KULINARIK
Weinvariationen zu: Auberginen!
Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug
Die unendliche Rezeptfülle, die sich um die verschiedenen Auberginenformen rankt, spiegelt die lange Geschichte der Auberginen wider – und erlaubt uns Weingeniessern der Gegenwart eine wunderbare Vielfalt, die perfekt zur Fülle eines warmen und betörenden Sommers passt.
Die Auberginen-Familie ist gross und vielfältig. Kleinstes Mitglied ist die grüne, bittere Erbsen-Aubergine, den Urahnen sehr nahe, die heute noch als stacheliges Unkraut in Südostasien wachsen. Hierzulande eher üblich hingegen sind die grossen, tiefvioletten Früchte, und zwischen diesen beiden Extremen gibt es am Mittelmeer und in Asien unzählige Varianten in Grün, Gelb, Orange, Weiss, Hell und Dunkel und nahezu alle Formen von kugelrund über oval bis schlangenförmig. Das Fruchtfleisch unter der dünnen Haut ist jedoch stets weiss und in seiner schwammartigen Beschaffenheit idealer Träger unterschiedlichster Aromenkompositionen.
Wie mit anderen Nachtschattengewächsen, etwa Tomaten und Kartoffeln, tat man sich in Europa anfangs auch mit der Aubergine schwer. Italienische Botaniker betrachteten sie als hochgiftig und nannten sie «Mela insana», Tollapfel. Mindestens bis Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Eierfrucht in europäischen Gärten aufgrund ihrer attraktiven weissvioletten Blüten vor allem als Zierpflanze angebaut.
Doch liegt der Ursprung nicht in Amerika, sondern Indien, der Anbau ist erstmals im fünften Jahrhundert vor Christus in China belegt. Mit arabischen Kaufleuten gelangte «al-badingan» über den Nahen Osten nach Nordafrika und Spanien, wo die Frucht im Katalanischen zur «Albergina» wurde und schliesslich über die Provence, wo sie zur französischen «Aubergine» wurde. In deutschsprachigen Gemüseregalen ist sie erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertreten. In der Küche muss, wer Auberginen sagt, zuerst einmal auch Parmigiana sagen (die auch mit Karden, Zwiebeln oder Zucchini zubereitet wird, aber das ist eine andere Geschichte): Auberginen in Scheiben gebraten und mit Tomatensugo, Mozzarella, Basilikum in eine Form geschichtet, mit reichlich Parmesan bestreut und im Ofen gebacken. Unbedingt erst am nächsten Tag und lauwarm servieren, und den Schmelz mit einem südlichen Roten umfangen, wie etwa dem üppigen Montepulciano d’Abruzzo Amorino von Castorani. Dann: Ratatouille, das kennen Sie natürlich. Aber wussten Sie auch, dass es sich dabei um ein eher modernes Gericht von Anfang des 20. Jahrhunderts handelt? Allerdings gibt es viele Vorläufer, wie die katalanische Samfaina, bei der neben Tomaten, roten Paprika, Auberginen und Zucchini auch luftgetrockneter Schinken und Weisswein im grossen Schmortopf landen. Und natürlich Olivenöl, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter und schwarze Oliven. Auch das schmeckt am nächsten Tag noch viel besser, und ist weiss-, rosé- und rotweinaffin.
Wir bleiben mit dem Perill Blanc von Clos Lentiscus in Katalonien: in Amphoren ausgebauter, steinig-straffer Xarello der Extraklasse, der Auberginen und Schinken erdet und mit der Tomatensäure tanzt. In scavece, en escabèche – das kennen Sie eher als süss-säuerlich eingelegten Fisch aus dem Mittelmeerraum. Wie bei so vielen Rezepten handelt es sich um eine uralte Art der Konservierung, deren Ursprung in Persien liegt – und die mit Auberginen ebenso gut wie erfrischend schmeckt. In Scheiben mit wenig Olivenöl gegrillt, gesalzen und mit Weinessig, Peperoncino, Oregano und Knoblauch mariniert; im Glas dazu sommerjubelnd Ihr persönlicher Lieblingsrosé!
Auberginen-Sugo mit Fiano
Wir bleiben am Mittelmeer, denn wie der Rosé zum Sommer gehört zu Sizilien die Caponata, die Ihnen spätestens seit unserem Tomaten-Rezept vom letzten Sommer vertraut ist. Zur Erinnerung: die Auberginen in Würfeln angebraten, mit Zwiebeln, Staudensellerie, Tomaten, grünen Oliven, Kapern und Pinienkernen gekocht, mit Zucker und Essig abgeschmeckt. Sommersonne, die am besten kalt schmeckt und sich heiss in Gläser gefüllt bis weit in die grauen Monate aufbewahren lässt. Dazu: Sizilianisches, selbstredend, Nerello Mascalese vom Ätna, wie den super-eleganten Passopisciaro (oder unsere Vorschläge vom letzten Jahr). Ebenfalls sizilianisch inspiriert ist ein Sugo zur Pasta. Auberginen wiederum in Würfeln mit Knoblauch in Olivenöl anbraten und mit Tomaten, Sultaninen, Essig und einer Prise Zucker zur Sauce kochen, die dann mit Ricotta zur Pasta serviert wird, aromatisiert mit frischer Zitronenzeste. Der Cometa von Planeta aus der Sorte Fiano wächst in Menfi im Agrigento und dockt mit vielen Kräutern und flirrendem Sonnenlicht ans Zitronenaroma an.
Viel näher am Auberginen-Ursprung liegt ein thailändisches Curry, mit duftender, scharfer grüner Currypaste und Kokosmilch geschmort, in einer Kombination aus grossen lila Auberginen und vielen kleinen herben asiatischen. Das verlangt selbstverständlich nach ganz anderen weinigen Begleitern. Suchen Sie nach dem Turner von Heidi Schröck aus dem Burgenland, einem grossartigen trockenen Furmint, der mit einem Teil der Trauben vergoren wurde und den kleinen Bitterkeiten auf dem Teller neben Frische auch eine Ahnung von Tannin gegenüberstellt.
DIE WEINE
Carmenère 2014
Montes Alpha, Valle de Colchagua (CHL)
2017 bis 2024 | 14,5 Vol.-%
Herb-aromatische Kakaobohnen und frische Walderde in der Nase gehen mit reifen, straffen Tanninen in verführerisch «süsse» rote Frucht über, die jedoch sehr präzise definiert ist und keinen Hauch von Marmeladigem zeigt. Endet angenehm herb mit dem Gedanken an Rote Johannisbeeren, der Alkohol ganz im Hintergrund – legt gewissermassen das Fleisch zum Gemüse.
Lovamor Albillo 2015
Alfredo Maestro, Peñafiel, Valladolid/Castilla y Léon (E)
2017 bis 2020 | 13,5 Vol.-%
Dieses Rotkäppchen (das den Wolf küsst, statt sich von ihm fressen zu lassen) duftet nach reifer gelboranger Frucht, darunter eine positiv bittere, herzhafte Note wie in englischer Orangenkonfi türe. Auch am Gaumen ist der Übergang von cremiger Zitrusfrucht zu Umami-Hefe-Tannin ein fliessender und ausgesprochen glücklicher. So mögen wir, die Aubergine und der Knoblauch in ihr, unsere Märchen, ungeschönt und unfiltriert!
Karasì Areni Noir 2014
Zorah Rind, Vayots Dzor (ARM)
2017 bis 2029 | 13,5 Vol.-%
Vom Fusse des Ararat, also von sehr (wein-)geschichtsträchtigem Terrain stammend ist dies trotzdem kein schweres Geschütz, sondern ganz im Gegenteil ein transparenter, geradezu leicht wirkender Rotwein aus der alten armenischen Sorte Areni Noir, von wurzelechten Reben, die auf 1400 Meter Höhe wachsen. In Amphoren ausgebaut, die auf Armenisch Karas heissen – lässt uns unwillkürlich ein weisses Tischtuch unter die Auberginen legen.