Travel like a Pro

48 Stunden im Wein-Westen Amerikas

Text: Ursula Geiger, Fotos: Ursula Geiger, istockphoto.com / 3Dsmills, Tartine Bakery, Courtesy of the Napa Valley Wine Train

Logisch, es reist kein Mensch wegen 48 Stunden an die Westküste der USA. Doch wer demnächst einen Trip durch Kalifornien plant und vielleicht mit einem roten Ford Mustang Cabrio von L. A. nach San Francisco unterwegs ist, sollte unser 48-Stunden-Programm unbedingt geniessen. Schon allein, weil San Francisco ein verfressenes Pflaster ist und die umliegenden Weinregionen den dazu passenden flüssigen Stoff liefern.

Die «Foodies» – Neusprech für Geniesser – versammeln sich in der Flower-Power-Metropole gerne am Embarcadero. Das historische Ferry Building mit dem markanten Glockenturm ist ein wahrer Genusstempel. Von köstlicher asiatischer Nudelsuppe, begleitet von einer feinen Teeauswahl, über Hamburger mit French Fries im Fastfoodtempel «Gott’s» bis zu frischem Meeresgetier in der «Hog Island Oyster Bar» reicht das Angebot. Die Ufer-Promenade ist die Bühne für durchtrainierte Jogger, Rikscha-Fahrer oder Travestie-Künstler, die zu Gloria Gaynors «I will survive» performen. Ab und zu rauscht ein Cable Car vorbei. Man kauft an den Souvenirständen am Anfang der Market Street ein in Polyethylenharz gegossenes Hanfblatt, steckt es ans Revers, steigt in den Mustang, wählt auf der Playlist Eric Claptons «I feel free» und rauscht über die Bay Bridge Richtung Napa Valley. Gut zwei Stunden muss man für die Fahrt einplanen. In Napa ticken die Uhren zwar ein wenig langsamer, doch die Qual der Wahl ist gross: lieber auf dem Boden bleiben und mit dem Wine Train das Tal erkunden? Oder mit einem Heiss-luftballon in die Lüfte steigen und still über die Landschaft schweben? Dann lockt noch der Silverado Trail, der von Napa nach Calistoga führt und von zahlreichen Weingütern gesäumt wird. Ein Abstecher in die Hügelketten über dem Talboden ist landschaftlich sehr reizvoll. Lichte Wälder wechseln sich mit saftigen Wiesen ab und an den Strassenrändern leuchtet der Goldmohn, dem der Golden State seinen Namen verdankt. Nach dem Aufwachen in Napa City lohnt sich ein Spaziergang entlang des Napa River. Wer das Wochenende in Napa verbringt, sollte unbedingt samstags morgens den Napa Farmers Market besuchen: Auch in Napa kommen «Foodies» auf ihre Kosten. 

7.30 h Tartine Bakery 

Die Tartine Bakery von Chad Robertson ist eine Institution, für die es sich lohnt, früh aufzustehen. Salopp gesagt liegt hier die Wiege des Sauerteig-Hypes, der die Hobbybäcker rund um den Globus fordert. 2010 veröffentlichte Robertson sein Buch «Tartine Bread», in dem er Schritt für Schritt erklärt, wie man Brot ohne Hefe zubereitet. Das Original des Meisters – in diesem Fall ein Schinken-Sandwich – vor Ort zu verspeisen ist ein kulinarisches Erlebnis, und weil es so gut war, gönnt man sich noch ein Pain au Chocolat als Frühstücksdessert.

Tartine Bakery
600 Guerrero Street, San Francisco, CA 
www.tartinebakery.com

11 h Meerluft und Austern

Nach der Schlemmerei im Mission District tut der Spaziergang zum Ferry Building gut. Ein Abstecher zur Misión San Francisco de Asís, dem ältesten erhaltenen Bauwerk der Stadt, lässt sich gut integrieren, bevor man in die lebhafte Market Street eintaucht, die schnurgerade zur Bucht führt. Die Einkaufsmeile lockt mit schicken Läden. An der Rückseite des Ferry Building, bei der Anlegestelle der Fähre nach Sausalito, nimmt man an der langen Theke der «Hog Island Oyster Bar» Platz, bestellt zwölf Austern und gönnt sich ein Glas Sauvignon Blanc. Die Tischnachbarn aus Japan sind nett. Man plaudert über die traditionelle Zubereitung von Sake, tauscht Mail­adressen und wünscht sich eine gute Reise. 

Hog Island Oyster Bar
One Ferry Building #11, San Francisco, CA
www.hogislandoysters.com

14 h Der schwarze Hengst

Bevor die Rebstöcke dominierten, war das Napa Valley ein Eldorado für Rinderbarone, Cowboys und edle Pferde. In den gross­zügigen Gebäuden war einst das Silverado Horseman’s Center untergebracht. Heute werden hier Weine gekeltert, die an der überdachten Bar im Freien zur Verkostung ausgeschenkt werden. Witziges Detail: Hinter dem Anwesen wurden Sequenzen für «Apocalypse Now» gedreht. Inglenook, das Weingut von Regisseur Francis Ford Coppola, liegt in Sichtweite.

Black Stallion Estate Winery
4089 Silverado Trail, Napa, CA
www.blackstallionwinery.com

16 h Unberührte Natur

Im Nordosten des Napa Valleys liegt das Gut der Familie Eisele in der AVA Chiles Valley in einem Talkessel, umgeben von unberührter Natur. Volker Eisele (1937 bis 2015) gründete die Winery im Jahr 1974. Inspiriert von seiner Frau Liesl, die sich als Landschaftsarchitektin intensiv mit der Pflanzenwelt der Gegend beschäftigte, stellte Volker Eisele das Gut auf biologische Bewirtschaftung um und wurde zum Vorbild der Biobewegung im Tal. Heute führen Alexander Eisele und seine Frau Catherine die Winery. Die riesige Scheune mit dem Wellblechdach und das zwischen den Reben eingebettete Farmhaus sind ein schöner Kontrast zum geschäftigen Treiben im unteren Teil des Napa Valleys. Besuch und Verkostung nach Voranmeldung.

Volker Eisele Family Estate
3080 Lower Chiles Valley Road St. Helena, CA
www.volkereiselefamilyestate.com

18.30 h Im Farmhaus

Wein, Olivenöl, Gemüse, Rinder und alles in Bioqualität, das ist die Philosophie der Familie Hall, die 1980 eine Ranch in den Mayacamas Mountains erwarb. Im Farmhaus unten im Tal werden alle Produkte in der Küche von Chef Chris Barber verwendet, zum Beispiel für glasierte Rote Bete mit Ziegenkäse oder köstliche Fleischbällchen. Durch den Kräutergarten hinter den Gebäuden lässt es sich schön flanieren, mittags und abends fährt hier der Napa Valley Wine Train vorbei.

Farmstead at Long Meadow
Ranch 738 Main Street, St. Helena, CA
www.longmeadowranch.com

20.30 h Sundowner

Das «Archer Hotel» in Napa ist neu und zentral gelegen. An Komfort lässt es keine Wünsche offen und wer zum ersten Mal im Tal ist, orientiert sich an dem riesigen Relief, das in der Lobby an der Wand hängt. In der Sky & Vine Rooftop Bar wird Jazz gespielt. Ein Heissluftballon schwebt in der Ferne vorüber, letzte Sonnenstrahlen tauchen die Welt in weiches Licht. Zeit für einen «Rolling Barrels» aus Bourbon, Wermuth, Benediktiner und Absinth. 

Archer Hotel Napa
1230 First Street, Napa, CA
www.archerhotel.com/napa

8.30 h Frühstück mit Spatz

Vom «Archer Hotel» ist es ein zehnminütiger Spaziergang über die Brücke des Napa Creek zum Oxbow Public Market, dessen Angebot an jenes des Ferry Building in San Francisco erinnert. Etwas versteckt um zwei Ecken liegt der Laden «The Model Bakery». Hier werden also die berühmten English Muffins (Scones) gebacken, für die selbst Oprah Winfrey schwärmt. Einfache Holztische stehen in der Sonne. Ein Becher Kaffee, Scones, Butter und Marmelade ergeben ein frugales, aber leckeres Frühstück. Ein Spatz wartet höflich auf die Brosamen.

The Model Bakery
Oxbow Market, 644, Napa, CA
www.themodelbakery.com

9.30 h Marktbummel 

Die Lebensmittelmärkte in Nordkalifornien sind wegen der Fülle an Gemüse, Kräutern und Früchten, die im Golden State wachsen, fantastisch. Jeder Farmer hat seine Spezialität. Fast alles kann probiert werden. Die verschiedenen Sorten Orangen, Mandarinen und Minneolas sind so gut, dass gleich zwei Kilo in den Rucksack wandern. Noch schnell ein Glas erfrischend säuerlichen Apple-Shrub, noch ein Stückchen frittiertes Yuba (Haut, die bei Erhitzen von Sojamilch entsteht) für den Veganer in mir, und es geht weiter. Der Markt findet statt von April bis November, immer dienstags und samstags von 8.30 bis 13 Uhr.

Napa Farmers Market
South Napa Century Center, Napa, CA
www.napafarmersmarket.org

11.30 h Lunch im Salonwagen

Man gönnt sich ja sonst nichts. 150 Dollar kostet das Ticket. Doch wer kann sich schon dem Charme historischer Eisenbahnen entziehen? In Zeiten von Minibars, die durch die Abteile geschoben werden und lapprige Sandwichs und wässrigen Kaffee anbieten, fühlt man sich während der dreistündigen Fahrt im Napa Valley Wine Train ein bisschen wie Hercule Poirot im Orientexpress. Während Gläser klirren und Besteck klappert, ziehen draussen vorbei: Mondavi, Opus One, Grgich Hills, Beringer, Merryvale. Es können auch Tagestouren mit Winery-Besichtigungen gebucht werden.

The Wine Train
1275 McKinstry Street, Napa, CA
www.winetrain.com

15 h Kunst auf dem Berg 

Wer Kunst, Landschaft, Wein und Essen liebt, muss unbedingt auf dem Mount Veeder die Hess Winery besuchen. Die Stille dort oben und der Blick auf die steilen Rebhänge sind fantastisch. In der Kunstsammlung sind unter anderem Werke von Francis Bacon, Anselm Kiefer, Andy Goldsworthy und Hans Gertsch zu bestaunen. Wer länger Zeit hat, bucht ein Wine and Dine. Die Gerichte von Chad Hendrickson sind perfekt auf die Crus abgestimmt. Unbedingt probieren: den Cabernet Sauvignon Lion und den Lion Tamer, einen Blend aus Cabernet Sauvignon, Petite Sirah und Malbec.

The Hess Collection
4411 Redwood Road, Napa CA
www.hesscollection.com

 

18 h Townhouse Spotting

Was fängt man mit dem letzten Abend in San Francisco an? Die berühmte Bondi Street links liegen lassen und sich vom Taxi auf die Twin Peaks chauffieren lassen, die Aussicht auf die Stadt in der Abendsonne geniessen, dann Richtung Haight-Ashbury spazieren und dabei die schön hergerichteten Häuser bestaunen. In Haight-Ashbury selbst findet man prima Souvenirs, zum Beispiel eine Voodoo-Puppe mit orangefarbener Haartolle.

Twin Peaks Vista Point
501 Twin Peaks Blvd, San Francisco, CA

21 h The Last Supper

Das hippeste Restaurant im Ferry Building ist das «The Slanted Door», also unbedingt reservieren. Die Atmosphäre ist laut, fröhlich und ungezwungen. Glücklich, wer in der Gruppe reist, denn dann wird geteilt, was an vietnamesischen Köstlichkeiten auf den Tisch kommt, und jeder Foodie kann fast alles probieren. Der im Holzofen gegarte Red Snapper macht als ganzer Fisch auch optisch mehr her. Das Tranchieren ist zwar eine Herausforderung, doch irgendeinen Künstler mit dem Messer gibt es immer. Dann wird geschmaust, getrunken, geplaudert und gelacht bis kurz vor Mitternacht. 

Twin Peaks Vista Point
One Ferry Building #3, San Francisco, CA
www.slanteddoor.com

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