KULINARIK
Weinvariationen zu: Spargel!
Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug
«Meine Welt ist bunt», sang Fred Bertelmann als lachender Vagabund vor über 50 Jahren. Unsere auch! Und deshalb ist unser Spargel gerne grün, kombinieren wir ihn mit noch grüneren Kräutern und Roter Bete und stellen ihm kräftige Weine zur Seite, die ihrerseits Farbe ins Spiel bringen.
Natürlich mögen wir auch weissen Spargel. Was könnte – und das hätte ganz zu dem schwadronierenden Frauenschwarm des deutschen Filmschlagers gepasst – erotischer und verführerischer sein, als mit dem Lieblingsmenschen seiner Wahl lange weisse Stangen mit den Fingern zu essen? Die Spitzen genüsslich in goldgelbe, buttersatte Sauce hollandaise getaucht? Und dazu in grossen Gläsern, im Kerzenlicht funkelnd, ein ebenso goldgelber Wein, klassischer Meursault aus dem Burgund (den der Vagabund sicher nicht selbst bezahlt hätte). Dessen Haselnusscremigkeit komplementiert zusammen mit der reifen Säure der kalkhaltigen Böden Spargel und Sauce zu einem grossartigen Ganzen. In anderer Kulisse und etwas erfrischender gefällt uns dazu aber auch ein sehr trockener, konzentriert mineralischer Riesling von der Mosel. Ebenfalls weiss auf dem Teller, aber ganz anders: in schräge dicke Scheiben geschnitten und in der Pfanne langsam in Butter gebraten, bis die Ränder ein wenig karamellisieren und das Ganze wiederum nach belebender Rieslingsäure ruft, bettelt, schreit – im Glas, nicht in der Pfanne, etwa von einem Pfälzer aus Forst oder Ruppertsberg. Der tanzt mit der Spargel«frucht» und braucht gar nicht viel mehr.
Das seien doch gar keine Spargelweine, meldet sich nun vielleicht der geschätzte VINUM-Leser. Da sei uns die Frage gestattet: Was, bitte, ist ein Spargelwein? Und auch gleich die Antwort: so gut wie jeder. Klingt zu beliebig? Treten wir den Beweis an. Weissen Burgunder und trockenen Riesling hätten wir bereits. Sauvignon Blanc und ähnliche grüngrasige (aber nicht unreife oder dünne!) Säurekicker haben ihren Auftritt zu grünen Stangen, knackig gekocht und lauwarm mit einer Handvoll Rucola gekrönt, worüber wir reichlich frisches Olivenöl fliessen lassen, knusprige Salzflocken streuen und nicht zu reifen Parmesan hobeln... Wie es mit Silvaner sei, fragen Sie? Laut Weinbranche ist das ja sowieso der Spargelwein par excellence, weil so schön «zurückhaltend». Abgesehen davon, dass Letzteres nur bedingt zutrifft, wenn Herkunft und Qualität stimmen, gefällt er uns am besten zur klassischen, mit einer Liaison aus Eigelb und Sahne leicht gebundenen (weissen) Spargelsuppe. Um bei den Klassikern zu bleiben: gekochte weisse Stangen (wir wiederholen jetzt nicht, dass ein gewisser Restbiss in denselben schlichtweg nicht verhandelbar ist) bilden mit Kratzete (für Nicht-Alemannen: einer Art salzigem Kaiserschmarren) und zerlassener Butter eine tragfähige Leinwand fürs grosse Weinkino in Form von Dézaley, mineralischem Hinhör-Fendant.
Nicht ganz so klassisch, aber eine wunderbare Abwechslung auf dem Spargelteller ist leicht sahnige Estragonsauce, in der wir frischen Lachs in grossen Würfeln garziehen lassen. Im Glas dazu die feinfl orale Nussigkeit eines Weissburgunders aus einer warmen vulkanischen Ecke wie dem Kaiserstuhl. Noch unklassischer dann ein Salat aus rohem weissem Spargel in dünnen schrägen Scheiben, mit bestem raubenkernöl, mildem Weissweinessig, einer Idee scharfem Senf, Orangenzeste und viel frischem Kerbel angemacht, gerne auch auf einem Rindercarpaccio, zu würzig lebendigem Grillo vom Ätna.
Üppig, feinherb oder auch rot
Das sei alles nicht sehr originell? Zur Vervollkommnung der Beweisführung braten wir nochmals weissen Spargel, geben aber rote Currypaste, Schalotten und frischen Ingwer in feinen Würfeln dazu, lassen all das mit etwas Kokosmilch einkochen und vollenden mit frischem Koriander – perfektes Gegenüber einerseits für einen Elsässer Pinot Gris der üppigen Art mit einem Touch Restsüsse (eine Kombination, die der Kategorie Aufbaunahrung zuzuordnen ist) oder andererseits, in wärmeren, durstigen Momenten, für feinherben Riesling von Rhein oder Mosel. Rotwein? Durchaus. Grüne Stangen auf den Grill gepackt, mit petersiliengrüner, anchovis- und kapernwürziger Salsa Verde als Dip serviert, und chilenischer Carmenère, unbedingt. Grün und einfach nur in Scheiben kurz gebraten ist auch eine durchaus aufgeschlossene Begegnung mit rotem Bordeaux möglich.
Doch genug der Beweisführung. Warum ist Spargel so wenig festgelegt? Zum einen besteht er zum allergrössten Teil aus Wasser (nur die Gurken schlagen ihn in diesem Punkt), zum anderen sind die oft zitierten Bitterstoffe genauso wie die Asparaginsäure züchterisch längst in den geschmacklichen Hintergrund verbannt worden – was übrigens auch aus der in Rezepten immer noch anzutreffenden Beigabe von Zucker zum Spargel-Kochwasser ein überflüssiges bis kontraproduktives Relikt werden lässt (dass die Süsse selbst bei tatsächlicher Bitterkeit eher grotesk wirkt, sei hier nur am Rande erwähnt). Wer neu aufgelegte alte Spargelsorten ergattert, ohne Foliendoping langsam gewachsen und geschmacksintensiv, der greife zu mineralischen Weinen mit reifer Säure. Ob die nun rot oder weiss sein sollten, rosé oder orange, das hängt vor allem von der Zubereitungsart ab und von dem, was ausser Spargel sonst noch auf den Teller darf. Die Welt kann so bunt sein.
DIE WEINE
Drei ganz unterschiedliche Weine, die alle bestens zu unserem Spargel passen – und einer davon auch zu Ihrer Stimmung!
Vogelsang Grüner Veltliner 2014
Herbert Zillinger, Ebenthal, Weinviertel (A)
13 Vol.-% | 2016 bis 2024
Ein Wein wie eine frisch gemähte grosse Wiese, mit der Kraft eines langen, sonnenerfüllten Sommertages. Jung und dicht greift er souverän Säure und Schärfe auf, mag es grün und erdig und hat auch vor Olivenöl keine Angst. Er selbst wirkt durch die Chili und Knoblauchschärfe offener als solo.
Fontanasanta Manzoni Bianco 2014
Elisabetta Foradori, Vigneti delle Dolomiti, Trentino (I)
11,5 Vol.-% | 2016 bis 2024
Manzoni ist eine Kreuzung aus Riesling und Weissburgunder, hier maischevergoren und im Akazienfass gereift. Exotische gelbe Gewürze und duftende Zwiebeln strahlen herb und klar mit den Dolomiten um die Wette, die Tannine sind nicht hart, sondern muskulös – Sonnenbrille auf die Nase und den Blick nach oben!
Malanser Pinot Noir Selfi Wingert 2012
Georg Fromm, Malans, Graubünden (CH)
13,5 Vol.-% | 2016 bis 2027
Von den Hängen des Rheintals in der Bündner Herrschaft und über 40-jährigen Reben auf steinigen, kalkgeprägten Böden. Dicht, lockend und vielversprechend, mit einer dunklen Tiefe, die üppig, reif und doch gar nicht süss schmeckt. Geht sehr freundlich und souverän mit Kräutern, Kardamom und Kreuzkümmel um.