Mein Weinweekend in Dublin
Text: Christian Eder, Foto: z.V.g., gettyimages / David Soanes Photography, Dan Robinson,
Von den Wikingern gegründet, von den Engländern kolonisiert, im 19. Jahrhundert im Elend versunken, ist Dublin heute eine der hipsten Hauptstädte Europas. Nicht nur Bier- und Whiskeyliebhaber kommen hier auf ihre Kosten: Wein hat längst in allen Restaurants, Bars und selbst Pubs Einzug gehalten. Mancher davon kommt sogar aus Irland.
Schummrige Pubs, ein Pint und ein Irish Stew gehören ebenso zu einem DublinBesuch wie die jungsteinzeitlichen Hügelgräber von Newgrange, Glendalough und keltische Mystik und Tradition.
Denn die gälisch-irische Kultur ist in Dublin ebenso lebendig wie im Rest Irlands. Sogar auf den Autokennzeichen steht nicht Dublin, sondern Baile Átha Cliath, der gälische Name der Stadt: «Die Stadt an der Hürdenfurt» heisst das, benannt nach einem historischen Übergang über den Fluss Liffey.
Gegründet von den Wikingern als Königreich, wurde Dublin nach der normannischen Invasion im 12. Jahrhundert bald die wichtigste Stadt der Insel. Im 17. Jahrhundert war es die zweitgrösste Stadt des British Empire. Und nach der Unabhängigkeit Irlands im Jahre 1922 nahm das neue Parlament, der Oireachtas, Sitz in Leinster House, und Dublin wurde zuerst die Hauptstadt des Irischen Freistaates und später der heutigen Republik Irland.
Als Hauptstadt ist Dublin überraschend grün, umgeben vom fruchtbaren Boyne Valley und den bewaldeten Dublin und Wicklow Mountains. Auch ausgedehnte Parks findet man in jedem Stadtteil: fast drei Hektar pro tausend Einwohner. Der Name «grüne Insel» hat aber in Irland noch eine andere Bedeutung: Regionale Anbieter für Gemüse, Obst, Milchprodukte und Fleisch sind allgegenwärtig, bio boomt nach wie vor. Und sogar irischen Wein findet man in den Regalen – wenn auch meist aus den südlichen Landesteilen, denn in Dublin selbst gibt es nur einen Bauern, der den Weinbau professionell betreibt (und dem man auch am Temple Bar Food Market begegnen kann). Eine umfangreiche Weinliste ist längst auch gang und gäbe in den Restaurants der Stadt, was selbst die Franzosen zu würdigen wissen: Der «Guide Michelin» hat beispielsweise das Restaurant «Patrick Guilbaud» und das «Chapter One» von Mickael Viljanen mit zwei Sternen ausgezeichnet und für ihre Weinauswahl gelobt.
Aber auch ohne Sterne, in kleinen Restaurants, Bistros und Pubs, ist Dublins Küche heute enorm vielfältig: Asiatische Einflüsse, verbunden mit mediterraner Küche, Burgern und Toasties, vegetarische und vegane Spezialitäten, Lamm- und Rindfleisch und natürlich Fisch sind allgegenwärtig. Sogar die irischen Austern müssen sich vor den französischen nicht mehr verstecken. Man schlürft sie übrigens bevorzugt mit einem Pint Guinness oder einem Glas Whiskey in einem der Gastro-Pubs in der Innenstadt. Denn obwohl in den vergangenen Jahren – verursacht durch Wirtschaftskrisen und Pandemie – eine grosse Zahl an Lokalen in allen Landesteilen schliessen musste, ist das Pub immer noch das liebste Wohnzimmer der Dubliner und auch der Zugereisten: Namen wie «Mulligan’s», «The Long Hall», «The Stag’s Head» oder «Cobblestone» lassen fidelverliebte Herzen höherschlagen. Ebenso wie der Name «Temple Bar», wenn man darüber hinwegsieht, dass in diesem Ausgehviertel meist mehr Touristen als Iren zu finden sind.
«Wenn ich sterbe, dann soll Dublin in mein Herz geschrieben werden.»
James Joyce
Aber egal, welches Etablissement man besucht: Das dunkle Stout Guinness ist immer noch unumschränkter Platzhirsch, auch wenn sich in kleinen Brauereien landauf, landab Widerstand regt und man auch exotischere irische Namen wie Galway Hooker, Franciscan Brewery oder Whitewater findet. Und hatte man einst in den Bars der Stadt neben Bier und Cider im besten Fall noch die Wahl zwischen Pinot Grigio aus Italien, Tempranillo aus Rioja und Cabernet aus Chile, ist Dublin längst auch für Weinliebhaber eine Reise wert. Hochklassige Wineshops mit einer hervorragenden Auswahl an Weinen aus Frankreich, aber auch aus Italien und Übersee sind über die ganze Stadt verteilt. In manchen von ihnen lohnt sich auch ein Blick auf die Speisekarte. Das Sightseeing darf danach nicht zu kurz kommen: In den ehrwürdigen Hallen des Trinity College ist ein Blick auf das «Book of Kells» Pflicht, ein Meisterstück mittelalterlicher Buchmalerei. Und nicht weit entfernt lockt das National Museum of Ireland mit seinen Sammlungen zu Architektur, Natur, Kunst und Landleben (der Eintritt ist frei).
Ein anderer Hotspot ist St. Stephen’s Green, eine der grünen Lungen der Stadt, um die sich in georgianischen Stadthäusern einige der besten Hotels der Stadt angesiedelt haben. Am Eingang zum Park lümmelt ein bronzener Oscar Wilde, neben James Joyce und George Bernard Shaw einer der grossen Dichter Irlands.
Nur ein paar hundert Meter entfernt, an der Harry Street, erinnert eine andere Bronzestatue an Phil Lynott. Der 1986 verstorbene Begründer der Dubliner Hardrock-Pioniere Thin Lizzy hat (neben «Molly Malone», das die legendären Dubliners einst perfekt interpretierten) die inoffizielle Hymne der Stadt geschrieben, die regelmässig zu Football-, Hurling- oder Rugby-Matches in den Stadien ertönt und die jeder Dubliner mitsingen kann: «The boys are back in town.» Ein Selfie mit ihm und seinem Bronze-Bass darf daher bei einem Besuch in der Stadt nie fehlen. Ebenso wie ein Pint oder – je nach Lust und Laune – ein Gläschen Pinot Grigio in einem anderen legendären Pub, dem «Brussels», gleich daneben.
Kunst & Kultur
Erst seit hundert Jahren die Hauptstadt eines unabhängigen Staates, verbindet Dublin Geschichte, Lebensfreude und Kreativität zu einem vibrierenden Blend.
Infos
Feiertag 1
St. Patrick’s Day
Der 17. März ist der Namenstag des Nationalheiligen und irischer Nationalfeiertag. Das Epizentrum des in Grün schwimmenden Festtages, bei dem hektoliterweise Guinness durch die Zapfhähne rinnt, ist Dublin, und dort wird mit einem kilometerlangen Umzug, Livemusik und Feuerwerk gefeiert.
Feiertag 2
Bloomsday
Am 16. Juni, an dem James Joyce seinen Protagonisten Leopold Bloom im «Ulysses» durch Dublin wandern lässt, machen sich auch alljährlich zahlreiche Joyce-Fans auf seine Spuren: In historischen Gewändern huschen sie durch Seitengassen oder lauschen Lesungen.
bloomsdayfestival.ie
Trinity College
Bilder-Buch
1592 von Elisabeth I. von England als Bollwerk des protestantischen Glaubens gegründet, beherbergt die Universität heute unter anderem die Old Library, die Vorbild für die Jedi-Archive in «Star Wars II» war. Dort findet man auch das «Book of Kells», das um 800 n. Chr. auf der schottischen Insel Iona entstanden ist, bevor die Mönche vor den Wikingern ins sichere Kells (im Nordwesten Dublins) flohen. Von den 680 Seiten der kunstvollen Handschrift sind täglich zwei zu sehen.
visittrinity.ie
St. Michan’s Church
Draculas Gruft
Leichen verwesen langsamer in der Krypta der St. Michan’s Church, die erstmals 1095 auf der Nordseite des Liffey erwähnt wurde: Grund dafür ist ein spezielles Mikroklima, das man im Rahmen einer Führung am eigenen Leib erkunden kann. Dabei sieht man nicht nur Leichen in halbgeöffneten Särgen, sondern auch die Totenmaske des irischen Rebellen Wolfe Tone und die Überreste der Sheares-Brüder, republikanischer Revolutionäre, die 1798 hingerichtet wurden. Furchtlose können sogar den Finger eines Kreuzfahrers berühren wie einst schon Dracula-Schöpfer Bram Stoker: Er soll in der Krypta Ideen für seinen Roman über den Fürsten der Finsternis gesammelt haben.
cathedralgroupdublin.ie
Chapter One
Zwei Sterne
In einem kunstvoll-eleganten Ambiente im Untergeschoss des Dublin Writers Museum kombiniert der neue Küchenchef Mickael Viljanen in Kooperation mit der Kochlegende Ross Lewis französisch angehauchte Kreationen mit handverlesenen Zutaten: Als Highlight eines fixen Dinner-Menüs lockt zum Beispiel ein fangfrischer Donegal Lobster. Französisch dominiert ist die facettenreiche Weinkarte. Das alles zusammen war dem «Guide Michelin» zwei Sterne wert!
chapteronerestaurant.com