Kulinarik

Weinvariationen zu: Schnitzel!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Schnitzel – wer hat da nicht sofort Paniertes vor dem inneren Geniesserauge? Dünn, knusprig, duftend, und im Weinglas einen saftigen Grünen Veltliner. Ein Klassiker, stimmt. Geht aber auch ganz anders.

Wie alle Klassiker leidet auch das Wiener Schnitzel unter seiner Beliebtheit. Wird in der Fritteuse malträtiert, aus billigen Schweinsteilen gefertigt, mit fettgebadeten Kartoffelstäbchen serviert. Selbstverständlich nicht von VINUM-Lesern! Die wissen es besser, und sie wissen auch, dass die eingebröselten Kalbsschnitzchen, wie sie noch Ende des 19. Jahrhunderts in österreichischen Standardwerken aufgeführt wurden, in Anlehnung an das wesentlich ältere Wiener Backhendl (bei dem die gleiche Klassiker-Regel gilt: in seiner besten Form grandios) als Vorzeigegericht der Stadt an der Donau quasi eingemeindet wurden. 

Fragt man Österreicher, dann gibt es die besten Schnitzel in oberösterreichischen Bauernwirtshäusern, wo das Fleisch vom Spitzenkalb stammt, mit gerade der richtigen Menge bester Brösel umhüllt und in Schmalz in der Pfanne schwimmend gebacken wird. Ganz wichtig dabei: die richtige Temperatur. Ist das Fett zu kalt, wird die Panier (wie die Österreicher sagen) fettig und matschig – oh Graus. Ist es jedoch zu heiss, verbrennen die Brösel, bevor das Fleisch gar ist. Dünn soll es sein, dieses Fleisch, aber nicht zu dünn (wie bei einer der bekanntesten und daher enttäuschenden Wiener Schnitzel-Adressen), denn dann schmeckt es trocken. Die Ränder gehören ein wenig eingeschnitten, damit es sich nicht aufbäumt in der Pfanne. Und lange warmhalten im Ofen, das ist auch von Nachteil. Fazit: wie alles Schlichte gar nicht so einfach. Erster Schritt in Richtung Erfolg ist eine gute Fleischquelle. Kaufen Sie vom Feinsten, dünne Scheiben aus der Keule beziehungsweise dem Schlegel oder Stotzen junger, aber nicht zu junger Tiere (fünf bis acht Monate), von der Oberschale (in der Schweiz ist das die flache Nuss und die Schnitzel heissen natürlich Plätzli). Klopfen Sie sie ganz behutsam…

Und dann, der Wein. Ja, Veltliner, eher jung, zum Durstlöschen, dafür brauchen Sie keine Empfehlung, sondern haben «Ihren» Stammwinzer. Greifen Sie nächstes Mal trotzdem nach etwas ganz Anderem. Öffnen Sie nussig-schmelzigen Neuburger, nicht zwangsläufig aus der Thermenregion, sondern gerne auch aus der Wachau, etwa von Donabaum in Spitz. Der setzt ein kleines Sahnehäubchen aufs Schnitzel. Oder einen kernigen, aussergewöhnlich steinigen Weissburgunder wie den Halbstück vom Gut Hermannsberg an der Nahe, wenn Sie es energetischer mögen. Es geht auch noch schlanker: Rieslingsekt aus dem Rheingau, flaschenvergoren, ohne jeglichen Schnickschnack, ganze 11,5 Prozent und wirklich brut, von Irene Söngen in Hattenheim. Bringt Schwung ins Schnitzeldasein, ersetzt die Zitrone und agiert als Test für eine wirklich dünnknusprige Panier, denn fett und matschig führt im Glas sofort zu störrischem Protest. Vielleicht zum nächsten Apéro kleine Schnitzelchen als Fingerfood? Falls Sie eigentlich am liebsten Rotwein trinken, sich zurücklehnen und aufs Wiener nicht verzichten möchten: wunderbar. Gönnen Sie sich Süden, aus Sardinien, wie den Iselis von Argiolas, eine barriquegelagerte Cuvée aus Monica di Sardegna, Carignano und Bovale Sardo. 

Wege jenseits der Panier

Solchermassen tiefenentspannt lassen sich dann in der Küche mit den Fleisch-Schnitzchen Wege jenseits der Panier einschlagen. Schnitzel mit Rahm – da heisst es schnell sein in der Küche, aber das erklären wir gleich in unserem Rezept fürs Jägerschnitzel (ja, tatsächlich, das kann richtig gut sein). Auch hier wichtig: beste Zutaten, nicht nur beim Fleisch, sondern von der Butter bis zur Sahne, und im Glas darf es richtig edel zugehen, wenn ausserdem nur ein wenig Petersilie für zusätzliche Würze sorgt. Der Persia der Domaine Fondrèche, Roussanne vom Mont Ventoux in seiner besten Form, spielt auf Augenhöhe mit.

Frischer und ganz anders in der Aromatik sind Saltimboccas, für die die Schnitzel leicht gepfeffert, mit frischen Salbeiblättern belegt und in sehr dünne Scheiben luftgetrockneten Schinken eingewickelt werden. In Butter braten, kurz warmstellen, Bratensatz mit wenig Weisswein los- und einkochen, Wein einschenken: Verdicchio von Villa Bucci aus den Marken, im Idealfall einen nicht zu jungen Jahrgang vom Riserva in grossen Gläsern, schmelzig, tief und honigduftig – der erübrigt jede weitere Beilage!

Wer sich jetzt im März nicht nur nach dem Frühling, sondern eigentlich schon nach dem Sommer sehnt, mariniert das Fleisch am besten eine gute Stunde in viel Zitronensaft und Olivenöl. Trockentupfen, salzen, pfeffern, in Olivenöl rasch braten, warmstellen und die Marinade in der Pfanne schnell und stark einkochen, über die Schnitzel geben – und die Sonne scheint, versprochen. Ungewohnt dazu, aber spannend ist Gamay aus dem Jura, der «J’en suis gaga» von der Domaine Rousset-Martin. Der legt Kirschen und Cranberrys zu den Zitronen und freut sich auch über ein paar Blätter Spinat auf dem Teller.

A vuit Priorat: Der Seriöse, Kraftvolle – freut sich übers Sahnestreicheln.

1270 A vuit 2009
Celler Hidalgo Albert 
Poboleda, Priorat (E)

15 Vol.-% | 2016 bis 2027

Lange fass- und flaschengelagert, ein kühler Roter aus dem waldigen Norden des Gebiets. Garnaxa, Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot und Cariñena verbinden sich zu tiefer, aber nicht schwerer roter Frucht, die den Alkohol allenfalls erahnen lässt. Dunkle, angenehme Teernoten umwehen würzig-herbe Gerbstoffe. 

Brigid Pinot Blanc: Der Fordernde – macht aus Jäger und Schnitzel einen Krimi der Extraklasse.

Brigid Pinot Blanc Birgit.Pur 2016
Birgit Braunstein 
Purbach, Neusiedlersee-Hügelland (A)

13 Vol.-% | 2018 bis 2026

Grenzen überwinden statt neue Mauern bauen: in diesem Fall zwischen Rot- und Weisswein. Auf der Maische vergoren (schliesslich sitzt in den Häuten eine Welt von Aromen) und ein Jahr im Holzfass gelagert wie ein Roter. Säure-Eleganz und fordernde Mineralität wie ein Weisser. Burgund? Nein. Purbach.

Sperino Uvaggio: Der Kühle, Schlanke – erinnert die Pilze an die Waldheimat.

Uvaggio Coste della Sesia Rosso 2012
Villa Sperino
Lessona, Piemont (I)

12,5 Vol.-% | 2018 bis 2025

Das «Heimat»-Weingut der ursprünglich piemontesischen Familie de Marchi von Isole e Olena. Im äussersten Norden des Gebiets, am Fusse des Monte Rosa wirkt der Nebbiolo noch schlanker, straffer, steiniger; hier traditionell mit den heimischen Vespolina und Croatina zum Uvaggio verschnitten