Kulinarik

Weinvariationen zu: Roter Bete!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Randen, Bete, das ist wie Tomahtos und Tomäytos, weshalb wir die roten Knollen ab sofort grenzübergreifend in Randenbete umtaufen. Rote Randenbete. Und ja, nein, wir wissen schon, goldfarben leuchten sie auch sehr hübsch, aber in unserem weinbestimmten Geschmacksuniversum schätzen wir vor allem ihre mineralisch-erdig-dunkle Art, die wahre Wunder bewirken kann.

Erdig, sagen Sie, das mögen Sie nicht? Einspruch! Wagen Sie einen neuen Versuch. Denn eine nicht überlagerte (also jetzt zur Saison frisch geerntete), frisch gekochte (nicht verkochte) Randenbete ist ebenso «muffig» wie ein roter Pinot, dessen Aromatik uns verzückt von Waldboden und Unterholz schwärmen lässt. Die Wunderwirkung der roten Knollen? Gekonnt eingesetzt verwandeln sie beinahe jedes Gericht in einen rotweinkompatiblen Wein-Partner. Glauben Sie immer noch nicht? Ab in die Küche. Braten Sie Hühnerbrust sachte an und lassen Sie sie in Weisswein, Brühe und Sahne gar ziehen. Schreit nach Weisswein – bis Sie unsere roten Freunde dazu betten. Die schneiden Sie roh in möglichst dünne Streifen, braten sie langsam in Butter und verpassen ihnen zum Schluss den richtigen Kick mit einem guten Schuss Balsamico oder Estragonessig. Beinahe karamellig einkochen lassen, durchschwenken, mit Salz und gutem schwarzen Pfeffer abschmecken – Pinot öffnen nicht vergessen. Funktioniert nicht nur zum Huhn, sondern auch mit Kaninchen und allen kräftigen Fischen.

Apropos Fisch – nicht nur optisch sehr effektvoll ist eine Rote-Randenbete-Beize beim Lachs, aus geriebenen rohen Wurzeln, Orangenzesten und Wacholderbeeren mit Gin, Salz und Zucker. Damit die Lachsseite mit Haut dick einstreichen und in Klarsichtfolie eingepackt 24 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Das orangerote Leuchten am Tisch hilft garantiert bei Depressionen aller Art und freut sich über einen ebenso farbintensiven Partner, wie etwa fruchtig-herben Cerasuolo, also einen Montepulciano d’Abruzzo in der Rosé-Variante, von Cerulli Spinozzi.
Doch zurück zum wahren Rot. «Die Wirkung dieser Farbe ist so einzig wie ihre Natur. Sie gibt einen Eindruck sowohl von Ernst und Würde als auch von Huld und Anmut... Eine Umgebung von dieser Farbe ist immer ernst und prächtig.» Goethe outet sich in seiner Farbenlehre als grosser Fan, zog aber wurzeltechnisch auf dem Teller Teltower Rübchen aus der Mark Brandenburg vor – Essen und Trinken ist eben nicht konsequent und logisch, glücklicherweise. Deshalb mögen wir eingelegte, fermentierte Rote Randenbete trotz aller Süsssauermatsch-Gruselgeschichten, die unsere erdverbundenen Freunde umkreisen. In dünnen Scheiben, kurz mit Essig, Orangenschale und Ingwer, Koriandersamen, Salz und einer Ahnung von Zucker aufgekocht oder ähnlich gewürzt mit Molke und Honig vergoren: Das Ergebnis ist alles andere als matschig, säuerlich-erfrischend mit der erdigen Tiefe im Hintergrund und eignet sich bestens als Snack zum Apéro, mit verhaltenem, schäumendem Rot im Glas, wie dem Brut Rosé von Vigne Surrau aus im Norden Sardiniens gewachsenen Cantona-Trauben. Ein Stück ganz junger, noch säuerlicher Pecorino erweitert das Ganze zum perfekten Dreiergespann. Noch schneller: Randenbete schälen und roh raffeln und dann mit zitronensäuerlicher Senfmayonnaise anmachen wie ​ Céléri en remoulade oder knoblauchduftend wie Zaziki oder süsslich mit Senfdillsauce. Immer aber darf es im Glas dazu kräftig sein, schliesslich sind Erde und Eisen im Spiel: die steinigen Saar-Rieslinge von Othegraven, die kernigen Weissweine vom Kuenhof der Pligers in Brixen (Südtirol) oder, ganz anders, den schlanken Majas Rouge aus dem Roussillon.

Eine Knolle – unzählige Möglichkeiten

Ganze Knollen kochen oder im Ofen backen erfordert ein bis zwei Stunden Geduld, doch dann sind die Möglichkeiten noch grösser. Geschält und in groben Schnitzen lässt sich das rote Spiel mit allem bereichern, was Säure und/oder Umami mitbringt: Meerrettich (und Räucherfisch), Granatapfelmolasse und frischer Koriander (und auch Feta, Mozzarella, frischer Ziegenkäse, Walnüsse), Zitrone und Olivenöl oder Walnussöl und Himbeeressig… Gleichermassen flexibel trinken wir auch dazu. Sehr gerne kräftig stoffigen Riesling. Wenn wir gekochte rote Scheiben mit Feta und frischem Thymian auf einem Teigboden im heissen Ofen zur Tarte backen, dann sind wir vielleicht wieder in den Abruzzen, mit einem Pecorino oder einem beschwingten Montepulciano.

Wir gehen davon aus, dass Sie an diesem Punkt ein Randenbete-Fan sind. Deshalb zum Abschluss noch ein paar ungewöhnliche Ideen. Zum Einstieg: sehr dünne Chips, im Ofen mit sehr wenig Olivenöl knusprig gebacken. Perfekt zu trockenem Madeira wie dem Sercial von Barbeito. Dann: Gelee aus Rote-Randenbete-Saft, mit Granatapfelmolasse abgeschmeckt und in Würfeln zu rosa gebratenem kalten Roastbeef serviert, dazu einen frischen Spätburgunder. Noch überraschender: den Saft zu Sorbet verarbeiten und mit Splittern sehr dunkler Schokolade verfeinern, ein fülliger 2015er Pinot harmoniert perfekt. Und schliesslich richtig süss: Rote Randenbete als Kuchen mit Eiern, Mandeln und Orange. Dazu ein Cru aus dem schweizerischen Wallis: Amigne! Réserve!! Germanier!!! Himmel und Erde, ohne eine Spur von Muff.

Die Weine

Pinot Noir No 1 2016
Schlossgut Bachtobel Weinfelden, Thurgau (CH)

2017 bis 2026 | 13 Vol.-%

Herbe Frische mit lachender Kirschfrucht vom Ottoberg am südlichen Ufer des Bodensees. Bringt als «kleinster» Pinot des Gutes gerade genug Gerbstoff ins Spiel, um beim Tanz über die Zunge die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Versteht die Erdverbundenheit der Randenbete, aber auch ihr Streben nach Säure und Frucht.

 

Petalos 2014
Descendientes de J. Palacios Bierzo (E)

2017 bis 2024 | 13,5 Vol.-%

Dunkel und kräftig von alten Mencía-Reben, die auf Schiefer wachsen und durch natürliche niedrige Erträge einen Wein ermöglichen, der trotz wunderbarer dunkler Beerenaromen mineralisch-herb wirkt statt weich und süsslich. Erübrigt jegliches Fleisch zum roten Gemüse, hat aber nichts dagegen.

 

Saulheimer Probstey Silvaner 2015
Weingut Thörle Saulheim, Rheinhessen (D)

2017 bis 2025 | 13,5 Vol.-%

Konzentration ohne Schwere, die besonders in dieser Jugend ein grosses Burgunderglas verdient. Die saftige Säure der Kalkböden sorgt für Stringenz, bleibt aber zugunsten der durch lange Maischestandzeit aus den Schalen gelockten gelbgrünen Aromen ganz im Hintergrund.

Profi-Tipp

Wenn Sie Randenbete mit Stängeln und Blattwerk finden: Die jungen Blätter wandern in den Salat, die festeren schneiden Sie in Streifen, die Sie kurz in der heissen Pfanne in Olivenöl schwenken. Das ist eine perfekte Ergänzung zu der in Rotwein geschmorten Randenbete oder ergibt eine wunderbare Unterlage für Feta auf einem Crostini. Die Stängel schneiden Sie in Stücke, schwenken sie dann ebenfalls in Olivenöl und löschen Sie sie dann mit Rotweinessig ab. Mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken.