Kulinarik
Weinvariationen zu: Garnelen, Shrimps und Krabben!
Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug
Zehnfüssige Krebstiere sind zwar verwirrend in der Nomenklatur, aber das soll uns weinliebende Geniesser nicht stören, denn die kleineren Verwandten von Hummer und Langusten sind ausgesprochen weinaffin und wein-offen.
Lassen Sie uns trotzdem zumindest im Ansatz versuchen, etwas Klarheit zu schaffen. Alles, was uns im weitesten Sinne bei der Erwähnung von Garnelen, Shrimps und Krabben in den Sinn kommt, gehört zur Familie der Krebse und verfügt über zehn Beine. Die vielen Arten lassen sich in langschwänzige (gemeinhin Garnelen, Krevetten, Langostinos, Scampi …) und kurzschwänzige unterteilen, Letztere korrekterweise Krabben, also rund, mit zwei kräftigen Scheren wie der Taschenkrebs. Allerdings geniessen die kleinen braunen «Nordseekrabben», eigentlich Sandgarnelen, ein gesetzliches verbrieftes Sonderrecht, so dass alles schön verwirrend bleibt. Blickt man über den deutschsprechenden Tellerrand hinaus, wird es noch komplexer – Natur lässt sich nur schwer in ein sprachliches Systemkorsett zwingen, und regionale Sprachgewohnheiten kümmern sich häufig keinen Deut um zoologische Korrektheit.
Begnügen wir uns hier also mit dem Hinweis, dass es selbstverständlich erhebliche Unterschiede in Textur und Aromatik gibt (zumal ein grosser Anteil des hiesigen Angebots aus Aquakultur in wärmeren Gewässern vor allem aus Asien stammt). Man nehme nur Eismeergarnelen und Nordseekrabben: Die rosafarbenen Eismeergarnelen leben im nördlichen Atlantik und Pazifik in Tiefen von 200 bis 700 Metern, durch das tiefe, kalte Wasser ist ihr Fleisch fest und aromatisch. Nordseekrabben hingegen (deren Verbreitung weit über die Nordsee hinausreicht) bevorzugen sandige, schlickige Flussmündungen, ihr Fleisch ist weicher und süsslicher. Die kleinen braunen Tierchen werden nicht ohne Grund «gepult»; selbst bei Spitzenexemplaren kommen 400 auf ein Kilo … Wer sich trotzdem daran versucht: zur Stärkung Sekt kaltstellen, ein Rosé wie der feinfruchtige Brut Nature von Künstler aus dem Rheingau passt nicht nur farblich hervorragend.
Wenn Sie das Garnelen-Schälen ganz offiziell zum Thema erklären, zitronige Mayonnaise rühren, für krustiges Weissbrot sorgen und ausreichend nicht ganz trockenen Riesling wie vom Schlossgut Bachtobel im Thurgau kaltstellen, dann brauchen Sie nur noch den Tisch mit Papier abzudecken, einen Stapel Servietten bereitzulegen, und die Party kann losgehen.
Doch nun zum «richtigen» Kochen. Sehr fein sind Potted Shrimps, für die Garnelen in kleinen Töpfchen mit geschmolzener, mit Muskatnuss und Cayenne gewürzter Butter übergossen werden, so dass sie ganz bedeckt sind und sich im Kühlschrank lange halten. Mit kräftigem Landbrot und ebenso kräftigem Weisswein servieren, wie den Dittelsheimer Grauburgunder von Stefan Winter aus Rheinhessen. Wenn wir Krabben- oder Garnelenfleisch mit Frühlingszwiebeln feinhacken und zu kleinen Frikadellen braten, dann gefällt uns dazu sehr unkompliziert ein trockener Spätburgunder-Rosé wie vom Rheingauer Weingut Hamm. Der fungiert auch als Erfrischer zu einem Shrimpscocktail der anderen Art: Beinahe wie bei einer Ceviche mischen wir die rohen Krebstiere mit viel frischem, gewürfeltem Tomatenfleisch, Zwiebel, Knoblauch, roter Chili, reichlich Limettensaft und grosszügig Koriandergrün. Kräftigere Wein-Alternative: Weissburgunder aus der Pfalz wie von Dr. Wehrheim – der lässt die lebendige Säure und Schärfe noch mehr tanzen und macht daraus eine sehr elegante Stärkung für heisse Tage.
Feinherber Riesling zu asiatischer Schärfe
An etwas kühleren Sommertagen wärmen dagegen Garnelen in asiatisch-scharfer Brühe, im Stil einer thailändischen Tom Yam Gung, mit Zitronengras, Galgant, Zitronenblättern, Chili, Fischsauce und Korianderblättern. Dazu können Sie selbstverständlich feinherben Riesling trinken, überraschenderweise verträgt sich aber auch stoffiger, trockener Weisswein bestens mit der würzigen Schärfe, etwa ein Gemischter Satz vom Wiener Nussberg von Fritz Wieninger.
Manche Garnelen-, Krabben- oder Shrimps-Varianten lassen sich nur vor Ort erleben. Im Sizilien-Urlaub halten Sie beispielsweise Ausschau nach den roten Garnelen aus Mazara bei Trapani, die dort roh als Vorspeise serviert werden. Catarratto passt bestens dazu. Vielleicht treiben Sie sogar den aussergewöhnlichen, unfiltrierten und undosierten Spumante auf, den Alessandro Viola in Alcamo daraus auf der Flasche vergärt. In den USA (aber auch in Venedig) sind Sie hoffentlich dann unterwegs, wenn es Softshell Crabs gibt, frisch gehäutete kleinere Taschenkrebse, die im Ganzen gebraten und gegessen werden, wenn sie noch keinen neuen harten Panzer gebildet haben. Für dieses vielleicht «krabbigste» Krabbenerlebnis suchen Sie in den USA nach einem der feinbalancierten Au-Bon-Climat-Chardonnays von Jim Clendenen aus Santa Barbara in Kalifornien – die sind alles andere als «big and buttery».
Und ansonsten, ob im Urlaub oder zuhause: grillen! Fädeln Sie kleinere Zehnfüssler auf Spiesse, packen Sie grössere einfach so auf den Rost – aber sorgen Sie immer für ausreichend Vorrat auf dem Teller – und vor allem auch im Glas.
Salomon Syrah: Der Üppigherbe – macht aus Cocktail und Sandwich ein komplettes Essen.
Syrah «V» Fleurieu Peninsula 2013
Salomon Estate
Finniss, McLaren Vale (AUS)
14,5 Vol.-% | 2018 bis 2027
Gelb-rot-blütenduftig und weich wie Samt und Seide, die runde rote Säure ist in eine Ahnung von Buttermürbeteig gebettet, der Alkohol genau richtig – an der Rhône schriebe man jetzt Klassiker. Kommt jedoch aus Südaustralien, von der Familie Salomon, die auch das grosse alte Weingut Undhof in Krems an der Donau in achter Generation führen.
Saarfeilser Riesling: Der Fruchtige – betont die süsse Seite der Zehnfüsser.
Saarfeilser Riesling Spätlese 2016
Nik Weis St. Urbans-Hof
Leiwen, Mosel (D)
7,5 Vol.-% | 2018 bis 2046
Riesling von einer der wärmsten Lagen der Saar, wo der Schiefer von Sedimenten durchzogen ist – im Glas säure-gebändigte Fruchtfülle, die mit Schwarzer Johannisbeere und dem ganzen Zitrusbogen von Kumquat über Blutorange bis hin zu Yuzu den Gedanken an Süsse aufs Allerangenehmste im Hintergrund hält.
Homonna Furmint: Der Stille – hält sich in tragender Rolle vornehm zurück.
Tokaj Furmint N° 1 2015
Attila Homonna – Moric Project
Erdőbénye, Tokaj (HU)
12,5 Vol.-% | 2018 bis 2028
Attila Homonna, vormals Journalist, lotet das Potenzial des Furmints als trockenen Wein neu aus. Roland «Moric» Velich hat dies bereits für den Blaufränkisch getan und macht mit ihm gemeinsame Sache, um Grenzen zu öffnen und Horizonte zu erweitern. Warm und herb zugleich, Bienenwachs, dunkelste Schokolade, geschliffene gelbe Frucht.