz, Bienenwachs und Nüsse erinnern und volle Aufmerksamkeit verdienen.
Und schliesslich gibt es den erst 1988 entdeckten Tempranillo Blanco und den noch jüngeren und seltenen Tempranillo Gris oder Royo. Beides sind Mutationen des roten Tempranillo. Der Blanco bringt kräftige Säure und ausgeprägte Zitrusnoten ins Glas und reagiert gut auf den Ausbau im Holz, eine echte Bereicherung.